Z Orthop Unfall 2008; 146(6): 701
DOI: 10.1055/s-0028-1119758
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lumbale interspinöse Spreizer - Biomechanischer Effekt auf die Flexibilität und den intradiskalen Druck

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Publication Date:
17 December 2008 (online)

 
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In dieser biomechanischen Studie wurden vier verschiedene interspinöse Spreizer auf ihren Einfluss auf Flexibilität und intradiskalen Druck bei humanen monosegmentalen Lendenwirbelsäulenpräparaten getestet. Biomechanical effect of different lumbar interspinous implants on flexibility and intradiscal pressure, Eur Spine J 2008, 17: 1049 - 1056

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Einleitung

Es existieren mehrere chirurgische Behandlungsmethoden bei degenerativ bedingter lumbaler Spinalkanalstenose (Abb. [1]), wobei heutzutage die Dekompression als die klassische operative Therapie gilt. Eine zusätzliche Option stellt das Einsetzen eines interspinösen Spreizers dar, der zwischen zwei angrenzende Dornfortsätze geklemmt wird und damit als Platzhalter fungiert. Ziele dieser Implantate sind die Entlastung der Facettengelenke, der Erhalt der Höhe der Neuroforamina sowie die Gewährleistung der Stabilität insbesondere in Extension, ohne aber die Beweglichkeit komplett aufzugeben.

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Abb. 1 Degenerativ bedingte lumbale Spinalkanalstenose (Quelle: Heisel J. Neurologische Differenzialdiagnostik. Stuttgart: Thieme; 2007).

Die Intention dieser In vitro-Studie war der Vergleich von vier unterschiedlichen interspinösen Spreizern bezüglich ihrer Flexibilität in den drei Bewegungsebenen sowie des intradiskalen Druckes.

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Studiendesign

An jeweils sechs monosegmentalen humanen Lendenwirbelsäulenpräparaten (12 x L2/3, 12 x L4/5) wurden die vier am längsten auf dem Markt befindlichen interspinösen Spreizer (Coflex-Fa. Paradigm Spine, Wallis-Fa. Abbott Spine, Diam-Fa. Medtronic Sofamor Danek und X-Stop-Fa. St. Francis Medical Technologies) eingesetzt. Dabei wurden die jeweiligen Monosegmente zunächst im intakten, anschließend im defekten, d. h. beidseitig dekomprimierten Zustand und zuletzt mit eingesetztem interspinösen Spreizer untersucht. Die Präparate wurden in den Bewegungsrichtungen Extension/Flexion, Seitneigung und axiale Rotation mit reinen Momenten von + / - 7,5 Nm und ohne Vorlast in einer Wirbelsäulen-Prüfmaschine belastet, wobei die dreidimensionalen Bewegungsausschläge aufgezeichnet wurden. Gleichzeitig wurden die intradiskalen Drücke mit einer Sonde gemessen.

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Ergebnisse

In allen vier Implantatgruppen wurde gleichermaßen nach Schaffen des Dekompressionsdefektes eine Zunahme der Seitneigung um 8 % und der axialen Rotation um 18 % festgestellt. In Extension kam es zu einer Zunahme um 10 % und in Flexion um 14 %. Nach Einsatz der interspinösen Spreizer konnte die Extension auf durchschnittlich 50 % im Vergleich zum intakten Zustand limitiert werden. In Seitneigung, axialer Rotation und Flexion waren bis auf wenige Ausnahmen bei allen vier Spreizern leicht erhöhte Bewegungsausmaße in Bezug zum intakten und dekomprimierten Zustand feststellbar. Der intradiskale Druck zeigte sich mit dem Spreizer in Flexion, Seitneigung und axialer Rotation ähnlich dem Druck im intakten Segment. In Extension wurde jedoch mit implantiertem Spreizer ein deutlich geringerer Druck in der Bandscheibe gemessen.

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Kommentar

Interspinöse Spreizersysteme sind viel diskutierte Implantate zum Einsatz in der LWS. Sie werden mit dem Ziel der Erweiterung des Wirbelkanals und der Neuroforamina, Entlastung der Bandscheiben und Facettengelenke und der Stabilitätserhöhung eingesetzt. Die biomechanischen Eigenschaften der vier am längsten eingesetzten Spreizer werden in dieser Studie eindrucksvoll an einem Monosegment der humanen LWS dargestellt. Wie erwartet, nimmt die Beweglichkeit in allen drei Bewegungsebenen nach beidseitiger Dekompression zu. Nach Stabilisierung mit interspinösem Spreizer wird die Extension zu über 50 % reduziert, die Flexion kann nur mit dem Wallis-Implantat so stabilisiert werden, dass der Wert des intakten Zustandes erreicht wird. Dieses mag an den um die angrenzenden Dornfortsätze geschlungenen Bändern zur Fixierung im Sinne einer Zuggurtungsfunktion liegen.

Ob die biomechanisch durchaus vielversprechenden Ergebnisse auch einen klinischen Nutzen haben, der einen Einsatz mit o. g. Intentionen rechtfertigt, müssen kontrollierte Verlaufsstudien am Patienten über einen längeren Zeitraum zeigen.

Dr. med. Dorothea Daentzer

Dr. med. Dorothea Daentzer

Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover

Email: dorothea.daentzer@annastift.de

 
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Abb. 1 Degenerativ bedingte lumbale Spinalkanalstenose (Quelle: Heisel J. Neurologische Differenzialdiagnostik. Stuttgart: Thieme; 2007).