Prävalenz, Klinik und Diagnostik des
Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
Prävalenz, Klinik und Diagnostik des
Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
An der Lunge manifestiert sich der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
häufig in einem basal betonten, panazinären Emphysem. Das Emphysem
kann jedoch auch diffus verteilt oder vorwiegend in den Oberlappen lokalisiert
sein [1 ]
[2 ]. Bronchiektasen mit
oder ohne begleitendes Emphysem sind weniger häufig [3 ]. Für die Entstehung des Emphysems spielt das
Ungleichgewicht zwischen Proteasen und Antiproteasen in der Lunge eine wichtige
Rolle, das zusammen mit oxidativem Stress und Apoptose zur Zerstörung des
Gewebes führt [4 ]. Das führende Symptom ist im
allgemeinen die Dyspnoe, aber auch chronischer Husten und Giemen können
auftreten [5 ].
Die genetische Disposition für diese Erkrankung ist bei
Kaukasiern relativ häufig, mit einer ähnlichen Prävalenz wie
für die zystische Fibrose (Mukoviszidose). Charakteristisch für den
schweren Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM) ist die reduzierte oder fehlende
Sekretion von Alpha-1-Antitrypsin in den Blutkreislauf mit Serumkonzentrationen
unterhalb von 11µmol/l (80 mg/dl) [6 ]. Das
panazinäre Emphysem entwickelt sich bei rauchenden Betroffenen in der
Regel deutlich früher. Der resultierende Gewebeschaden ist bei
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel im Vergleich zur Rauchexposition bedeutend
größer als bei anderen Rauchern [7 ]. Ebenfalls
beteiligt sein können die Leber (Zirrhose) oder – sehr selten
– die Haut (Pannikulitis).
Hauptproblem ist, dass viele Betroffene mit
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel noch nicht als solche erkannt worden sind, sondern
unter anderen Diagnosen wie COPD geführt werden.
Auch bei Asthmatikern mit nicht vollständiger
Reversibilität nach Broncholyse kann ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
zugrunde liegen.
Genetik und Prävalenz des
Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
Alpha-1-Antitrypsin (AAT) ist ein 52 kD Glykoprotein, das
vor allem in der Leber gebildet wird. Das Protein hemmt als
Proteinase-Inhibitor verschiedene Serin-Proteinasen, wobei die
Neutrophilen-Elastase die größte Bedeutung hat [8 ]. Dieses Enzym baut Elastin, aber auch Basalmembranen und
andere Matrixkomponenten ab. Bisher wurden mehr als 100 verschiedene genetische
Proteinase-Inhibitor(Pi-)-Varianten beschrieben. Die alphabetische Benennung
der M-, S-, und Z-Varianten basiert auf ihrer Beweglichkeit im elektrischen
Feld bei einem alkalischen pH-Wert. Innerhalb der häufigsten Allele
unterscheidet man das normale M-Allel vom S-Allel sowie der Z- und der
Null-Variante. Je nach genetischer Situation ist das Risiko für pulmonale
oder gastroenterologische Manifestationen unterschiedlich ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 AAT-Serumkonzentrationen und Pi-Genotyp
(verändert nach [9 ]).
Klinisch am bedeutsamsten ist die Z-Variante. Hier führt die
abnorme Proteinfaltung dazu, dass Alpha-1-Antitrypsin in den Hepatozyten
akkumuliert. Damit verbunden ist die Gefahr einer Leberschädigung, die
sich bei etwa 10 bis 20 % der Patienten manifestiert. Der weitaus
häufigste Defekt-Typ des schweren Alpha-1-Antitrypsin-Mangels ist der
homozygote Genotyp PiZZ, bei dem die Serumspiegel stark erniedrigt sind. Extrem
selten sind Pi(Null-Null)-Varianten, bei denen gar kein Alpha-1-Antitrypsin im
Plasma nachweisbar ist.
In Europa sind die genetischen Varianten regional unterschiedlich
verteilt. Das mit der Leberschädigung assoziierte Z-Allel kommt besonders
in Nordeuropa häufig vor. Im Unterschied dazu ist das S-Allel auf der
iberischen Halbinsel und in Großbritannien häufiger als in
Skandinavien. Personen mit PiSS-Genotyp haben meist genügend hohe
Alpha-1-Antitrypsin-Serumkonzentrationen und bedürfen daher keiner
Substitutionstherapie. Zudem ist hier die Leber nicht betroffen. In Deutschland
und der Schweiz besitzt statistisch jede 50. Person ein Allel vom Typ Z und
Schätzungen gehen von 950 PiZZ-Patienten in der Schweiz
(1 : 7800) aus [10 ]
[11 ]. Bisher sind jedoch nur höchstens
10 % dieser Patienten identifiziert worden. Deutlich
häufiger sind in der Schweiz die Genotypen PiSS und PiSZ mit einer
geschätzten Prävalenz von 1 : 700 bzw.
