Einleitung
Die Bedeutung von Mykiden ist in den letzten Jahren nur selten diskutiert worden. In der Literatur findet man nur noch sporadisch Berichte über diese Entität. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass Mykide in der Praxis nur noch gelegentlich diagnostiziert werden [1 ]
[2 ]
[3 ]
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[11 ]. Als Grund dafür wird angegeben, dass die Therapie von Pilzinfektionen heute so frühzeitig erfolgt, dass profunde Pilzerkrankungen und damit die Voraussetzung für eine Sensibilisierung kaum noch auftreten [3 ]. Andererseits steigen die Prävalenzen von Dermatophyteninfektionen wie Tinea pedis und Tinea unguium weltweit an [12 ]
[13 ]. Wie häufig Mykide in der Praxis tatsächlich auftreten, ist nicht bekannt. Sie sind jedoch bedeutsam in der Differentialdiagnostik gerade dyshidrosiformer Veränderungen, wie der folgende Fallbericht aufzeigen soll.
Anamnese
Eine 24-jährige Patientin stellte sich mit entzündlichen und stark juckenden Hautveränderungen im Bereich beider Hände und Füße vor, nachdem eine vor 14 Tagen eingeleitete Therapie mit einem topischen Steroid unter der Diagnose eines dyshidrosifomen atopischen Ekzems keine Besserung herbeigeführt hatte. Die Atopieanamnese war sonst negativ, eine Pricktestung (Standard/Lebensmittel) ohne pathologischen Befund. Die Patientin war sehr bedrückt, da ihr eine langwierige, rein symptomatische Therapie mit Glukokortikosteroiden topisch und ggf. systemisch in Aussicht gestellt worden war.
Befund
Es fanden sich im Bereich beider Fersen entzündlich-erosive, teils schuppende und nässende Hautveränderungen, die sich im Randbereich in einzelnen dyshidrosiformen Bläschen auflösten ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Dyshidrosiforme Tinea pedis im Bereich der rechten Ferse – im Nativpräparat reichlich Hyphen und Arthrosporen, in der Kultur T. interdigitale .
An beiden Händen fanden sich palmar sowie im Bereich der Fingerkanten dyshidrosiforme Bläschen auf gerötetem Grund ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Dyshidrosiformes Mykid im Bereich beider Hände – mykologische Diagnostik negativ.
Es bestand sehr starker Juckreiz.
Im Schuppenmaterial vom Rand der Läsion im Bereich der rechten Ferse fanden sich im Nativpräparat reichlich Hyphen und Arthrosporen, Schuppenmaterial von der rechten bzw. linken Hand zeigte ein negatives Ergebnis, auch unter Verwendung optischer Aufheller in der Fluoreszenzmikroskopie. In der Kultur des Schuppenmaterials von den Füßen wuchs nach 2 Wochen T. interdigitale , das Material von den Händen war auch nach 4 Wochen negativ.
Diagnose
Dyshidrosiforme Tinea pedum mit dyshidrosiformen Mykid im Bereich der Hände.
Therapie
Es wurde eine systemische Therapie mit Terbinafin (Myconormin® 250 mg Tabletten) eingeleitet (1 × täglich über zwei Wochen). Zusätzlich wurde topisch eine Kombination aus einem mittelstark wirksamen Kortikosteroid (Flupredniden-21-acetat) mit einem Breitspektrum-Antimykotikum (Miconazol) verordnet (Vobaderm®-Creme). Dieses sollte die Patientin zweimal täglich dünn auf die juckenden Läsionen auftragen.
Therapieverlauf
Vierzehn Tage nach Einleiten der Therapie erschien die Patientin zur Kontrolluntersuchung in der Klinik. Sie gab an, der Juckreiz habe sich in den ersten 2 Tagen der Therapie verstärkt, danach sei es zu einer deutlichen Besserung gekommen. Zum Zeitpunkt der Kontrolluntersuchung berichtete sie, fast frei von Juckreiz zu sein. An den Fersen hatten sich trockene Schuppenkrusten gebildet, die entzündlichen Veränderungen waren deutlich rückläufig, und auch die Bläschen an den Händen waren unter Ausbildung Kolorette-artiger Schuppung eingetrocknet ([Abb. 3 a, b ]).
Abb. 3 Befund nach 2-wöchiger Therapie mit Myconormin 250 mg/d und Vobaderm Creme 2 × tgl. a im Bereich der Füße, b im Bereich der Hände.
