DNA-Schäden: Ursachen und ihre Folgen
Die Zellvermehrung im Körper ist genetisch gesteuert und
funktioniert nur so lange richtig, wie entsprechende Programme im Erbgut, der
DNA, intakt sind. Wird die DNA durch Schädigungen verändert, so kann
die Zellteilung gestört sein und außer Kontrolle geraten. Ursachen
für exogen verursachte DNA-Schäden sind z. B. Chemikalien, die
UV-Strahlung der Sonne, ionisierende Strahlen, aber auch, aufgrund seiner hohen
chemischen Reaktivität, der von uns allen eingeatmete Sauerstoff. Endogen
werden DNA-Schäden dagegen meistens durch Stoffwechselvorgänge
verursacht.
Laut aktuellem Stand der Forschung enthält das menschliche
Genom rund 30 000 Gene. Etwa 130 dieser Gene sind wiederum in
enzymatische Prozesse involviert, die das Ziel haben, die ursprüngliche
Struktur der DNA in der Zelle wiederherzustellen. Diese Prozesse werden unter
dem Begriff DNA-Reparatur zusammengefasst. Jeder Mensch besitzt
unterschiedliche Ausführungen (Varianten) eines Gens mit geringfügig
anderen Eigenschaften und damit auch sein individuelles Spektrum an
DNA-Reparaturgenvarianten. Theoretisch können so im menschlichen
Körper 1016 bis 1018 DNA-Reparaturprozesse pro Tag
(1012 Zellen pro Erwachsener ×
104 – 106 DNA-Schäden pro Zelle
und Tag) bearbeitet werden [1]. Damit wird klar, dass
effiziente Reparaturmechanismen notwendig sind, da Defekte sonst mit
erhöhten Mutationsraten, genetischer Instabilität und erhöhtem
Krebsrisiko einhergehen. Bei einem erblichen Defekt in einem Reparaturenzym,
wie er z. B. bei der Krankheit Xeroderma pigmentosum vorliegt, die ein
vermehrtes Auftreten von Hautkrebs nach UV-Strahlung aufweist, lässt
erkennen, wie wichtig DNA-Reparatur ist, die normalerweise ständig im
Hintergrund abläuft [2]. Aus diesem Grund stehen
Reparaturmechanismen in vielen Forschungslabors im Fokus. Aus
arbeitsmedizinischer Sicht sind dabei vor allem die Auswirkungen verschiedener
Gefahrstoffe (Quarzstaub, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
[PAK], Dämpfe und Aerosole aus Bitumen, bestimmte
Metallverbindungen) auf die DNA und ihre Reparaturmechanismen von
Interesse.
Die DNA-Reparatur im Überblick
Die einfachste Form von DNA-Reparatur stellt die sogenannte
„Umkehr” eines DNA-Schaden dar. Sie beruht darauf, dass ein
spezifisches Enzym (O6-Alkylguanintransferase) durch den Transfer
der Alkylgruppe einen Abbau von O6-Alkylguanin-DNA-Addukten bewirkt
[3]. Wesentlich komplizierter läuft das
„Herausschneiden (Exzision)” von einem DNA-Schaden ab. Dieser
Vorgang unterscheidet zwischen „Mismatch”-Reparatur, z. B.
einer Basenfehlpaarung und der Exzisionsreparatur, wobei im letzten Fall noch
einmal zwischen „Basen-Exzisionsreparatur” (BER) und
„Nukleotid-Exzisionsreparatur” (NER) unterschieden wird. Die
dritte Form ist schließlich die Reparatur von
DNA-Doppelstrangbrüchen (DSB), welche im menschlichen Organismus bevorzugt
als sogenanntes „nicht-homologes end joining (NHEJ)” in allen
Phasen des Zellzyklus abläuft. Bei diesem Vorgang erfolgt die Ligation von
DNA-Bruchstücken ohne Sequenzhomologie unter Beteiligung spezifischer Gene
bzw. deren Produkten. Ein weiterer Mechanismus, die sog. „Homologe
Rekombination (HR)” ist bevorzugt in der S- und G2-Phase des Zellzyklus
aktiv, also zu einem Zeitpunkt, wenn homologe Schwesterchromosomen bzw.
