Im Gegensatz zu anderen Organen wird das Kapillarnetz der Lunge nicht von perikapillärem, solidem Gewebe umgeben und geschützt. Um die Hauptaufgabe der Lunge, nämlich einen möglichst effizienten Gasaustausch zwischen Atemluft und Blut zu gewährleisten, sind die Kapillaren fast unmittelbar und über eine riesige Fläche der Alveolarluft exponiert, wobei lediglich eine extrem dünne Gewebemembran als Barriere zwischen Luft und Blut und ein zartes, deformierbares Fasernetz als Stützgerüst die wesentlichen strukturerhaltenden Elemente sind [1]
[2]
[3]. Angesichts des hohen Blutdurchflusses (über 30 l/min beim Hochleistungssportler) auf der einen und der delikaten Architektur des Gasaustauschapparates auf der anderen Seite, stellt sich unmittelbar die Frage nach den Vorkehrungen des Systems, welche einen übermäßigen Flüssigkeitsaustritt aus den Kapillaren in das freie Interstitium und eine Überflutung der Alveolen verhindern. Tatsächlich verfügt die Lunge über eine Reihe struktureller und physiologischer Sicherheitsmechanismen, welche trotz ungünstigen Rahmenbedingungen die Alveolaroberfläche relativ „trocken” erhalten und eine minimale Diffusionsdistanz für die Atemgase sichern ([Tab. 1]). Die Abschätzung der Bedeutung der einzelnen Faktoren erfordert vorerst eine Betrachtung der besonderen Konstruktion des Lungenparenchyms, welches nicht nur ein passives Instrument des Gasaustausches ist, sondern u. a. m. auch einen zur Erhaltung der Strukturen notwendigen und kontinuierlichen Flüssigkeitsaustausch aufrechterhält [3]
[4]
[5]
[6]
[7].
Tab. 1 Sicherheitsfaktoren gegen alveoläre Überflutung.
Physiologische Faktoren | Strukturelle Faktoren |
geringe hydrostatische Drucke im Lungenkreislauf | dichtes Kapillarendothel „leaky” tight junctions) |
hoher kolloid-osmotischer Druck des Plasmas | sehr dichtes Alveolarepithel (tight junctions) |
erniedrigter kolloid-osmotischer Druck im perikapillären Interstitium bei erhöhter Filtration | interstitielles Flüssigkeitskontinuum für Drainage |
geringe mechanische Beanspruchung der Alveolarsepten wegen Oberflächenfilm | effiziente Lymphdrainage |
aktive Flüssigkeitsrückresorption aus dem Alveolarraum | peribronchosvaskuläres, lockeres Bindegewebe als Flüssigkeitsspeicher bei stark erhöhter Filtration |
Flüssigkeitskontinua und Flüssigkeitsaustausch in der Lunge
Flüssigkeitskontinua und Flüssigkeitsaustausch in der Lunge
Zu berichtigen ist, dass die Lunge keineswegs trocken ist, sondern dass auch unter normalen Bedingungen das gasaustauschende Lungenparenchym 3 extrazelluläre Flüssigkeitsräume aufweist, nämlich den Alveolarraum, das Interstitium und das Kapillarsystem, welche durch lückenlose Zellschichten voneinander getrennt sind. Diese Räume sind in sich nicht weiter unterteilt, sondern bilden Flüssigkeitkontinua, zwischen denen ein kontinuierlicher Flüssigkeitsaustausch stattfindet, wobei aber die Transport- und Regulationsmechanismen noch nicht lückenlos bekannt sind. Im Gegensatz zum pulmonalen Gasaustausch, bei dessen Funktionsmodell nur 2 Kompartimente und eine Barriere zu berücksichtigen sind, erfordert der pulmonale Flüssigkeitsaustausch zur Veranschaulichung der Mechanismen ein Dreikompartiment-Modell mit 2 individuellen Trennschichten ([Abb. 1 b]) [3].
Abb. 1 a Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Alveolarseptums aus einer perfusionsfixierten Kaninchenlunge. Dünne Pfeile weisen auf die dünnen Segmente der Blut-Gas-Schranke; das Interstitium besteht lediglich aus den fusionierten Basalmembranen des Kapillarendothels und des Alveolarepithels. Dicke Pfeile markieren die zusammenhängenden, dicken Barrieresegmente mit einem wirklichen interstitiellen Raum, in welchem die Bindegewebefasern verlaufen und welcher zelluläre Elemente (vorab Fibroblasten) enthält (A = Alveolen; K = Kapillaren; AF = alveoläre Flüssigkeit; IN = interstitieller Raum). b Vergleich der Lungenmodelle für den Gasaustausch (Zweikompartimentmodell) und den Flüssigkeitsaustausch (Dreikompartimentmodell). Gleiche Abkürzungen wie in Abb. 1 a (nach [3]).