1 : 1100 [10 ].
Alpha-1-Antitrypsin-Serumkonzentrationen und Pi Genotyp
Der normale Genotyp PiMM ist charakterisiert durch
Alpha-1-Antitrypsin-Konzentrationen zwischen 20 und 53 µmol/l
[12 ]. Patienten mit PiSZ-Genotyp liegen zum Teil unter
dem schützenden Grenzwert von 11 µmol/l und etwa
20 % dieser Betroffenen entwickeln ein Lungenemphysem. Patienten
mit PiZZ- und Pi(Null-Null)-Genotyp haben regelhaft Serumkonzentrationen unter
11 µmol/l bzw. kein nachweisbares AAT im Serum. Bei diesen
Betroffenen beträgt das Emphysem-Risiko 80 % bis
100 % [12 ].
Störung des Proteasen-Antiproteasen-Gleichgewichts
Proteasen fallen in der Lunge vermehrt an, wenn der Patient an
Pneumonie oder chronischer Bronchitis erkrankt ist. Physiologische
Antiproteasen sorgen normalerweise dafür, dass das Lungengewebe durch
diese Proteasen nicht angegriffen wird: So bindet Alpha-1-Antitrypsin
irreversibel an die Neutrophilen-Elastase und macht sie dadurch
unschädlich. Zigarettenrauch enthält Oxidantien, die wiederum
Alpha-1-Antitrypsin inaktivieren. Ein angeborener Alpha-1-Antitrypsin-Mangel,
bei dem zu wenig Antiproteasen gebildet werden, führt zu einer
Störung des Proteasen-Antiproteasen-Gleichgewichts in der Lunge.
Diagnosestellung
Häufig wird die Erkrankung erst spät erkannt: Im
Durchschnitt vergehen 6 bis 8 Jahre zwischen ersten Symptomen und
Diagnosestellung [10 ]
[13 ]. Bei
der Diagnose unterscheidet man quantitative und qualitative Bestimmungen des
Alpha-1-Antitrypsins.
Plasma-AAT-Spiegel werden üblicherweise nephelometrisch
bestimmt. Der „protektive Spiegel” von 80 mg/dl leitet
sich von der Beobachtung ab, dass Patienten mit dem heterozygoten Phänotyp
PiSZ und einem AAT-Spiegel oberhalb dieses Wertes in der Regel kein Emphysem
entwickeln [12 ]. Die am häufigsten angewandte
Methode zur Erkennung unterschiedlicher AAT-Phänotypen ist ihre
Differenzierung mit Hilfe des isoelektrischen Punktes (isoelektrische
Fokussierung). Schließlich kann mittels der PCR-Technik die
Genotypisierung erfolgen zum Nachweis der S- und Z-Mutationen. In seltenen
Fällen, wenn kein eindeutiger Nachweis eines bekannten Genotyps erbracht
werden kann, wird die vollständige Sequenzierung des Pi-Gens
durchgeführt. Auf diese Weise werden auch seltene und neue Mutationen
nachgewiesen.
Aktuelle Leitlinien der ATS/ERS [14 ] geben
klare Empfehlungen, wann eine diagnostische Testung indiziert ist ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Empfehlungen der
ATS/ERS-Leitlinien (modifiziert nach [14 ]).
Liegt die AAT-Konzentration unterhalb von 11 µmol/l
(80 mg/dl), sollte eine genauere genetische Testung durchgeführt
werden.
Zusammenfassung
Individuen mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel werden häufig nicht
oder erst Jahre nach dem Auftreten erster Symptome diagnostiziert. Die
Bestimmung der Serumkonzentration sollte bei jedem COPD-Patienten einmalig
durchgeführt werden. Auch symptomatische Patienten mit Asthma und nicht
vollständig reversibler Atemwegsobstruktion sollten gemäß der
Leitlinien auf einen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel hin untersucht werden. Eine
Substitutionstherapie ist vor allem für PiZZ-Patienten sinnvoll, jedoch
werden auch bis zu 30 % der PiSZ-Patienten und praktisch alle
Pi(Null-Null)-Personen im Laufe ihres Lebens substitutionsbedürftig.