Die systemische antimykotische Therapie wurde beendet, die topische Kombinationstherapie noch 2 Wochen fortgesetzt. Nach weiteren 2 Wochen waren die Veränderungen nahezu vollständig abgeheilt, eine mykologische Kontrolluntersuchung war negativ. Zur Desinfektion der Schuhe und Strümpfe wurde die quaternäre Ammoniumverbindung Didecyldimethylammoniumchlorid (z. B. Amosept®, Fungisept®) in 2 %iger Konzentration eingesetzt (Einwirkzeit bei Strümpfen 1 h, bei Schuhen als Sprühlösung 3 Tage in einem geschlossenen Plastikbeutel, dann gut auslüften).
Diskussion
1928 stellte Bruno Bloch erstmalig das Konzept der Mykide als eine Id-Reaktion auf Dermatophyten vor [2 ]
[3 ]. Er schrieb: „Mit dem Namen Trichophytide bezeichnen wir – in Analogie zu den „Tuberkuliden” – Pilzerkrankungen, welche im Gefolge einer primären, exogenen, tiefen Trichophytie auf hämatogenem Weg in der allergischen Haut zustande kommen” [4 ]. Bloch unterschied Exanthemformen wie das lichenoide Trichophytid (Lichen trichophyticus) von makulopapulösen sowie polymorph-exsudativen und subkutan-nodösen Trichophytiden (Erythema nodosum trichophyticum).
Nach aktueller Nomenklatur versteht man unter einem Mykid eine hypererge Reaktionslage, bei der auch fern vom Herd der Infektion Hauterscheinungen auftreten, in denen keine Pilze nachweisbar sind [2 ]. Meist handelt es sich um symmetrische, dyshidrosiforme Eruptionen an Händen und Füßen, seltener werden heute die von Bloch erwähnten nodösen oder multiformen Erytheme im Bereich der Extremitäten oder der Lichen trichophyticus beobachtet. Gerade die dyshidrosiformen Mykide umfassen häufige Differentialdiagnosen wie Dyshidrose, dyshidrosiformes atopisches Ekzem oder dyshidrosiforme, auch hämatogene Kontaktekzeme.
Das klinische Bild des Mykids ist jedoch auch heute noch sehr variabel [6 ]. Mykide können grundsätzlich am Rumpf, an den Extremitäten und im Gesicht auftreten. Auch generalisierte Reaktionen sind möglich: Gianni et al. [10 ] beschreiben einen Fall, in dem es unter Infektion mit Microsporum canis zu einer ausgedehnten psoriasiformen Eruption im Sinne eines Dermatophytids kam.
Häufiger liegt jedoch eine Pilzinfektion an einem oder beiden Füßen zugrunde, während die allergische Id-Reaktion an den Händen auftritt [5 ]
[11 ]. Veien et al. [5 ] stellten dies im Rahmen einer retrospektiven Untersuchung von 213 Patienten mit Pilzinfektion der Füße fest. Insgesamt entwickelten 37 Patienten (17 %) ein Mykid, und bei 34 dieser Patienten waren ausschließlich die Hände betroffen. Wie auch die hier vorgestellte Patientin wies die überwiegende Anzahl der Mykid-Patienten (73 %) eine Infektion mit dem Erreger Trichophyton mentagrophytes/interdigitale auf, die meist zu starken Entzündungen mit teilweise bullösen Läsionen der Fußsohlen führte. Neun Patienten, bei denen eine T. rubrum -Infektion vorlag, zeigten dagegen nur geringe oder gar keine Entzündung. Diese Beobachtungen stimmen mit denen von Kaaman [6 ] überein, der anhand von Trichophytin-Tests zeigte, dass T. mentagrophytes/interdigitale häufiger zu Sensibilisierungen führte als T. rubrum . Erreger, die eine stärkere Immunreaktion hervorrufen, führen im Allgemeinen häufiger zu allergischen Spätreaktionen in Form von Mykiden [7 ]. So entwickeln sich Mykide auch seltener auf dem Boden einer Tinea incognita [8 ]
[9 ]. Die zunehmende Dominanz von T. rubrum im heutigen Erregergut [2 ]
[12 ] könnte andererseits auch erklären, warum Mykide derzeit seltener zu beobachten sind.
In der differenzialdiagnostischen Abklärung ist insbesondere die Durchführung des Nativpräparates eine rasche und einfache Methode. Gerade bei dyshidrosiformen Veränderungen kann durch mehrere Probenentnahmen auch der Ort der eigentlichen Infektion eingegrenzt werden. So waren bei der hier vorgestellten Erkrankung die Schuppenpräparate von den Läsionen im Bereich der Hände negativ, während sie aus den klinisch ähnlichen Veränderungen im Bereich der Füße hochpositiv waren.