Das Flüssigkeitskontinuum im Kapillarnetz ist offensichtlich. Weniger gut erkennbar ist die Kontinuität der Flüssigkeitsschicht in den Alveolen, welche als „Hypophase” dem Oberflächenfilm gewissermaßen als Unterlage dient [8]
[9]
[10]. Die Schwierigkeiten liegen darin, dass das gesamte Flüssigkeitsvolumen äußerst gering ist und sich unregelmäßig über die epitheliale Oberfläche verteilt. In alveolären Ecken und im Bereich septaler Falten sind (bei Anwendung geeigneter Fixationsverfahren) kleine Flüssigkeitsansammlungen erkennbar ([Abb. 1 a]); in planen Regionen des Alveolarseptums weisen hingegen nur indirekte Zeichen auf die Kontinuität der Flüssigkeitsschicht hin. Unter anderem lässt sich eine unmittelbare, homogene und großflächige Verteilung von wasserlöslichen Markierungssubstanzen beobachten, welche mithilfe von Mikropipetten intraalveolär deponiert wurden [11], so dass die Annahme genügend gesichert erscheint, dass die alveoläre Flüssigkeitsschicht lückenlos die alveoläre Oberfläche überzieht und ebenso lückenlos in den konduktiven Luftwegen in Verbindung steht mit der bronchialen Flüssigkeitsschicht [12].
Besonders wichtig für den Flüssigkeitsaustausch in der Lunge ist die Kontinuität des interstitiellen Raumes. Diese ergibt sich aus der Kontinuität des Fasernetzwerkes bzw. dem dehnbaren und flexiblen „Faserskelett” der Lunge, welches als dreiteiliges Trägersystem die Verbindung zwischen den verschiedenen Teilen des Lungeninterstitiums – denjenigen in den Alveolarsepten – mit den lockeren Bindegewebehüllen der Gefäße und Bronchien gewährleistet [3]
[13]
[14]. Dabei ist die besondere Anordnung des Interstitiums in den Alveolarsepten zu beachten [1]
[2]
[3]
[13]
[14]. Die Fasern in den Alveolarsepten sind nicht isolierte Strukturen, sondern Elemente eines zusammenhängenden Netzwerkes, von welchem das Kapillarnetz durchflochten ist. Diese Anordnung ergibt eine charakteristische Zweiteilung des septalen Interstitiums ([Abb. 1 a]). Auf der einen Seite der Kapillare besteht lediglich ein minimaler interstitieller Raum, welcher aus den fusionierten Basalmembranen des Alveolarepithels und des Kapillarendothels gebildet wird. Diese Segmente können keine Flüssigkeit aufnehmen; sie dienen ausschließlich dem Gasaustausch. Auf der anderen Seite der Kapillare findet sich der „dicke” Teil der Blut-Gas-Schranke, in welchem zwischen den getrennten Basalmembranen von Alveolarepithel und Kapillarendothel die Fasern verlaufen und welcher auch weitere interstitielle Gewebeelemente (zelluläre und nicht zelluläre) enthält. Nur in diesem Teil findet der Flüssigkeitsaustausch zwischen Kapillaren und Interstitium statt, und die relativ hohe Compliance des septalen Interstitiums erlaubt vorübergehend auch eine erhebliche Flüssigkeitsansammlung ([Abb. 2]). Dank der Kontinuität des Fasersystems bilden die interstitiellen Flüssigkeitsräume ein drainierbares Kontinuum.
Abb. 2 Interstitielle Flüssigkeitsansammlung im Alveolarseptum beim hämodynamischen Lungenödem (perfusionsfixierte Kaninchenlunge). Vergleiche mit Abb. 1 a (A = Alveole; K = Kapillare; I. Oe. = interstitielles Ödem; F = Fibroblast; KF = kollagene Fasern; OF = Fragmente des alveolären Oberflächenfilms).
Zwischen diesen Flüssigkeitskontinua besteht ein dynamisches, aber recht stabiles Gleichgewicht, so dass der kontinuierliche Flüssigkeitsaustausch mit dem Gastaustausch der Lunge nicht interferiert, sondern diese Hauptfunktion der Lunge begünstigt (Ernährung und Schutz des Gewebes, Bereitstellung einer adäquaten Hypophase für den alveolären Oberflächenfilm usw.). Die Regulationsmechanismen dieses Gleichgewichtes sind nicht vollständig bekannt. Unter normalen Bedingungen bestehen aber mehrere wirksame Sicherungen, welche ein deletäres Ungleichgewicht verhindern: Diese sind teils physiologischer, teils struktureller Art ([Tab. 1]), wobei innerhalb der komplexen Struktur-Funktionsbeziehung nicht durchwegs scharfe Grenzen gezogen werden können.
