Einleitung
Einleitung
Die Sentinel-Lymphonodektomie (SLNE) gilt mittlerweile als
Standard-Untersuchung beim primären malignen Melanom. Die Indikation zur
SLNE wird meist ab einer Tumoreindringtiefe (Breslow-Index) des
Primärtumors von > 1 mm gestellt, beim Vorliegen weiterer
Risikofaktoren wie Clark IV, Ulzeration oder vielen Mitosen kann die SLNE auch
schon ab einer Tumordicke von 0,76 mm erwogen werden. Der pathologische
Status der Sentinel Lymphknoten (SLKs) wurde in vielen Studien als wichtigster
prognostischer Faktor für das Überleben von Patienten der klinischen
Stadien I und II etabliert [2]
[3]
[4]. Bei
15 – 34 % der Patienten in diesem Stadium
sind Metastasen im SLK nachweisbar [1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]. Die Detektionsraten sind deshalb so heterogen, weil sie
zum einen durch die Prognosefaktoren des Primärmelanoms (Breslow,
Ulzeration), zum anderen aber auch durch die Art und Weise der
histopathologischen Aufarbeitung beeinflusst werden.
Die ideale pathologische Aufarbeitung von SLKs sollte darauf
ausgelegt sein, so viele Metastasen wie möglich zu finden. Der Anspruch
einer kompletten Aufarbeitung eines SLNs erweist sich in der täglichen
Praxis jedoch als nahezu unmöglich. Eine komplette Aufarbeitung würde
beispielsweise für 1 cm Lymphknoten(LK)-Gewebe mehr als 3000
Serienschnitte erfordern, was einen unermesslichen Arbeitsaufwand und hohe
Kosten nach sich ziehen würde. Verschiedene publizierte Protokolle der
histopathologischen Aufarbeitung von SLKs versuchen daher einen Kompromiss
zwischen einer möglichst hohen Effizienz beim Auffinden der
(Mikro-)Metastasen und einem vertretbaren Arbeitsaufwand für das
pathologische Labor herzustellen.
Verfahren zur Aufarbeitung des SLKs
Verfahren zur Aufarbeitung des SLKs
Das Erkennen von mit bloßem Auge sichtbaren Metastasierungen
im SLK dürfte kein Problem darstellen. Andererseits ist der Begriff der
„Mikrometastase” beim Melanom nicht genau definiert. Kleine
Gruppen von wenigen Melanomzellen, die bereits Ausdruck einer intranodalen
Proliferation sein könnten, lassen sich jedoch nur bei subtiler
Durchmusterung möglichst des gesamten SLKs finden. Mehrere Vorgehensweisen
sind in der Literatur beschrieben und werden nachfolgend aufgeführt.
Nach einer Hypothese von Cochran et al. [9]
findet sich die Mehrzahl der Mikrometastasen im SLK in dessen zentralen Ebene,
also an den Schnittebenen eines entlang der Längsachse durch den Hilus
mittig halbierten SLKs. Die Anatomie eines mittig durch seine größte
Zirkumferenz geteilten LK ist in [Abb. 1]
schematisch dargestellt. Cochran schlug die Durchführung von je 10
Serienschnitten ausgehend von beiden Oberflächen des mittig geteilten
Lymphknotens vor. Dabei kamen H&E sowie der immunhistochemischen Marker
S100 und HMB45 zur Anwendung [9] ([Abb. 2]) [10]. Dieses
Protokoll wurde wegen seiner relativ niedrigen Sensitivität
(Detektionsraten im Durchschnitt etwa 18 %) kritisiert
[11].
Abb. 1 Schematische Darstellung
des anatomischen Aufbaus eines entlang der Längsachse halbierten
Lymphknotens.
Abb. 2 Histologische
Aufarbeitung des Sentinel-Lymphknotens, modifizierte Darstellung nach
Cochran.