Wichtig bei der Therapie ist, dass der Patient das Rauchen aufgibt, denn
Rauchen vermindert die Aktivität von Alpha-1-Antitrypsin um den Faktor
2000.
EXACTLE: EXAcerbations and CT scans as Lung Endpoints in
Alpha-1-Antitrypsin Deficiency
EXACTLE: EXAcerbations and CT scans as Lung Endpoints in
Alpha-1-Antitrypsin Deficiency
Das Besondere der EXACTLE-Studie ist ihr vollkommen neuer Fokus.
Bisher hat man versucht, die Emphysemprogression bei COPD und auch beim AATM
durch verschiedene Parameter wie Lungenfunktion, Belastungstests,
Exazerbationsraten oder Lebensqualität abzubilden. Noch relativ neu und in
der EXACTLE-Studie erstmals systematisch genutzt sind bildgebende Verfahren wie
das thorakale CT. Es kann emphysematöse Bereiche der Lunge hervorragend
darstellen, wobei eine gute Korrelation zur Pathologie besteht. Auch die
Reproduzierbarkeit der Aufnahmen ist adäquat.
Das Ausmaß des Emphysems lässt sich mit der
CT-Densitometrie quantifizieren. Grundlage hierfür ist, dass beim CT
für jeden einzelnen Bildpunkt (Voxel) eine bestimmte Dichte gemessen wird.
Die Gewebedichte wird in Hounsfield-Einheiten ausgedrückt. Wasser hat
definitionsgemäß die Dichte von 0 und Luft die Dichte von
– 1000 Hounsfield-Einheiten. Stellt man die relative
Häufigkeit aller gemessenen Voxeldichten in einem Histogramm dar,
entspricht dies der Verteilungskurve aller Voxel. Zur Quantifizierung des
Emphysems durchgesetzt hat sich die 15te Perzentile der Dichte, also die
Fläche unter der Kurve, die den 15 % niedrigsten
Dichtewerten entspricht. Da Emphysempatienten lufthaltigere Lungen als gesunde
Personen haben, ist beim Emphysem die Kurve insgesamt nach links verschoben und
die 15. Perzentile weist einen geringeren Wert auf ([Abb. 3 ]).
Abb. 3 Densitometrische
Darstellung von Lungengewebe.
Hintergrund für die EXACTLE Studie
Aus Registerdaten zum Alpha-1-Antitrypsin-Mangel hatte man
Hinweise darauf, dass unter AAT-Substitution der Verlust an FEV1
geringer war und die behandelten Patienten eine niedrigere Mortalität
aufwiesen. Angesichts der geringen Patientenzahlen beim AATM schien es
unrealistisch, mit den bisher verfügbaren Studienendpunkten eine
kontrollierte Studie zur Wirksamkeit von Alpha-1-Antitrypsin
durchzuführen. Die neue Methode der CT-Densitometrie war dagegen
vielversprechend, aber noch nicht ausreichend evaluiert. Mit Hilfe der EXACTLE
Studie sollte daher überprüft werden, ob sich die CT-Densitometrie
dazu eignet, die Emphysemprogression darzustellen, und zwar bei Patienten mit
und ohne AAT-Substitution. Der Ansatz der Studie war explorativ und somit nicht
darauf ausgerichtet, einen signifikanten Unterschied hinsichtlich der mittels
dieser Methode erhobenen Wirkung von Prolastin® gegenüber
einer Placebo-Behandlung nachzuweisen. Die EXACTLE-Ergebnisse wurden inzwischen
im European Respiratory Journal publiziert [15 ].
Studiendesign und Einschlusskriterien
Die Studie hatte ein prospektives, doppelblindes,
Parallelgruppen-Design. Nach einer Screening-Untersuchung und einem initialen
thorakalen CT wurden die Patienten randomisiert und erhielten über 24
(fakultativ über 30) Monate entweder einmal wöchentliche Infusionen
mit Alpha-1-Antitrypsin (60 mg/kg Körpergewicht,
n = 38) oder 2 % Albumin in der
Placebogruppe (n = 39). Klinische Kontrolluntersuchungen
erfolgten alle drei Monate, und Wiederholungen des Thorax-CTs waren nach 12 und
24 bzw. nach 30 Monaten geplant.