-chromatiden für eine Reparatur zur Verfügung stehen. Eine
Zusammenfassung häufiger DNA-Schäden zeigt [Abb. 1]. Hier wird ersichtlich, dass in den meisten
Fällen mehrere Wege für eine DNA-Reparatur zur Verfügung stehen.
Wann und wie die einzelnen Reparaturwege beim Menschen funktionieren, wird
nachfolgend kurz zusammengefasst.
Abb. 1 Häufige
DNA-Schäden und ihre Reparaturwege im Überblick. DNA-Schäden
sind in schwarzer, die entsprechenden Reparaturwege in blauer Schrift
dargestellt. Der Verlust der Methylierung, die Desaminierung von Basen sowie
die thermische Depurinisierung führen zu Einzelstrangbrüchen (SSB)
und werden ebenso wie Basen- oder Zuckerschäden bzw. sog. Apurin- u.
Apyrimidin (AP)-Stellen, die u. a. durch spontane Hydrolyse oder
DNA-schädigende Agenzien entstehen, mit Hilfe der
Basen-Exzisions-Reparatur (BER) repariert. Zufällige Mutationen
(Deletionen und Insertionen), die ein sog. „Mismatch” (falsch
zugeordnete Base) verursachen, werden durch die Mismatch-Reparatur (MMR)
entfernt. UV-induzierte Vernetzungen lassen z. B. Thymidindimere
entstehen, die genauso wie DNA-Addukte (kovalente Bindung zwischen einzelnen
Basen in der DNA und einem elektrophilen Molekül) einen Crosslink
innerhalb eines DNA-Stranges darstellen (sog. Intrastrang-Crosslink) und
zusammen mit den „Interstrang-Crosslinks” via
Nukleotid-Exzisions-Reparatur (NER) repariert werden. Doppelstrangbrüche
(DSB) entstehen durch Sauerstoffradikale, ionisierende Strahlung, verschiedene
Chemikalien und durch die Vermehrung (Replikation) von DNA mit SSB. Sie werden
bevorzugt durch nicht-homologes „end joining” (NHEJ) repariert.
Zu bestimmten Zeiten im Zellzyklus übernimmt die homologe Rekombination
(HR) die Reparatur.
Die verschiedenen Mechanismen der DNA-Reparatur
Die enzymvermittelte Umkehr eines DNA-Schadens
Ein Beispiel für die direkte Schadenumkehr ist die Reparatur
von Alkylierungsschäden, wie z. B.
O6-Methylguanin-Resten, die durch die
O6-Alkylguanin-DNA-Transferase repariert werden [3]. Dieses Enzym entfernt einen seltenen, hochmutagenen
DNA-Schaden durch den irreversiblen Transfer der Methylgruppe von der DNA ([Abb. 2]). Induziert wird die
O6-DNA-Alkylguanintransferase durch Glucocorticoide, durch
Aktivatoren der Proteinkinase C sowie mit Hilfe des Tumorsuppressors P53.
Abb. 2 Umkehr eines
Alkylierungsschadens am Beispiel des O6-Methylguanins durch direkte
Reparatur mit der O6-Alkylguanintransferase. Die Methylgruppe des
O6-Methlyguanins wird mit Hilfe der Transferase irreversibel auf
einen aktiven Cysteinrest übertragen und entfernt. Zurück bleibt das
reparierte Guanin.