Eine alternative Möglichkeit der histologischen Aufarbeitung
des SLK bietet die von Starz et al. empfohlene Vorgehensweise
[12], die den Fokus beim makroskopischen Zuschnitt nicht
auf die Medianebene des Lymphknotens legt und in approximativ
1 – 2 mm dicke Gewebescheiben parallel zur
Längsachse aufgeschnitten wird. Dieses Vorgehen gewährleistet eine
bessere Beurteilung der außerhalb der Mittelebenen gelegenen LK-Anteile
und gewährleistet somit die Diagnose zusätzlicher, nicht in der
mittleren Schnittebene sichtbarer Metastasen [12]
[13]
[14]. Starz et al. haben eine
Detektionsrate von 27,5 % beschrieben. Mit einem ähnlichen
Protokoll konnten wir eine Mikrometastasen-Detektionsrate in der gleichen
Größenordnung erzielen [15].
Basierend auf dem Konzept der Halbierung des Lymphknotens und
paramedianer Aufarbeitung haben Cook et al. das gegenwärtige
EORTC-Protokoll entwickelt, bei dem je 20 Mikrotomschnitte jeder LK-Hälfte
untersucht werden. Um tiefer in den SLN einzudringen, wurden in bestimmten
Abständen („gaps”) von 50 µm zwischen die zu
färbenden Schnitte eingefügt, sodass letztlich eine maximal
0,8 mm breite Scheibe aus Lymphgewebe der Mittelebene relativ intensiv
durchgemustert wird. Für dieses Protokoll wurden
Mikrometastasen-Detektionsraten von 33,8 % [2]
[11] berichtet. Ein Nachteil dieser
Vorgehensweise ist allerdings, dass die nachträgliche Beurteilung
fragwürdiger Zellen die Anfertigung und Lagerung von Leerschnitten
erforderlich macht.
In Göttingen kommen gewöhnlich
1 – 3 SLKs pro Patient zur Aufarbeitung (Median 2,
Mittelwert 1,8 ± 0,9). Wir haben ein den EORTC-Richtlinen
entsprechendes, aber leicht modifiziertes Sentinel-Protokoll eingeführt,
bei dem der Zuschnitt der gleichen ebenfalls mit der Halbierung des SLNs
entlang der Längsachse begonnen wurde. Von jeder LK-Hälfte wurden 5
Serien von Paraffinschnitten von der Oberfläche beider Hälften
angefertigt, mit H&E gefärbt und mit immunhistochemischen
Antikörpern (S100, MART-1, HMB45, Pan Melanoma plus) inkubiert und auch
jeweils entsprechende Leerräume („gaps”) zwischen den
einzelnen Serien eingehalten. Im Vergleich zum Original-EORTC Protokoll wurde
im Göttinger Protokoll zusätzlich der Antikörper MART-1
eingesetzt und die Anzahl der mit HMB45 inkubierten Schnitte erhöht. Um
eine Eingrenzung des mit der Durchsicht der Objektträger verbundenen
Arbeitsaufwands und der Kosten zu gewährleisten, wurden jeweils nur 5
Serien (anstatt 6) von Schnitten zur Auswertung angefertigt. Mit diesem, auf 42
Objektträger pro Patient begrenzten Sentinel-Protokoll wurde bei einer
Anzahl von 128 SLNs eine Detektionsrate von 27 % erreicht.