Physiologische Sicherheitsfaktoren
Physiologische Sicherheitsfaktoren
Die wichtigste Schutzvorkehrung gegen eine übermäßige kapilläre Filtration besteht zweifellos in der Anlage der Lunge als Niederdrucksystem. Dies trifft insbesondere auch für die pulmonale Mikrozirkulation zu, wo die transvaskuläre Flüssigkeitsfiltration zum weit überwiegenden Teil stattfindet. Wesentlich ist dabei, dass der kapilläre Druck durch Änderungen des Durchflussvolumens nur wenig beeinflusst wird. Auch bei einer massiven Steigerung des Herzzeitvolumens steigt der Kapillardruck nur wenig an, indem durch eine Rekrutierung wenig oder nicht durchbluteter Kapillaren und durch dosierte Dehnung geöffneter Kapillaren das Gesamtkaliber der Mikrogefäße ansteigt und entsprechend der Widerstand abfällt [15]
[16]. Das unter normalen Bedingungen bestehende transkapilläre Druckgefälle (d. h. der Filtrationsdruck) wird überdies durch den kolloid-osmotischen Druck des Blutes als weiterer Sicherheitsfaktor zumindest teilweise kompensiert. Allerdings ist zu beachten, dass nur etwa 50 – 75 % des kolloid-osmotischen Druckes, wie er mit einem Membran-Osmometer gemessen wird, in den Lungenkapillaren wirksam ist.
Tatsächlich ist das Kapillarendothel für Proteine (und insbesondere für Albumin) partiell durchlässig, d. h. der Reflexionskoeffizient ist eindeutig geringer als 1 [5]
[17]. Aber auch die bloß relative Filterwirkung des Endothels ist für die Ödemverhinderung von Bedeutung. Steigt die Filtration abnorm an, fällt im Interstitium der kolloid-osmotische Druck ab bzw. die transkapilläre osmotische Druckdifferenz steigt an, welche eine weitere Filtration begrenzt [5]
[18]. Dieser Verdünnungseffekt widerspiegelt sich auch in einem Abfall der Proteinkonzentration der aus dem Interstitium drainierten Lymphe [7]
[18]. Als wesentliche Sicherheitsvorkehrung ist schließlich die geringe atemmechanische Beanspruchung des Lungenparenchyms zu erwähnen. Die Anordnung einer riesigen Gasaustauschoberfläche in einem kleinen Raum ohne diffusionsbehindernde Festigkeitsstrukturen und die für die Ventilation notwendige Deformierbarkeit der alveolären Strukturen erfordern eine besondere Organisation der Faserskelette und eine minimale Oberflächenspannung an der Grenzschicht zwischen Alveolaroberfläche und Luft [19]. Beeinträchtigungen des alveolären Oberflächenfilms und die resultierende Zunahme der Oberflächenspannung bewirken nicht nur eine Verkleinerung der Alveolaroberfläche, sondern begünstigen auch die kapilläre Flüssigkeitstranssudation [20], indem erhöhte Oberflächenspannungen den perikapillären interstitiellen Druck erniedrigen und entsprechend den transkapillären Druckgradienten erhöhen. Zusammenfassend sind die physiologischen Sicherheitsfaktoren so ausgelegt, dass die mechanischen Kräfteeinwirkungen auf die komplexen und zarten Strukturen des Gasaustauschapparates so gering wie möglich sind.
Strukturelle Sicherheitsfaktoren
Strukturelle Sicherheitsfaktoren
Die wichtigsten Strukturen zur Abdichtung der Blut-Gas-Schranke sind 2 zelluläre Barrieren, nämlich die endotheliale Zellschicht der Kapillaren und das Alveolarepithel. Das Kapillarendothel besteht aus squamösen, nicht fenestrierten Zellen, deren zytoplasmatische Zellfortsätze den Großteil der Kapillarwand auskleiden. Das Alveolarepithel besteht im Wesentlichen aus 2 Zelltypen mit unterschiedlicher Struktur und Funktion [21]. Obwohl sie etwas weniger zahlreich sind als die Surfactant-produzierenden Typ-Il-Zellen, kleiden die Typ-I-Zellen rund 97 % der alveolären Oberfläche aus, wobei die topologische Anordnung der extrem dünnen Zellfortsätze bemerkenswert ist [22]. Beide Zelltypen – endotheliale und epitheliale – enthalten zahlreiche Pinozytosebläschen als Hinweis auf einen aktiven Flüssigkeitstransport.
