Einleitung
Einleitung
Den Sojaprodukten werden eine Reihe von gesundheitsfördernden
Eigenschaften zugeschrieben. Einhergehend mit einer entsprechenden Vermarktung
als Lifestyle- und Wellnessprodukte hat der Konsum in den letzten Jahren
zugenommen. Parallel dazu stellten sich bei Allergologen immer mehr Patienten
vor, die nach Sojaverzehr über allergische Reaktionen, in der Regel vom
Soforttyp, klagten [1]
[2]. Als
besondere Risikogruppe konnten Birkenpollenallergiker identifiziert werden
[3]
[4].
In der folgenden Übersicht soll zunächst auf Soja als
Nahrungsmittel eingegangen werden. Wie und wo kann dem Verbraucher dieses
Allergen begegnen? Im Anschluss soll eine kurze Übersicht über den
aktuellen Wissensstand zu Nahrungsmittelallergien im Allgemeinen und danach zu
aktuellen Erkenntnissen zur Sojaallergie gegeben werden. Besondere
Berücksichtigung findet dabei die Kreuzallergie zwischen dem Hauptallergen
der Birke Bet v 1 und dem Soja-Allergen Gly m 4. Möglicherweise wird diese
Kreuzallergie bisher unterschätzt, denn auch wenn keine genauen Daten zur
Prävalenz vorliegen, so könnten bis zu 2,9 Mio. Menschen in
Deutschland von einer Birken assoziierten Sojaallergie betroffen sein.
Soja als Nahrungsmittel
Soja als Nahrungsmittel
Die Sojabohne (Glycine maxima) gehört zur Familie der
Hülsenfrüchte (Leguminosen). Neben Proteinen
(32 – 42 %) und Fett (hoher Gehalt an nicht
gesättigten Fettsäuren) enthalten Sojabohnen zahlreiche Mono-, Oligo-
und Polysaccharide, Isoflavone, Phytoöstrogene sowie Ballaststoffe und
Mineralien [5]. Die in einigen, vorwiegend asiatischen,
Ländern beobachtete geringe Prävalenz an kardiovaskulären und
bestimmten Tumor-Erkrankungen (z. B. Colon-, Mamma-, und
Prostatakarzinom), hat man versucht mit dem Verzehr von Phytoöstrogenen
und Isoflavonen aus der Sojabohne in Verbindung zu bringen [6]. So wird bis heute mit besonderem Hinweis auf diese
vermuteten gesundheitsfördernden Eigenschaften intensiv für
Sojaprodukte geworben. Die Evidenz für diese Indikationen bleibt jedoch
gering. Der Verbraucher kann sich einerseits bewusst für den Verzehr von
Soja entscheiden, z. B. in Form von Sojagetränken, Sojabohnen,
Sojajoghurt/-pudding, Tofu (Sojaquark), Miso (süße oder salzige
Würzpaste), Natto (japanischer Sojakäse), Tempeh (Erzeugnis aus
fermentierten Sojabohnen), Sauce ([Abb. 1]).
Abb. 1 Die Auswahl an
Sojaprodukten zum Verzehr ist vielfältig.
Andererseits ist Soja auch versteckt – entweder als Zutat (zur
Herstellung zugegeben) oder als Zusatzstoff (aus technologischen Gründen
zugesetzt) – in Nahrungsmitteln enthalten, und der Verzehr findet oft
unbewusst statt. So wird unter anderem Sojalecithin als Emulgator in
Backmitteln und Süßwaren verwendet, Sojamehl oder -schrot zur
Verbesserung von Brotteigen, Sojaprotein als Zusatz in Fleisch- und Wurstwaren
und Sojavollmehl als Zusatz in Trockensuppen ([Tab. 1]).
Tab. 1 Vorkommen von Soja-Bestandteilen
[8].
Sojaprodukt
|
Nahrungs- bzw.