Eingeschlossen wurden AATM-Patienten im Alter über 18 Jahre
mit mindestens einer Exazerbation innerhalb der letzten 2 Jahre sowie einer
obstruktiven Ventilationsstörung (postbronchodilatatorische
FEV1 ≥ 25 % und
≤ 80 % des Solls sowie eine FEV1 /VC Ratio
≤ 0,7). Für die Studie infrage kamen auch Patienten mit normaler
Spirometrie, wenn der Transferfaktor KCO auf unter
80 % der Norm reduziert war.
Demografie und klinische Charakteristika
Die 77 Patienten der EXACTLE-Studie wiesen die typische
Raucheranamnese auf ([Abb. 4 ]).
Abb. 4 Demografische Daten
der EXACTLE-Studienteilnehmer (modifiziert nach [15 ]).
Ihre Lungenfunktion war mittelgradig eingeschränkt und die
Alpha-1-Antitrypsin-Serumkonzentrationen waren stark reduziert. Die Patienten
waren auf die beiden Behandlungsgruppen recht gleichmäßig verteilt.
Davon ausgenommen war die Geschlechtsverteilung, denn in der
Alpha-1-Antitrypsin-Gruppe überwogen die Männer und in der
Placebogruppe die Frauen (p < 0,02).
Primärer Endpunkt: Verlust an Lungengewebe
Da es sich bei der CT-Densitometrie um einen neuen, noch zu
validierenden Endpunkt handelte, wurden vier verschiedene Auswertungsmethoden
miteinander verglichen. Für die „Slope-Analyse” wurden alle
Untersuchungen eines Patienten während der Studienzeit berücksichtigt
und daraus eine individuelle Regressionslinie berechnet (Steigung der Geraden).
Alternativ wurden für die „Endpunkt-Analyse” nur die ersten
und letzten Messwerte jedes Patienten zur Auswertung herangezogen.
Zur Korrektur des individuellen inspiratorischen Lungenvolumens
während des Scans wurden zwei verschiedene Methoden angewandt. Das
physiologische, sog. „Sponge”-Modell geht davon aus, dass die
Masse der Lunge während der Atmung konstant ist. Der Messwert für die
Lungendichte wurde mit dem im CT bestimmten totalen Lungenvolumen (TLV)
multipliziert und durch den individuellen Sollwert der totalen
Lungenkapazität (TLC) geteilt. Bei der statistischen Methode wurde die
Beziehung zwischen Lungendichte und Lungenvolumen nach einem mathematischen
Modell berücksichtigt. Insgesamt ergaben sich so vier verschiedene
statistische Ergebnisdarstellungen für den Endpunkt Densitometrie.
Ergebnisse: Emphysemprogression
Während der Studienzeit nahm das Emphysem in beiden
Patientengruppen zu. Bei der 1. Auswertungsmethode (physiologisches Modell in
Kombination mit der Steigung der Geraden) fiel die 15. Perzentilen Lungendichte
(PD15) pro Jahr in der Placebogruppe um 2,24 g/l und in der Verumgruppe
um 1,38 g/l ab, und für die Differenz von 0,86 g/l ergab
sich ein Trend, aber keine statistische Signifikanz
(p = 0,068) ([Abb. 5 ]).
Abb. 5 Vergleich der
Lungendichteänderungen bei Gabe von Alpha-1-Antitrypsin
(Prolastin® ) vs. Placebo (Methode 1), modifiziert nach
[15 ].
Auch bei der zweiten und dritten Art der Ergebnisdarstellung ergab
sich ein Trend zugunsten der Substitution mit Alpha-1-Antitrypsin ([Abb. 6 ]). Ein statistisch signifikanter Unterschied
zwischen den Behandlungen (p = 0,049) berechnete sich
für die vierte Methode (Kombination von statistischem Modell und
Endpunkt-Analyse). Hier hatten mit Alpha-1-Antitrypsin substituierte Patienten
eine um 1,47 g/l geringere Abnahme der 15. Perzentile, also eine
langsamere Progression des Lungenemphysems. Dies ist ein ermutigendes Ergebnis
angesichts der geringen Zahl von 77 rekrutierten Patienten.
Abb. 6 Ergebnisse der
CT-Densitometrie mit den vier Auswertemethoden (modifiziert nach
[15 ]).