Das Herausschneiden eines DNA-Schadens
Die Mismatch-Reparatur
Die Mismatch-Reparatur (MMR, [Abb. 3]) ist für die Entfernung nicht korrekt
gepaarter, normaler Nukleotide verantwortlich. Diese können durch Fehler
(Einbau nichtkomplementärer Nukleotide, Insertionen, Deletionen) bei der
Vermehrung (Replikation) in der DNA auftreten. Die Fehlerrate bei der
DNA-Replikation beträgt ca. 1 Fehler auf 1010 Nukleotide. Das
Ablaufschema einer MMR zeigt [Abb. 3].
Abb. 3 Der Mechanismus der
Mismatch-Reparatur (MMR). Als Folge eines Fehlers während der Replikation
liegt z. B. eine Basenfehlpaarung (G-T) vor. Diese wird von einem
Proteinkomplex, dem Heterodimer MSH2/MSH6, erkannt. Energiezufuhr in Form von
ATP ermöglicht das bidirektionelle Einfädeln eines erweiterten
Protein-Komplexes, bestehend aus den beiden Komponenten MSH2/MSH6 (orange/blau)
und MLH1/PMS2 (grün/gelb). Die nachfolgend aktivierten Exonukleasen und
Helicasen bauen den fehlerhaften Strang ab. Der Prozessivitätsfaktor PCNA
beeinflusst anschließend die Replikation so, dass die Lücke mittels
Polymerase δ aufgefüllt und mit DNA-Ligase I wieder verschlossen
wird.
Die Basen-Exzisionsreparatur (BER)
Die BER ist primär für die Reparatur von durch
Stoffwechselprozesse im Körper entstandenen, endogenen DNA-Schäden
zuständig. Hierzu gehören modifizierte Basen, AP-Stellen sowie
hauptsächlich Einzelstrangbrüche. Initiiert wird die BER durch
Glykosylasen, eine sehr spezifische Enzymgruppe, die die Basenschädigung
initial detektiert. Handelt es sich dabei um eine monofunktionale Glykosylase,
welche doppelsträngige (ds) DNA erkennt, wie z. B. die 8-Oxo-Guanin DNA Glykosylase
1 (OGG1), dann wird ein kurzer
Reparaturweg („short patch”) eingeschlagen. Dagegen folgen die
bifunktionalen Glykosylasen, die sowohl einzel(ss)- als auch
doppelsträngige (ds)-DNA erkennen, wie z. B. die
Uracil-DNA-Glykosylase (UDG) einem längeren Reparaturweg („long
patch”).
Im Fall von OGG1 handelt es sich um eines von mehreren Enzymen,
zu denen auch die Apurin/Apyrimidin(AP)
Endonuclease 1 (APE1) gehört, welche DNA-Teile reparieren, die von
toxischen Sauerstoffradikalen, wie sie z. B. im Tabakrauch vorkommen,
geschädigt werden. Zwei Studien haben gezeigt, dass eine niedrige
OGG1-Aktivität mit einer erhöhten Krebshäufigkeit assoziiert ist
[4]
[5]. Sie weisen ein „odds
ratio” (OR) von 1,1 [4] bzw. ein „
incidence rate ratio” (IRR) von 1,5 [5] auf.
Rauchen steigert dieses Risiko, da mehr Schäden verursacht werden, als die
Enzyme incl. OGG1 reparieren können. Auch hier ist für die beiden
Varianten OGG1 326 Ser/Cys (OR:1,7,
CI = 1,1 – 2,8) bzw.
OGG1 326 Cys/Cys (OR: 4,9,
CI = 1,5 – 16,1) bei permanenten
Rauchern ein Zusammenhang mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko hergestellt
worden [6], während andere Studien diese Assoziation
nicht bestätigen konnten [7]
[8].