Genussmittel
|
Vollfettprodukt
|
Puffsoja
|
Süßwaren,
Nährmittel
|
Sojabohnen
|
Back- und
Süßwaren, Konserven
|
Eiweißprodukte
|
Sojamehl
|
Fleischwaren,
Fertiggerichte, Kindernahrung, Backwaren, Suppen, Flocken
|
Sojakonzentrate
|
Reformkost, Fertigmehle,
Flocken, Backwaren
|
Isoliertes
Sojaeiweiß
|
Mixgetränke,
Milchprodukte, Babykost, Kaffeeweißer, Fleischprodukte
|
Ölprodukte
|
Raffiniertes Sojaöl
|
Margarine, Speisefette,
Speiseöle, Salatsaucen, Mayonnaise, Fischkonserven, Frittierfette
|
Sojalecithin (Emulgator)
|
Backwaren,
Süßwaren, Fette, Salatsaucen
|
Nahrungsmittelallergien
Nahrungsmittelallergien
Nahrungsmittelallergien treten häufig im Rahmen von
Erkrankungen des atopischen Formenkreises auf. Als immunologisch vermittelte
Reaktionen, meist IgE- oder zellulär vermittelt [7]
[8], müssen sie von anderen
Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten abgegrenzt werden ([Abb. 2]).
Abb. 2 Klassifikation von
Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Unter Nahrungsmittelallergien versteht
man die immunologisch vermittelten Reaktionen [8].
Klinisch äußern sich Nahrungsmittelallergien einerseits
mit Soforttyp-Reaktionen, z. B. in Form von oralem Allergie-Syndrom
(OAS), Urtikaria/Angioödemen, Asthma, Magen-Darm- und
Kreislaufbeschwerden. Aktuelle Daten aus Deutschland weisen darauf hin, dass
Nahrungsmittel – bei Kindern sogar noch weit vor Insektengiften und
Medikamenten – zu den häufigsten Auslösern der Anaphylaxie
gehören [9]
[10]. Zudem kann
es im Sinne einer Spättyp-Reaktion zur Verschlechterung eines atopischen
Ekzems kommen. Die einzelnen Organe sollen durch IgE-vermittelte
Nahrungsmittelallergien mit folgender Häufigkeit betroffen sein:
Haut/Schleimhaut 45 %, Atemwege 25 %,
Magen-Darm-Trakt 20 %, Kreislauf 10 %
[8].
Unter Bezug auf mögliche Sensibilisierungswege, betroffene
Patienten und involvierte Allergene werden verschiedene Typen der
Nahrungsmittelallergien abgegrenzt [8]
[11] ([Tab. 2]): Die
typischerweise im frühen Kindesalter erfolgende Typ A-Sensibilisierung
erfolgt über den Verdauungstrakt.
Tab. 2 Nahrungsmittelallergien werden unter
Bezug auf die Sensibilisierungswege, betroffene Patientengruppen sowie
Eigenschaften der Allergene in mehrere Typen unterteilt (modifiziert nach
[8]
[11]).
|
Typ A (klassisch)
|
Typ B (Kreuzreaktion)
|
Typ C
|
Sensibilisierungsweg
|
gastrointestinal
|
inhalativ primär auf
Aeroallergene
|
gastrointestinal
|
atopische Diathese
|
ja
|
ja
|
nein
|
bevorzugtes Alter
|
Säuglinge/Kleinkinder
|
Schulalter/Erwachsene
|
Erwachsene (meist Frauen)
|
Eigenschaften der
Allergene
|
hitze- und
säurestabil
|
meist hitze- und
säurelabil, selten stabil
|
hitze- und
säurestabil
|
Beispiele
|
Kuhmilch Hühnerei Erdnuss
|
Kern-/Steinobst bei
Birkenpollenallergie
|
Fisch Meerestiere Fleisch
|
Hier spielen hitze- und säurestabile Allergene wie z. B.
Kuhmilch, Hühnerei und Erdnuss eine Rolle. Klinisch kann es zur
Verschlechterung einer atopischen Dermatitis kommen, wobei sowohl
IgE-vermittelte als auch zelluläre Reaktionen vorkommen. Zudem können
– meist IgE-vermittelte – Soforttyp-Reaktionen bis hin zur
Anaphylaxie auftreten [11].
Ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene reagieren eher auf
die dem Typ B zugeordneten – meist hitzelabilen – Allergene, bei
denen die Sensibilisierung über die Atemwege erfolgt [11]
[12]. Hierbei handelt es sich in
erster Linie um IgE-vermittelte Reaktionen auf Pollen assoziierte
Nahrungsmittel. Bekannt sind insbesondere das Birken-Obst-, das
Beifuß-Sellerie-Gewürz- sowie das Latex-Frucht-Syndrom, bei dem nach
Verzehr der Nahrungsmittel meist ein OAS auftritt, welches gelegentlich auch
eine Systembeteiligung bis hin zur Anaphylaxie zeigen kann. Bedeutsam ist, dass
bei solchen kreuzallergisch bedingten Typ-B-Nahrungsmittelallergien bereits der
Erstkontakt mit dem Nahrungsmittel zu Symptomen führen kann, ohne dass
sich der Patient dieses Risikos bewusst ist [11]
[12]. Typ C entspricht einer Nahrungsmittelallergie bei
Erwachsenen, i. d. R. ohne vorbestehende Atopie, die über
den Gastrointestinaltrakt eine Sensibilisierung auf hitze- und
verdauungsstabile Allergene erwerben (z. B. Fisch).
Soja als Allergen
Soja als Allergen
Bisher werden mindestens 16 IgE-reaktive Proteine als Allergene in
der Sojabohne vermutet, sechs Allergene sind aktuell klassifiziert
[13]
[14]
[15] ([Tab. 3]).
Tab. 3 Übersicht über bisher
klassifizierte Allergene der Sojabohne. Diese unterscheiden sich bezüglich
Sensibilisierungswegen, Betroffenen, Exposition und typischer klinischer
Manifestationen.
Sensibilisierung
|
Typische Betroffene
|
Exposition
|
Allergen
|
Typische Klinik,
betroffene Organe
|
inhalativ
|
Hafenarbeiter
|
inhalativ
|
Gly m 1
|
Atemwege
|
Gly m 2
|
Pollenallergiker
|
gastrointestinal
|
Gly m 3
|
OAS, Atemwege,
GIT, Kreislauf
|
Gly m 4
|
gastrointestinal
|
Kinder und
Erwachsene
|
Gly m 5
|
GIT, auch
andere Organe bevorzugt schwere Reaktionen?
|
Gly m 6
|
Davon zählen Gly m 1 und Gly m 2 zu den
Soja-Hüll-Proteinen, die im Anschluss an eine primäre
Sensibilisierung über die Atemwege zu einem Asthma führen können
[16]
[17]. Die Sojaallergene Gly m
3 und Gly m 4 sind bei der sekundären Sojaallergie (Typ
B-Nahrungsmittelallergie) involviert [16]. Bei Gly m 3
handelt es sich um ein Sojaprofilin. Gly m 4 ist ein 16,6 kDa
großes Protein aus der Familie der Pathogenesis-Related-(PR)-10-Proteine.
Es handelt sich hierbei um eine Proteinfamilie, die eine hohe Ähnlichkeit
zum Birkenpollen-Majorallergen hat (sog. Bet v 1-Homologe) und zu denen auch
z. B. das Apfelallergen Mal d 1 gehört [4]
[11]. Pflanzenbiologen beschrieben Anfang der 1990er-Jahre
erstmals verschiedene Stress-induzierte Proteine, die gewebsspezifisch in
bestimmten Entwicklungsphasen und auch bei Infektionen, Verletzungen oder auf
Einwirkung anderer Stressstimuli in der Sojapflanze gebildet werden
[18]. Einer dieser Vertreter war das sogenannte SAM-22
(starvation-associated message 22) [18]. Die Arbeiten
von Kleine-Tebbe et al. führten dazu, dass SAM-22 als Bet v 1
kreuzreaktives Protein für zum Teil schwere allergische Reaktionen nach
Sojagenuss identifiziert werden konnte [3]
[4]. 2002 wurde SAM-22 in Gly m 4 umbenannt und in die
offizielle Allergen-Datenbank aufgenommen (www.allergen.org). Mittlerweile ist
bekannt, dass ein dominantes T-Zell-Epitop von Bet v 1 eine
Aminosäuresequenzähnlichkeit von 80 % und eine
Gesamt-Proteinähnlichkeit von 63 % mit dem Gly m 4 aufweist
[19]. Vor kurzem erst wurden die Soja-Speicherproteine
β-Conglycin und Glycinin als Sojaallergene Gly m 5 und Gly m 6
klassifiziert [14]. Eine Sensibilisierung auf diese
Proteine wurde bei 16 von 30 Patienten mit einer Sojaallergie gefunden und
scheint mit dem Auftreten schwerer allergischer Reaktionen assoziiert zu sein.