Sekundäre Endpunkte
Die Erfassung der Zahl und Schwere respiratorischer Exazerbationen
erfolgte nach der Definition von Rodriguez-Roisin [16 ],
die auf einer Steigerung der Medikation basiert. Bei leichter Exazerbation
erfolgte diese Steigerung durch den Patienten selbst, bei mittelgradiger durch
den Arzt und bei schwerer Exazerbation wurde der Patient ins Krankenhaus
aufgenommen. Die durchschnittlichen jährlichen Exazerbationsraten waren
bei beiden Gruppen ähnlich (Alpha-1-Antitrypsin
2,55 ± 2,14; Placebo 2,19 ± 1,33).
Eine post-hoc-Analyse zeigte für Alpha-1-Antitrypsin einen geringeren
Anteil schwerer Exazerbationen proportional zur Gesamtzahl (6,7 %
versus 13,5 %, p = 0,013),
Um die einzelnen Endpunkte miteinander zu vergleichen, wurden
Sensitivitäts-Indizes berechnet ([Abb. 7 ]).
Im Vergleich zur FEV1 oder zur Lebensqualität (gemessen mit dem
SGRQ) mit Indices von 2,2 bzw. 1,0 hatten die vier Analysemethoden der
Densitometrie sehr viel höhere Sensitivitäts-Indices zwischen 6,7 und
7,6 ([Abb. 7 ]). Damit konnte belegt werden, dass
sich die CT-Densitometrie besser als andere Zielparameter eignet, um
Veränderungen der Progression des Emphysems abzubilden.
Abb. 7 Sensitivitätsvergleich verschiedener
Studienendpunkte (modifiziert nach [15 ]).
Verträglichkeit von AAT
Der Vergleich der schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse
unter Alpha-1-Antitrypsin (n = 5) und unter Placebo
(n = 14) zeigte die gute Verträglichkeit der
Substitutionstherapie. Es ist anzunehmen, dass keines der fünf Ereignisse
(Refluxerkrankung, Pneumonie, Epistaxis, pulmonale Hypertonie, Psoriasis)
ursächlich auf Alpha-1-Antitrypsin zurückzuführen ist.
Zusammenfassung
Die EXACTLE-Studie hat zum ersten Mal gezeigt, dass die
CT-Densitometrie ein sensitiverer Endpunkt zur Erfassung einer
Emphysem-modifizierenden Therapie ist als physiologische oder
Lebensqualität-Parameter. Die AAT-Substitution war gut verträglich
und sicher. Für die Wirksamkeit von Alpha-1-Antitrypsin ergaben sich
eindeutige Trends und bei einer Auswertemethode sogar eine statistisch
signifikant bessere Wirksamkeit gegenüber Placebo.
20 Jahre Therapie bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: Praktische
Erfahrung aus der Ruhrlandklinik Essen
20 Jahre Therapie bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel: Praktische
Erfahrung aus der Ruhrlandklinik Essen
Innerhalb der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft zur Therapie
von Lungenerkrankungen (WATL) wurden in der Ruhrlandklinik Essen seit Ende der
1980er Jahre Patienten mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel systematisch dokumentiert
und mit AAT substituiert [17 ].
Geschichte der spezifischen Therapie
Die wesentlichen Erkenntnisse zur Pathophysiologie des
Alpha-1-Antitrypsin-Mangels wurden in den 1960er Jahren erarbeitet
[18 ]. Damals wurde klar, dass die Störung auf einer
Imbalance zwischen Proteasen und Antiproteasen beruht. Die Pathologie wurde
beschrieben als eine Mischung aus einem zentri-acinären und einem
panlobulären Emphysem mit einem wechselnden Anteil an Bronchitis.
Eine Substitutionstherapie mit Alpha-1-Antitrypsin stand in den
USA ab 1988 und in Deutschland ab 1989 zur Verfügung. Ziel der Therapie
war es, die Serumkonzentrationen auf das Niveau der heterozygoten
Genträger anzuheben, also auf etwa ⅓ des mittleren Sollwertes. Dies
sollte mit einer wöchentlichen AAT-Infusion sichergestellt werden.
Therapie in Deutschland
Die Auswertung der ersten 140 in Essen erfassten Patienten zeigte,
dass Symptome im Sinne einer asthmatischen Komponente häufig waren. Dies
führte zu der Empfehlung, konsequent mit Betamimetika zu inhalieren, und
viele Patienten erhielten zusätzlich ein Anticholinergikum. Auch
inhalative Steroide wurden häufig verordnet. Andere Maßnahmen wie
pulmonale Rehabilitation, Sauerstoff-Langzeittherapie bei Hypoxämie und
Impfung gegen Influenza gehörten ebenfalls zum Behandlungskonzept.