Hinsichtlich Durchlässigkeit besteht zwischen den beiden Zellschichten ein erheblicher Unterschied. Das Endothel erlaubt auch unter normalen Bedingungen eine kontinuierliche, wenn auch geringe Filtration von Wasser, Mikro- und Makromolekülen ins Interstitium ([Tab. 2]).
Tab. 2 Relative Durchlässigkeit des Kapillarendothels und des Alveolarepithels für verschiedene Moleküle (nach N. C. Staub [4]).
Moleküle | Endothel | | Epithel |
Wasser | 30 | : | 1 |
Natrium | 30 | : | 1 |
Harnstoff | 4 | : | 1 |
Saccharose | 100 | : | 1 |
Albumin | | | undurchlässig |
In der Tat sind die Zellverbindungen des Endothels weniger dicht („leaky” tight junctions) als diejenigen des Epithels (tight junctions) [23]
[24]. Trotz der extrem delikaten Struktur ist somit das Alveolarepithel die wichtigste Abdichtungskomponente der Blut-Gas-Schranke.
Die erwähnte transendotheliale Filtration (beim Menschen beträgt sie in Ruhe rund 10 ml/h) steigt bei schwerer Körperbelastung aber um ein Mehrfaches an [25], erfordert ein effizientes Drainagesystem, denn ohne Wegtransport des Filtrates nähme die Dicke der Blut-Gas-Barriere um rund 0,2 µm pro Stunde zu! Im Bereich der Alveolarsepten wird die Drainage durch das Kontinuum der interstitiellen Räume strukturell gewährleistet. Weitere strukturelle Besonderheiten der Alveolarsepten [3], die durch die Oberflächenkräfte bedingte Druckverteilung im Interstitium sowie ein Druckgradient zwischen den groben und feinen Bindegwebestrukturen der Lunge (zwischen dem perikapillären Interstitium und den peribronchovaskulären Bindegewebeschichten besteht ein Druckunterschied von etwa 5 cm H2O [26]) begünstigen den Abfluss des Filtrates in die juxtaalveolären Bindegewebsräume, wo es von Lymphkapillaren aufgenommen und schließlich durch ein leistungsfähiges Lymphgefäßsystem mit aktiver Pumpwirkung in den Systemkreislauf zurücktransportiert wird [27].
Übersteigt das filtrierte Flüssigkeitsvolumen die Transportkapazität des Lymphsystems, steht zumindest vorübergehend als weiterer Sicherheitsfaktor ein Flüssigkeitsreservoir zur Verfügung, nämlich das peribronchiale und perivaskuläre, lockere Bindegwebe ([Abb. 3]): Der oben erwähnte Druckgradient besteht nicht nur zwischen alveolärem und juxtaalveolärem Interstitium, sondern ist von der Lungenperipherie bis zum Hilus wirksam, und dies sowohl in der normalen als auch in der ödematösen Lunge [26]. Diese Bindegewebskompartimente funktionieren somit gewissermaßen als „Sümpfe” für die reversible Speicherung von Überschussflüssigkeit. Die Kapazität der bronchovaskulären Bindegewebemanschetten („cuffs”) beträgt beim Erwachsenen rund 500 ml und stellt damit eine wesentliche Schutzvorrichtung gegen eine übermäßige Überflutung dar [28]
[29]. Allerdings zeigen neuere Untersuchungen, dass diese peribronchovaskulären Sümpfe nur eine partielle Schutzfunktion erfüllen, indem die Transsudation in die Alveolen nicht erst nach Auffüllung der Bindegewebespeicher, sondern schon vorher auftritt [30]. Das alveoläre Ödem ist also nicht erst das Resultat von überlaufenden interstitiellen Speichern.
Abb. 3 Ansammlung von Ödemflüssigkeit (IS) im lockeren peribronchovaskulären Bindegewebe. (A = teils ödemhaltige Alveolen; Br = Bronchiole, PA = Pulmonalarterie; L = Lymphgefäße).
Zusammenfassend bestehen die strukturellen Sicherheitsmaßnahmen in erster Linie in einer guten Abdichtung des Kapillarbettes, einem leistungsfähigen Drainagesystem des Interstitiums und einer extrem geringen Permeabilität des Alveolarepithels.