Eine Reihe weiterer Sojaproteine werden noch eingehender analysiert,
u. a. Gly m Bd 28 k (Speicherprotein), Gly m Bd 30k
(Oil-body-associated protein), Trypsin-Inhibitor, 2S-Albumin [8]
[13]
[20].
Klinische Manifestation der Sojaallergie
Klinische Manifestation der Sojaallergie
Primäre (Typ A) Sojaallergien, die auf einer gastrointestinalen
Sensibilisierung beruhen, sind selten und manifestieren sich vor allem bei
Vorliegen einer atopischen Diathese bei Säuglingen und Kleinkindern, wenn
diese aufgrund einer Kuhmilchallergie mit Sojaproteinformula ernährt
werden [21]. Klinische Symptome dabei können
Diarrhöen, Enterocolitis, Ekzemverschlechterung oder auch anaphylaktische
Reaktion sein. Weitaus häufiger anzutreffen sind die Symptome einer Birken
assoziierten Sojaallergie (Typ B) mit dem wesentlichen klinischen Bild des OAS.
Hierbei kommt es zu lokaler Irritation, Juckreiz und Schwellungen der Lippen-,
Mund- und Rachenschleimhaut. Bei einem Teil der Patienten kann es auch zu
kutanen, respiratorischen, gastrointestinalen oder kardiovaskulären
Begleiterscheinungen bis hin zum anaphylaktischen Schock kommen
[11]
[12].
Häufigkeit einer Gly m 4-bedingten Sojaallergie
Häufigkeit einer Gly m 4-bedingten Sojaallergie
Bisher liegen wenige Daten zur Prävalenz der Birken
assoziierten Sojaallergie vor. Eine von uns durchgeführte erste
Untersuchung in Leipzig ergab, dass von 50 konsekutiven Birkenpollenallergikern
46 (92 %) gegen Bet v 1 und 36 (72 %) gegen Gly m 4
sensibilisiert waren (Korrelation (0,962; p < 0.01)
[1]. 28 / 50 Patienten gaben bei einer
standardisierten Fragebogenuntersuchung an, bereits bewusst Sojaprodukte
verzehrt zu haben (darunter Soja-Getränke n = 16,
Tofu n = 7, Sojasauce n = 6).
Bemerkenswerterweise hatten 8/16 (50 %) der Patienten, die
Sojagetränke konsumiert hatten, klinische Soforttypreaktionen erlitten.
Kein einziger Patient hatte auf andere Sojaprodukte als auf die Getränke
reagiert [1]. Mittlerweile konnten weiterführende
Daten von 87 Birkenpollenallergikern aus Leipzig und Umgebung ausgewertet
werden [22], von denen sich 50 an einen bewussten
Sojakonsum erinnerten. 15/50 (30 %) gaben an, beim Verzehr
Soforttypreaktionen entwickelt zu haben, wobei diese Reaktionen je nach
verzehrtem Sojaprodukt unterschiedlich häufig auftraten und sich mit
Abstand am häufigsten nach Drinks manifestierten. Die Tatsache, dass fast
jeder zweite unserer Patienten (13/29;46 %) nach Sojadrinkverzehr
anamnestisch eine Soforttypreaktion entwickelte [22],
weist auf ein hohes Gefährdungspotenzial für Birkenpollenallergiker
durch die schnelle Zufuhr großer Mengen gering verarbeiteten Sojaproteins
hin. Klinisch waren neben dem OAS auch andere Organbeteiligungen bis hin zum
Blutdruckabfall zu verzeichnen.[1]
Eine Studie aus der Schweiz [23] ergab, dass
71 % (67 / 94) der Patienten einer Gruppe von
Birkenpollenallergikern mit hohen Bet v 1-Werten (> 17,5 kU/l)
auch spezifisches IgE für Gly m 4 hatten. Allerdings gaben nur
9,6 % der in einem Telefoninterview Befragten an, Beschwerden
nach dem Verzehr von Sojaprodukten bemerkt zu haben. Möglicherweise
besitzen einige Birkenpollenallergiker kreuzreaktives IgE gegen Gly m 4, ohne
klinisch relevante Reaktionen zu entwickeln. Andererseits könnten die im
Vergleich zu unseren Daten deutlich niedrigeren Werte bezüglich der
klinischen Relevanz auch daran liegen, dass die Befragten eventuell bisher noch
keine Sojaprodukte mit hohem Gly m 4-Gehalt verzehrt haben (z. B.