Wertigkeit der immunhistochemischen Färbungen
Wertigkeit der immunhistochemischen Färbungen
Im Gegensatz zu nodalen Metastasen von anderen malignen Tumoren sind
Melanomzellen im lymphatischen Gewebe häufig in kleinen Gruppen, aber auch
als Einzelzellen anzutreffen, die meist nur durch den Einsatz
immunnhistochemischer Antikörper (AK) entdeckt werden und deren
Einführung die Detektionsraten um mindestens 10 % gesteigert
haben dürfte [16]. Der S-100 Antikörper weist
eine hohe Sensitivität beim Auffinden von Melanomzellen im
Lymphknotengewebe auf, färbt jedoch auch dendritische Zellen an, die in
kleinen Haufen gelagert, von Melanozyten abgegrenzt werden müssen. Zum
Nachweis von Einzelzellen und kleinen Zellhaufen hat sich in unserem Labor der
Einsatz des Antikörpers MART-1 bewährt, der unserer Erfahrung nach
eine etwas geringere Sensitivität als der AK gegen das S-100 Protein
aufweist, im SLK aber spezifischer zur Detektion von Melanomzellen ist. HMB45
hat eine Sensitivität von nur etwa 70 %, kann aber bei der
Diagnose von intranodalen Nävi hilfreich sein, deren Zellen für
gewöhnlich HMB45 negativ sind, bzw. nur eine äußerst schwache
zytoplasmatische Positivität zeigen. Nävuszellen finden sich in bis
zu 14 % der SLKs [17] und sind meist durch
ihre Lokalisation in der fibrösen Kapsel und/oder bindegewebigen Trabekel
erkennbar. Die größte Herausforderung für den Befunder ist bei
ausschließlich HMB45 zytoplasmatisch positiven Einzelzellen gegeben.
Diese sind zytomorphologisch auf immunhistochemischen Schnitten nur
eingeschränkt von Melanophagen zu differenzieren und auf nachfolgenden
oder vorangehenden Schnittstufen häufig nicht (mehr) erfasst.
Bei der von uns verwendeten Kombination an Antikörpern hat der
AK Pan Melanoma plus keinen diagnostischen Zugewinn gezeigt.
Mikroanatomische Lokalisation der Metastasen im SLK
Mikroanatomische Lokalisation der Metastasen im SLK
Verschiedene Arbeitsgruppen haben versucht, unterschiedliche
Kriterien der Metastasierung und ihre Ausbreitung im Lymphknoten
herauszustellen um prognostische Faktoren herauszuarbeiten. In der auf Starz
zurückgehenden S-Klassifikation wird die Eindringtiefe der Melanomzellen
von der Innenseite der Kapsel, analog dem Breslow-Index beim Primärtumor,
bestimmt [12]. Diese Einteilung (SI-SIII) erlaubt eine
Voraussage bezüglich weiterer befallener Lymphknoten der gleichen Region
und korreliert mit der des Gesamt-Überlebens. Dewar et al.
[18] konnten einen klaren Zusammenhang zwischen der
mikroanatomischen Lokalisation der Metastasen im SLK und dem Auffinden von
zusätzlichen Metastasen bei der nachfolgenden kompletten
Lymphknotendissektion (CLND) aufzeigen. Bei Patienten mit rein
subkapsulärer Lokalisation der Metastasen konnten keine weiteren
LK-Metastasen in der CLND gefunden werden. In einer neueren Arbeit von Akkooi
et al. [19] konnten bei Metastasen mit einer Ausdehnung
< 0,1 mm im SLK keine zusätzlichen Absiedlungen in
nachgeschalteten Non-Sentinel-Lymphknoten detektiert werden. Dieser Sachverhalt
wirft verständlicherweise die Frage der Notwendigkeit einer CLND bei
Patienten mit ausschließlich subkapsulärer Lokalisation, bzw.
Eindringtiefe < 0,1 mm der Metastasen im SLK auf. Die Rolle
von Einzelzellen [20], die sich mitunter nur schwer von
normalerweise ortsständigen Zellen unterscheiden lassen, bleibt unklar und
erfordert wohl sehr lange Nachbeobachtungszeiten.
Status quo
Status quo
Die subtile pathologische Aufarbeitung der SLNs ist kostspielig und
verlangt ausreichende Erfahrung vom Befunder. Sie ist in Zeiten
zurückgehender Ressourcen nur schwer mit in den Routinebetrieb eines
pathologischen Labors integrierbar. Die Frage der prognostischen Aussagekraft
von bestimmten Metastasierungsmustern im SLK verlangt die Korrelation zur
komplettierenden regionalen LK-Dissektion (CLND) und zu den klinischen
Verläufen. Die prognostische Bedeutung von einer minimalen Tumorlast im
SLK lässt sich wahrscheinlich nur in multizentrischen Studien mit
Langzeitverläufen beurteilen.