Die Apurin/Apyrimidin(AP) Endonuclease APE1 entfernt
beschädigte Basen an sog. AP-Stellen, in dem es die Phosphodiesterbindung
unter Bildung einer winzigen Öffnung (Nick) an der 5’-Position zur
abasischen AP-Stelle hydrolysiert. Solche AP-Stellen stellen promutagene
Schäden (Läsionen) dar. Auch für dieses Reparaturenzym wurde
kürzlich sowohl eine signifikante Assoziation (OR: 2,67,
CI = 1,00 – 7,68;
p = 0,049) zwischen den Varianten von APE1 Asp148Glu und
leichtem Rauchen [9] als auch einem erhöhten
Lungenkrebsrisiko bei aktuellen Rauchern (adjustiertes OR: 3,59,
CI = 1,28 – 10,12;
p = 0,015 für den Glu/Glu-Genotyp) beschrieben [10].
Andere Studien fanden dagegen keine signifikanten Assoziationen
[11]
[12].
Das Protein „;X-ray
Repair Cross-Complementing Protein 1” (XRCC1) ist in die effiziente Reparatur von
Einzelstrangbrüchen (ss-DNA) involviert, die z. B. durch
ionisierende Strahlung oder alkylierende Substanzen entstehen können. Das
Protein interagiert dabei mit der DNA-Ligase III, der Polymerase β und der
Poly(ADP)-Ribose-Polymerase und ist daher ein wichtiger Bestandteil im
Metabolismus der BER. In einer chinesischen Fall-Kontroll Studie zeigten
Arbeiter mit chronischer Benzolvergiftung, die Träger der
XRCC1 194Trp-Variante waren, ein 1,67-fach
erniedrigtes, signifikantes (p = 0,041) Erkrankungsrisiko
im Vergleich zu Trägern der XRCC1 194ArgArg-Variante. Im Gegensatz dazu war in der Gruppe mit
chronischer Benzolvergiftung zu beobachten, dass Träger der
XRCC1 280His-Variante ein signifikant
(p = 0,009) erhöhtes Risiko (OR: 1,91) gegenüber
exponierten Trägern mit dem XRCC1
280ArgArg-Genotyp aufwiesen [13]. Eine weitere
Studie deutet daraufhin, dass die Assoziation zwischen XRCC1- und
ERCC2-Polymorphismen und Lungenkrebsrisiko entscheidend vom Rauchverhalten
hinsichtlich der Größenordnung und der Richtung abhängt
[14].
Die Nukleotid-Exzisionsreparatur (NER)
Die NER repariert in erster Linie großräumige
DNA-Addukte, wie z. B. Pyrimidindimere, und zeichnet sich darüber
hinaus durch eine breite Substratspezifität aus. Die notwendige Regulation
der NER ist ein aufwendiger Prozess, der jedoch von den Körperzellen
durchaus ökonomisch durchgeführt wird. Die NER bevorzugt v. a.
transkribierende Gene bzw. promutagene Schäden (Läsionen) in aktiven
Regionen des Genoms, die schnell und effizient repariert werden müssen.
Dieser Mechanismus wird deshalb als „transkriptionskontrollierte
Reparatur” bezeichnet und verläuft im Gegensatz zu der sogenannten
„globalen genomischen Reparatur” zeitlich sehr viel
schneller.
Mechanistisch erfolgt die Schadenserkennung durch einen Komplex
aus ca. 30 körpereigenen Proteinen, der dafür sorgt, dass die
DNA-Helix geöffnet und der DNA-Schaden verifiziert wird.
Anschließend sorgen spezielle Enzyme dafür, dass ein Bereich von ca.
24 – 32 Nukleotiden um den Schaden herum entfernt wird.
Polymerasen und Ligasen sind schließlich dafür verantwortlich, dass
die Nukleotide in der richtigen Reihenfolge mit Hilfe des komplementären
Stranges wieder in die DNA-Helix eingebaut werden.
Ein wichtiges Protein aus dieser Gruppe ist zum Beispiel das
„Excision Repair
Cross-Complementary, Group
1”-Protein (ERCC1), das
zusammen mit dem Protein ERCC4 (synonym: XPF) einen
Komplex bildet, welcher als Endonuklease fungiert, die für den Einschnitt
(Inzision) am 5’-Ende der DNA während der NER zuständig ist.