Getränke), so dass die die Zahl der Betroffenen dadurch unterschätzt
werden würde. Genaue Daten zur Relevanz einer Gly m 4-Sensiblisierung
sollten wünschenswerter Weise im Rahmen zukünftiger Studien durch
eine orale Provokationstestung mit Sojaprotein gesichert werden. Geht man davon
aus, dass 5 – 10 % der in Deutschland
lebenden Menschen gegen Birkenpollen sensibilisiert sind (ca.
4 – 8 Mio. bei 80 Mio. Einwohnern), so
sollten nach vorliegenden Daten ca. 90 % gegen Bet v 1
(3,6 – 7,2 Mio.) und
70 – 80 % gleichzeitig gegen Gly m 4
sensibilisiert sein (2,5 – 5,8 Mio.).
10 – 50 % könnten nach oben
vorgestellten Daten eine klinisch relevante Sensibilisierung haben,
entsprechend 0,25 – 2,9 Mio. Dieses entspräche
einem Anteil von 0,3 – 3 % der
Bevölkerung und läge somit womöglich höher als die
aktuellen Schätzungen des Bundesinstitutes für Risikobewertung, die
davon ausgehen, dass ca. 0,4 % der deutschen Bevölkerung an
einer Sojaallergie leiden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass
Sojaprodukte auch immer mehr an Popularität im deutschsprachigen Raum
gewinnen, ist mit einer Zunahme allergischer Reaktionen auf diese Produkte zu
rechnen.
Diagnostik der Sojaallergie
Diagnostik der Sojaallergie
Bei Verdacht auf eine Sojaallergie sollte geklärt werden, ob
eine Kreuzreaktion bei Bet v 1-Sensibilisierung vorliegt. Ein
Prick-zu-Prick-Test mit nativen, Gly m 4 haltigen Sojaprodukten (z. B.
mit einem Sojagetränk) und die Bestimmung des spezifischen IgE gegen Gly m
4 ist diagnostisch hilfreich. Kommerziell erhältliche Prick-Test-Extrakte
aus der Sojabohne dagegen eignen sich aufgrund des geringen Gehalts an Gly m 4
nicht zur Diagnostik einer Sojaallergie [1]
[2]
[24].
Auch in den kommerziell erhältlichen Sojaextrakten zur
IgE-Bestimmung ist Gly m 4 nur sehr schwach repräsentiert. In einer Studie
von Lidholm et al. [25] reagierten nur
45 % der Sojaallergiker positiv auf den kommerziell
erhältlichen Sojaextrakt, aber 96 % positiv auf das
rekombinante Gly m 4 (Phadia, Uppsala, Schweden), das seit einigen Jahren auch
für die klinische Routine verfügbar ist. Weitere Tests (z. B.