Der früher eingesetzte Intrakutantest mit Trichophytin, wie er in Form eines Stempeltests (Multitest Merieux, Immignost) zur Verfügung stand, ist heute kommerziell nicht mehr verfügbar. Sein diagnostischer Wert ist auch insofern eingeschränkt, als er – ähnlich wie der Tuberkulintest – lediglich eine stattgehabte Auseinandersetzung mit Dermatophyten-Allergenen erfasst und nur eine Titration Akuität ggf. anzeigen könnte.
Mehrere Allergene, die sowohl Reaktionen vom Sofort- als auch vom verzögerten Typ auslösen können, wurden mittlerweile teils rekombinant dargestellt [13 ]. Sie haben bisher noch keinen Eingang in die Routinediagnostik gefunden. Trichophyton-Allergene, die eine starke Reaktion vom verzögerten Typ induzieren, könnten jedoch auch eine Basis für Impfstoffe sein [13 ]
[14 ].
Inwieweit die mit dem Mykid einhergehende starke Immunreaktion vom verzögerten Typ zu einer vollständigen Abheilung der Mykose führen könnte, ist insbesondere bei den Mykosen im Bereich der Leistenhaut unklar [13 ]
[14 ]. Reservoire des Erregers könnten hier in der ausgeprägten Hornschicht verbleiben, sodass ein rezidivierender schubweiser Verlauf resultieren kann, wie er bei dyshidrosiformen Tineaformen nicht selten beobachtet wird.
Typischerweise bilden sich Mykide bei Behandlung der zugrunde liegenden Pilzinfektion spontan zurück, wobei initial ein kurzes „flare-up” durch verstärkte Antigenfreisetzung bei Absterben des Pilzes auftreten kann. Da es sich bei der zugrunde liegenden Pilzinfektion jedoch häufiger um tiefe oder stark entzündliche Mykosen handelt, ist neben der erforderlichen antimykotischen Behandlung auch eine schnelle Linderung der Entzündung und des Juckreizes erwünscht. In dem vorgestellten Fall wurde neben der systemischen Therapie mit dem gegenüber Dermatophyten hochwirksamen Antimykotikum Terbinafin gleichzeitig eine topische Therapie eingeleitet. Durch die Kombination des Antimykotikums mit dem Glukokortikoid kann neben den Entzündungssymptomen wie Rötung und Nässen insbesondere der quälende Juckreiz schnell gelindert werden.
In einer randomisierten Doppelblindstudie an 214 Patienten mit entzündlichen Mykosen und superinfizierten Ekzemen ließ sich nachweisen, dass die Anwendung der Kombination Miconazol plus Flupredniden-21-acetat zu einem signifikant schnelleren subjektiven Wirkungseintritt führte als die Verwendung des Miconazol-Monopräparats [15 ]. Miconazol ist ein Breitspektrum-Antimykotikum mit Wirksamkeit gegen Hefen, Dermatophyten und Schimmelpilze. Darüber hinaus wirkt es auch gegen einige grampositive Bakterien, die bei Hauterkrankungen eine Rolle spielen, wie zum Beispiel Staphylokokken und Streptokokken [15 ]. Flupredniden-21-acetat ist ein mittelstark wirksames Kortikoid der Klasse II. Der Zusatz des Glukokortikoids beeinträchtigt nicht die antimikrobielle Wirksamkeit von Miconazol [16 ].
Bei unserer Patientin kam es in den ersten zwei Tagen nach Einleiten der systemischen antimykotischen Behandlung zunächst zu einer Verschlimmerung des Juckreizes, bedingt durch eine verstärkte Reaktion auf freigesetzte Pilzantigene. Unter der kombinierten, zusätzlich antientzündlichen topischen Therapie verspürte sie nach weiteren zwei Tagen eine deutliche Verbesserung der Symptomatik. Dies hätte im Sinne eines synergistischen antimykotischen Effekts unter dem Schutz von Terbinafin gegebenenfalls auch mit einer topischen Miconazol-Monotherapie erreicht werden können. Aufgrund der starken Entzündungssymptomatik mit ausgeprägtem Juckreiz sprach jedoch vieles für den Einsatz der antientzündlichen Kombinationstherapie. Die Patientin profitierte von einem schnellen Rückgang des Juckreizes. Zusätzlich war durch den topischen Einsatz des Antimykotikums mit einer reduzierten Umgebungskontamination zu rechnen.