Das ERCC1-Protein wird laut einer Studie im Tumorgewebe mit einer Frequenz von
44 % angetroffen [15]. Die Gegenwart von
ERCC1 bewirkt offenbar, dass Patienten mit „Non-Small-Cell-Lung”
(NSCL)-Tumoren, die keine Cisplatin-basierte Chemotherapie erhalten haben, eine
erhöhte Überlebensrate gegenüber den gleichen Tumorpatienten
aufweisen, die sich einer solchen Chemotherapie unterzogen haben
(p = 0,009). Andererseits profitieren die ERCC1-negativen
Patienten signifikant (p = 0,002) von einer Chemotherapie
im Vergleich zu ERCC1-positiven Patienten [15]. Obwohl
von ERCC1-Varianten keine Aminosäureaustausche bekannt sind, konnte in
einer norwegischen Population gezeigt werden, dass die CC-Variante im Codon 118
(T19007C; rs11615) des ERCC1-Gens eine signifikante
Erniedrigung (OR: 0,32,
CI = 0,19 – 0,55;
p = 0,009) des Lungenkrebsrisikos zur Folge hatte
[8]. Diese Beobachtung konnte in einer dänischen,
amerikanischen und einer europäischen Studie jedoch nicht bestätigt
werden [16]
[17]
[18].
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der NER ist das Protein
ERCC2, das als Untereinheit des basalen
Transkriptionsfaktors TFIIH fungiert und aufgrund seiner
5’-3’-ATP-abhängigen Helicase-Aktivität unverzichtbar
ist. ERCC2 erkennt und repariert ein breites Spektrum von Läsionen, wie
z. B. Thymidindimere und sogenannte „bulky adducts”. Das
Gen beinhaltet eine größere Anzahl von Polymorphismen. Neben einer
Reihe von seltenen Vertretern treten Polymorphismen häufig in den Codons
154, 312, 711 und 751 auf und haben dort Aminosäureaustausche zur Folge.
So wurde z. B. für die Asp312Asn-Variante (rs1799793) in mehreren
Studien eine höhere Adduktbildung bei Trägern der Asn-Variante
beschrieben und mit einer reduzierten DNA-Reparaturkapazität interpretiert
[19]
[20]. Gleiches gilt für
die Gln-Träger der Variante Lys751Gln [19].
Darüber hinaus wurde in einer amerikanischen Studie ein erhöhtes
Lungenkrebsrisiko (OR: 1,50,
CI = 1,1 – 2,0) für Träger
der 312Asn/Asn-Variante im Vergleich zu Trägern der 312Asp/Asp-Variante
beschrieben [21]. Dagegen konnten zwei Studien aus
Schweden [22] bzw. Finnland [23]
keine signifikanten Risiken detektieren, wobei die zuletzt genannte aus
männlichen Rauchern bestand.
Die Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen
DNA-Doppelstrangbrüche (DSB) entstehen durch
Sauerstoffradikale, ionisierende Strahlung, verschiedene Chemikalien und die
Replikation von DNA mit Einzelstrangbrüchen (SSB). Die Folgen für den
Organismus sind vielfältig und reichen vom Zellzyklusstopp über den
Zelltod oder eine veränderte Genexpression bis hin zur Rekombination oder
einer Gen-, Chromsomen- oder Genommutation. [Abb. 4] skizziert die Reparatur eines DSB durch das
im menschlichen Körper bevorzugt durchgeführte nicht-homologe
„end joining”, das solche Folgeschäden unterbindet.