Histamin- oder Leukotrienfreisetzungs- sowie Basophilenstimulationstests)
können aufgrund mangelhafter Standardisierung und fehlender Validierung
bisher nicht für die Routinediagnostik empfohlen werden. Eine
Nahrungsmittelprovokationstestung kann bei unklaren Befunden zur
Diagnosesicherung beitragen und wird insbesondere zur Bestimmung des
Schwellenwertes an auslösendem Sojaprotein eingesetzt. Eine solche
Untersuchung wurde in Form einer doppelblinden, Placebo kontrollierten
Nahrungsmittelprovokation (DBPCFC) von Ballmer-Weber et al. [26] an 30 Soja-Allergikern vorgenommen. 21 von 30
(70 %) hatten spezifisches IgE gegen Bet v 1- und gegen Gly m 4.
Alle Patienten reagierten mindestens mit subjektiven Symptomen im Sinne eines
OAS, 11 von 30 Patienten (37 %) entwickelten objektive Symptome,
die bis zum Blutdruckabfall reichten. Die mittlere Schwellendosis zur
Auslösung von Beschwerden lag für subjektive Symptome bei 5,8
(Spannweite 0,01 – 50) Gramm und für objektive
Symptome bei 21,2 (0,454 – 50) Gramm Sojaprotein. Solche
Proteinmengen können insbesondere durch den Verzehr eines
Sojagetränkes schnell erreicht werden (z. B. sind in 100 Gramm
eines häufig verzehrten Sojadrinks 3,3 Gramm Protein enthalten).
Allergenität einzelner Sojaprodukte
Allergenität einzelner Sojaprodukte
Die Konzentration an Gly m 4 erhöht sich mit der Zeit der
Reifung und Lagerung der Sojabohnen und ist bei reifen Sojabohnen sechsmal
höher als in unreifen. In einer Studie von Mittag et al.
[23] wurden eine Anzahl von Sojaprodukten auf ihren
Gehalt an Gly m 4 untersucht, wobei der höchste Gehalt in der rohen
Sojabohne vorlag. Deutliche Mengen an Gly m 4 wurden in einem Sojaproteinpulver
gefunden, etwas weniger aber doch in nennenswerte Konzentration in Sojadrinks,
Sojaflocken und Tofu. In fermentierten Produkten wie Sojasauce, Miso und
geröstete Sojabohnen konnte kein Gly m 4 nachgewiesen werden. Allerdings
gibt es andere Berichte darüber, dass diese Produkte durchaus – je
nach Verarbeitungsprozess – auch nennenswerte Gly m 4 Mengen enthalten
können. Das Erhitzen der Sojaprodukte verringert offensichtlich den Gly m
4-Gehalt nach und nach. Auch wenn das Gly m 4 partiell hitzestabil zu sein
scheint, so kann etwa nach 4 h Garzeit damit gerechnet werden, dass kein
Gly m 4 mehr nachweisbar ist. Die unterschiedliche Allergenität einzelner
Sojaprodukte kann auch durch unterschiedlich starke Reaktionen im Hautpricktest
gezeigt werden ([Abb. 3]).
Abb. 3 Hautpricktest mit
unterschiedlichen Sojaprodukten sowie mit Birkenpollen. Die unterschiedliche
Ausprägung der Hauttestreaktionen muss mit einem unterschiedlichen Gly m 4
Gehalt der einzelnen Sojaprodukte in Zusammenhang gebracht werden. (Anmerkung:
Der im englischsprachigen übliche Begriff Soja-„Milch”
sollte durch Soja-„Drink” ersetzt werden, da der Begriff
„Milch” in Europa für ein „durch Melken gewonnenes
Erzeugnis aus Euterproduktion” vorbehalten ist).
Deklarationspflicht und Karenzempfehlungen
Deklarationspflicht und Karenzempfehlungen
Produkte mit großem Sojaproteingehalt, besonders in gering
prozessierter Form, kommen prinzipiell als Auslöser von Gly m 4-bedingten
Reaktionen in Frage. Der häufig schnelle Verzehr (z. B. in Form von
Sojagetränken) und die rasche Verfügbarkeit der gelösten
Proteine können zusätzliche Ursachen für die Häufigkeit und
die Schwere der allergischen Reaktionen auf diese Produkte sein. Daher sollten
besonders gering prozessierte Sojaprodukte, wie Sojagetränke, Sojajoghurt
und –desserts, Sojaflocken, Diätpulver und Tofu von
Birkenpollenallergikern gemieden werden. Stark fermentierte und erhitze
Produkte, wie Sojasauce, Miso, Sojaöl und geröstete Sojabohnen
stellen aufgrund ihres geringen Gly m 4-Gehalts meist keine große Gefahr
für Allergiker dar. Dennoch sollten Betroffene versuchen, Produkte mit
offensichtlichem Sojagehalt zu meiden. Eine systematische Vermeidung
sämtlicher Nahrungsmittel, die kleinste Mengen von Sojaprotein enthalten,
scheint jedoch aus allergologischer Sicht weder gerechtfertigt noch praktikabel
[4].