Ursachen und Wege der alveolären Überflutung
Ursachen und Wege der alveolären Überflutung
Gewissermaßen als Paradigmen gelten 2 Formen des Lungenödems, nämlich einerseits das Hochdruck- (hydrostatisches) Lungenödem und andererseits das Permeabilitäts-Lungenödem. Die Pathogenese des letzteren scheint völlig klar, indem durch eine massive Erhöhung der Permeabilität des Endothels und insbesondere des Epithels nicht nur ein relativ eiweißreiches Filtrat, sondern sämtliche Blutbestandteile inklusive Zellen direkt aus den Kapillaren in die Alveolen übertreten können. Entsprechend findet man auch nachweisbare Schäden der endothelialen und epithelialen Zellschichten [31]
[32]. Kontroverser war hingegen die Pathogenese des hydrostatischen Lungenödems, bei welchem der strukturelle Nachweis bzw. die Objektivierung und Quantifizierung der endothelialen Lecks nicht eindeutig gelang und bei welchem auch lange die Lokalisation des Flüssigkeitsdurchtritts aus dem Interstitium in die Alveolen unklar war [33]
[34]
[35]. Neuere Evidenz weist aber darauf hin, dass auch beim hydrostatischen Lungenödem nicht nur die kapilläre Filtration erhöht ist, sondern dass auch nachweisbare Lecks im Alveolarepithel bei der alveolären Überflutung eine Rolle spielen ([Abb. 4]).
Abb. 4 Lecks im Alveolarepithel (Pfeile) beim hämodynamischen Lungenödem (perfusionsfixierte Kaninchenlunge). (A = mit Ödemflüssigkeit gefüllter Alveolarraum; K = Kapillare; IN = Interstitium).
Angesichts der alten klinischen Beobachtung von hämosiderinhaltigen Alveolarmakrophagen („Herzfehlerzellen”) bei Patienten mit kardialem Lungenödem ist diese Beobachtung nicht überraschend [36]. Sie zeigt indessen, dass in jedem Fall die Integrität der endothelialen und der epithelialen Zellschichten für die „Trockenhaltung” der Lunge von entscheidender Bedeutung ist, wobei die mechanische Belastbarkeit dieser Mikrostrukturen ganz beachtlich zu sein scheint [37].
Rückresorption alveolärer Flüssigkeit
Rückresorption alveolärer Flüssigkeit
Ursprünglich wurde angenommen, dass alveoläre Ödemflüssigkeit rein passiv, dem Starling’schen Gesetz folgend, rückresorbiert wurde. Neuere Untersuchungen lassen indessen den Schluss zu, dass die Rückresorption nicht ausschließlich durch osmotische und hydrostatische Druckdifferenzen erklärt werden kann. Insbesondere konnte vorerst beim Schaf gezeigt werden, dass durch Ödemresorption aus den Alveolen die Proteinkonzentration in der Alveolarflüssigkeit kontinuierlich ansteigt und dass schließlich Wasser gegen einen kolloid-osmotischen Druckgradienten von rund 70 cm H2O rückresorbiert wird [38]
[39]
[40]. In Zellkulturen ließ sich nachweisen, dass Zelllschichten von Typ-II-Alveolarepithelzellen und Clara-Zellen aktiv Natrium (und damit Wasser) von der luminalen zur basalen Seite transportieren und dass dieser Ionentransport durch Katecholamine beschleunigt bzw. durch Amilorid gehemmt wird [41]
[42]
[43]. Übereinstimmend konnte in isolierten Lungen [44] wie auch an intakten Tieren [45]
[46] ein aktiver Natriumtransport für den transepithelialen Rücktransport von Wasser beobachtet werden. Und schließlich liegen auch Untersuchungsresultate an Patienten mit Lungenödem vor, welche auf eine aktive Flüssigkeitsclearance bzw. auf ein funktionierendes Alveolarepithel als Voraussetzung für eine rasche Ödemresorption hinweisen [47]. Ob dieser Mechanismus erst bei massiver alveolärer Flüssigkeitsvermehrung aktiviert wird oder als homeostatischer Regulationsvorgang ständig in Funktion ist, kann aufgrund des gegenwärtigen Wissensstandes nicht beurteilt werden. Die Tatsache, dass das alveoläre Wasservolumen trotz einer riesigen Filtrationsoberfläche und stark variierenden Filtrationsdrucken unter normalen Umständen in jedem Fall gering ist, stützt aber die Vermutung, dass ein stetig wirkender Clearance-Mechanismus bei der „Trockenhaltung” des Alveolarraumes eine Rolle spielt.