Ein wichtiges Protein ist zum Beispiel das „X-ray Repair Cross-Complementing Protein
3” XRCC3, das für die
effiziente Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen (DSB) innerhalb der
homologen Rekombination, für die korrekte Trennung der Chromosomen bei der
Reifeteilung (Meiose) und für die Reparatur von
„DNA-crosslinks” benötigt wird. XRCC3 formt einen Komplex
mit dem Protein Rad51C, welches wiederum früh nach der DNA-Schädigung
gebildet wird. Der am häufigsten vorkommende SNP ist eine Substitution der
Aminosäure Threonin (Thr) zu Methionin (Met) in der
Aminosäure-Position 241 von XRCC3. Obwohl bisher keine Krankheit beim
Menschen mit einer XRCC3-Inaktivierung gefunden wurde, zeigte die
XRCC3 – 241Met-Variante in zwei Studien Assoziationen mit
einem moderat erhöhten (OR: 1,29,
CI = 0,85 – 1,98) Krebsrisiko
[24]
[25]. Außerdem zeigten
Träger der Met-Variante höhere DNA-Adduktzahlen in der
Lymphozyten-DNA im Vergleich zu homozygoten Thr-Trägern
[26]. Andere Studien lieferten dagegen keine
Anhaltspunkte dafür, dass XRCC3-Varianten einen Einfluss auf das
Lungenkrebsrisiko haben [27]
[28].
Die Reparatur eines DSB kann aber auch durch den Mechanismus der
homologen Rekombination (HR) erfolgen ([Abb. 1]).
Dabei wird das intakte homologe Chromosom bzw. das Schwesterchromatid zur
Wiederherstellung des defekten DNA-Stranges verwendet.
Abb. 4 DSB-Reparatur durch
nicht-homologes „end joining”. Dieser Reparaturmechanismus beruht
auf der koordinierten Verknüpfung gebrochener DNA-Enden ohne bzw. mit sehr
kurzen homologen Regionen. Nach der Schadenentstehung wird der
DNA-Doppelstrangbruch (DSB) von einem spezifischen Protein-Komplex
(Mre11-Rad50-Nbs1) erkannt. Nach der Aktivierung und Phosphorylierung weiterer
Proteine um den Bruch herum binden dann zwei Ku-Heterodimere (Ku70 und Ku80) an
die DNA und überbrücken den Bruch. Im Anschluss rekrutiert der
Ku70/80-Komplex Untereinheiten der DNA-abhängigen Proteinkinasen
(DNA-PKcs) zu den Enden des Doppelstrangbruchs. Dort phosphorylieren die
DNA-PKcs u. a. das Artemis-Protein, welches als Exonuklease fungiert,
während das Protein Fen1 als Endonuklease tätig wird.
Schließlich dirigiert Ku einen Komplex aus den Proteinen XRCC4 und
DNA-Ligase IV zu den Bruchenden, der dafür sorgt, dass der DSB geschlossen
wird. Die Reparatur ist damit abgeschlossen. Es kommt jedoch häufig zum
Verlust von DNA.
Die Bestimmung von DNA-Varianten ausgesuchter Reparaturenzyme
für arbeitsmedizinische Fragestellungen
Viele der hier angesprochenen Proteine fungieren beim Auftreten
einer DNA-Schädigung als „Sensoren” in der Zelle zur
Aktivierung von Kontrollpunkten im Zellzyklus und kommen, wie eingangs
erwähnt, in unterschiedlichen Varianten vor. D. h. sie bewirken
über Veränderungen in der Proteinphosphorylierung und der
Genexpression eine Blockade an den Kontrollpunkten der G1-, S-, und G2-Phase
des Zellzyklus. Dadurch wird erreicht, dass mehr Zeit für die
DNA-Reparatur gewonnen wird.
Berufsbedingte Atemwegs- und Lungenerkrankungen weisen nach wie vor
hohe Fallzahlen auf. So entfielen beispielsweise im Jahr 2005
39 % aller anerkannten Fälle im deutschen Berufskrankheiten
(BK)-Geschehen auf diese Krankheitsform [29].