Dass versteckte Nahrungsmittelallergene ein Problem für
Sojaallergiker darstellen können, wurde kürzlich in einer
retrospektiven Untersuchung an 436 Nahrungsmittelallergikern in Spanien gezeigt
[27]: 119 (22.4 %) aller 530 angegebenen
klinischen Reaktionen (bis hin zur Anaphylaxie) wurden durch versteckte
Allergene und 13 von 31 (42 %) angegebenen Reaktionen auf Soja
durch Nahrungsmittel mit versteckten Sojaproteinen induziert. Es handelte sich
dabei um Sojaprotein in gekochtem Schinken, Würstchen,
Käsegebäck, Fertiggerichten, Desserts und in Bratensauce
[27].
Eine Allergenmeidung für Betroffene wurde ab November 2005 in
der Europäischen Union dadurch erleichtert, dass eine
Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel in Kraft gesetzt wurde, die sich
aktuell auf 14 Nahrungsmittel, einschließlich Soja, bezieht. Allerdings
betrifft diese Deklarationspflicht nur abgepackte Ware, so dass z. B.
lose Backwaren immer noch eine potenzielle Gefahr für Allergiker
darstellen. Außerdem sollte überlegt werden, einen zusätzlichen
Hinweis speziell für Birkenpollen- bzw. Sojaallergiker auf der Verpackung
von Produkten mit hohem Gehalt an geringgradig prozessierten Sojaproteinen,
z. B. auf den Verpackungen von Sojadrinks oder Sojadiätpulver,
anzubringen. Dies wäre hilfreich, um potenziell lebensbedrohliche
allergische Reaktionen zu vermeiden und andererseits bei stattgefundenen
Reaktionen nachträglich den Betroffenen den Zusammenhang rascher deutlich
zu machen.
Therapie der Sojaallergie
Therapie der Sojaallergie
Allen Birkenpollenallergikern sollte im Sinne einer
Primärprävention zur Vorsicht beim Verzehr von Sojaprodukten,
insbesondere solcher mit hohem, nicht-fermentiertem Proteingehalt, geraten
werden. Bei Patienten mit schwerer Soforttyp-Reaktion ist die Verordnung eines
Notfallsets indiziert (Antihistaminika, Kortikosteroide, Adrenalin)
[28].
Es gibt Hinweise darauf, dass sich unter einer spezifischen
Immuntherapie (SIT) mit Baumpollenextrakten bei einem nennenswerten Anteil der
Patienten auch die Pollen assoziierte Nahrungsmittelallergie (z. B.
gegen Äpfel) bessern kann [29]. Entsprechende
Untersuchungen u. a. mit Allergenextrakten mit
12,5 – 25 µg Hauptallergengehalt
durchgeführt [30]. Die begrenzten Effekte mancher
dieser Studien wurden versucht damit zu erklären, dass für einen
positiven Effekt auf die Nahrungsmittelallergie die applizierte Allergendosis
womöglich höher sein müsse als die zur Besserung der Pollen
induzierten Atemwegsbeschwerden [30].
Insgesamt ist zu vermuten, dass eine SIT mit dem Hauptbirkenallergen
Bet v 1 auch positive Effekte auf eine Gly m 4-bedingte Sojaallergie entfalten
kann. Entsprechende kontrollierte Untersuchungen zur Überprüfung des
Einsatzes eines hoch dosierten Bet v 1-Extrakts zur SIT im Rahmen der Birken
assoziierten Sojaallergie wären sinnvoll.