In diesem Zusammenhang und vor dem Hintergrund des geplanten
Gendiagnostikgesetz-GenDG, in dem die Verwendung genetischer Marker
u. a. im Arbeitsschutz geregelt werden sollen, kommt der Erforschung des
Zusammenwirkens zwischen anlagebedingten Faktoren, Lebensstil und beruflichen
Faktoren zukünftig eine besondere Rolle zu.
Um nun Zusammenhänge zwischen verschiedenen DNA-Varianten von
Reparaturenzymen (v. a. Glykosylasen, Endonukleasen, ERCC- und
XRCC-Enzyme) und Effekten, wie oxidativen Schädigungen, die mittels
Adduktmessungen erfasst werden, besser untersuchen zu können, werden zur
Zeit eine Reihe von DNA-Nachweisverfahren auf der Basis von Real-time
PCR-Methoden für verschiedene DNA-Varianten dieser Reparaturenzymen
etabliert [30]. Dadurch sollen robuste und schnelle
Analyseverfahren zur Verfügung stehen, die es erlauben, gezielt den
Einfluss dieser Varianten unter Expositionsbedingungen zu untersuchen, bei
denen in der Vergangenheit entsprechende Endpunkte der DNA-Schädigung
(z. B. DNA-Strangbrüche oder DNA-Addukte) bestimmt wurden
(z. B. nach Exposition gegenüber polyzyklischen aromatischen
Kohlenwasserstoffen) oder aktuell bestimmt werden (z. B. nach Exposition
gegenüber Dämpfen aus Bitumen oder Schweißrauch).
Unabhängig davon kann beim Vorliegen geeigneter Daten (Fragebogenangaben
oder besser mittels Bestimmung des Cotininwerts im Urin) der Confounder Rauchen
in die Auswertung einbezogen bzw. separat untersucht werden.
Der Stellenwert von Reparaturenzymvarianten in der
arbeitsmedizinischen Forschung
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Erforschung
des Einflusses von individuellen Varianten verschiedener Reparaturenzyme in
Gegenwart bestimmter Arbeitsplatzexpositionen erst begonnen hat und die
vorliegenden Ergebnisse zum Teil noch recht widersprüchliche
Interpretationen zur Folge haben. Die Gründe hierfür sind
vielfältig und beinhalten zum Beispiel Unterschiede im Studiendesign, in
den Fallgrößen sowie in der Zusammensetzung, Intensität und
Dauer der Exposition.
Aktuell lässt sich aus den bisher vorliegenden
Studienergebnissen folgender Kenntnisstand ablesen:
-
Polymorphismen in Genen, die für Reparaturenzyme kodieren
oder sich in deren regulatorischen Bereichen befinden, sind in die Funktion der
DNA-Reparatur involviert.
-
Relative Risiken > 2 tauchen selten auf, daher
handelt es sich bei der DNA-Reparatur offenbar um einen komplexen Mechanismus,
der auf der Interaktion vieler Komponenten beruht. Diese Aussage wird durch
vorliegende In-vitro-Studien untermauert.
-
Confounder, wie zum Beispiel das Rauchen, sollten messtechnisch
unbedingt berücksichtigt werden. Insbesondere deshalb, weil es Hinweise
gibt, dass das Rauchen unabhängig von der eigentlichen Exposition
bestimmte Reparaturenzyme aktivieren kann, die unabhängig von der
Exposition agieren.
Zukünftig wird es deshalb notwendig sein, in Abhängigkeit
von der bzw. den Expositionsnoxe(n) möglichst viele der beteiligten
metabolisch wirksamen Gene zu kennen, um auf diese Art und Weise mehr über
den Metabolismus und die Interaktionen der beteiligten Proteine zu erfahren. So
können schließlich die Ergebnisse in ihrer Gesamtheit nicht nur zu
einem weitergehenden Verständnis beitragen, sondern lassen dann auch eine
bessere Beurteilung zu, inwieweit Varianten von Reparaturenzymen ein
diagnostischer Wert bei der Entstehung verschiedener berufsbedingter
Erkrankungen zukommt.