Ende der 1990er-Jahre wurden 367 Patienten aus 24 Zentren in
Deutschland ausgewertet, die 10 Jahre lang mit Alpha-1-Antitrypsin substituiert
worden waren [19 ]. Im Vergleich zu einem historischen
Kollektiv bestand bei Patienten, deren FEV1 zwischen
30 % und 65 % des Sollwertes lag, durch die
Substitution ein Trend für einen höheren Nutzen. Sehr früh wurde
klar, dass Exazerbationen und Infektanfälligkeit unter
Alpha-1-Antitrypsin-Substitution abnahmen. Diese deutliche Reduktion der Zahl
pulmonaler Infektionen während der AAT-Therapie wurde einige Jahre
später auch in einer Arbeit von Lieberman beobachtet [20 ].
Die Verträglichkeit von AAT erwies sich in der deutschen
Auswertung als gut [19 ]. Es wurde nur eine schwere
IgE-vermittelte Reaktion dokumentiert [21 ].
Allgemeinreaktionen wie nach Gabe anderer Blutbestandteile waren selten und
konnten durch vorangehende Gabe von Kortikoiden gemildert werden. Potenzielle
Gefahren wie die Übertragung von Viruserkrankungen zeigten sich nicht, und
bis heute ist kein entsprechender Fall bekannt.
Die Auswertung der Langzeitdaten aus Deutschland zeigte das (heute
noch fortbestehende) Problem auf, dass es viel zu lange dauerte, bis Patienten
die AATM-Diagnose erhielten. Viele Patienten hatten bereits bei
Diagnosestellung eine so starke Lungenfunktionseinschränkung
(FEV1 < 30 % des Sollwertes), dass eine
Substitutionstherapie aus klinischer Sicht und nach Datenlage nicht mehr
angezeigt war. Ein Grund für die verspätete Diagnose war, dass zu
wenige Familienuntersuchungen durchgeführt wurden, vermutlich wegen einer
gewissen Scheu vor der Diagnose einer Erbkrankheit. Berücksichtigt werden
muss dabei auch, dass das Emphysem bei AATM keine gute Indikation für eine
operative Lungenvolumenreduktion darstellt, auch wenn es sich überwiegend
um jüngere Patienten handelte.
AATM-Register in Deutschland
Im Jahr 2003 veröffentlichten die europäischen und
amerikanischen Fachgesellschaften ATS und ERS gemeinsam die noch heute
aktuellen „Standards in Diagnostik und Therapie bei Patienten mit
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel” [14 ].
In Deutschland besteht ein Register für AATM-Patienten (
www.alpha-1-register.de ).
Zusätzlich wurden sogenannte „Alpha-1-Center” mit
unterschiedlichen Schwerpunkten etabliert, in denen Pneumologen speziell diese
Patientengruppe betreuen und auch Kollegen aus dem medizinischen Umfeld
beraten. Darüber hinaus etabliert sich derzeit ein Netzwerk aus
Alpha-1-Centern speziell für AATM-betroffene Kinder.
Diagnosestellung mit AlphaKit®
Um die Diagnosestellung zu erleichtern, wurde gemeinsam mit der
Firma Talecris Biotherapeutics der AlphaKit® entwickelt. Es
ermöglicht die Analyse aus Trockenblut und kann daher problemlos an ein
zentrales Labor verschickt werden. Für die Untersuchung werden drei
Tropfen Blut auf die speziell markierte Karte aufgebracht ([Abb. 8 ]).
Abb. 8 AlphaKit zur
kostenfreien AATM-Diagnostik in Marburg, Deutschland. Der Kit kann online unter
www.alphakit.com bei der Firma
Talecris Biotherapeutics in Frankfurt, Deutschland, oder Crucell| Berna
in Bern angefordert werden.
Auf dem Erfassungsbogen sollten neben demografischen Angaben zum
Patienten auch die Familienanamnese und der AAT-Serumspiegel dokumentiert
werden. Die Karte wird per Post zur Analyse in das Alpha-1-Antitrypsin-Zentrum
nach Marburg geschickt. Etwa vier Wochen später erhält der Arzt den
Befund.
Eine erste Auswertung der AlphaKits® über
knapp fünf Jahre umfasste 5689 eingesendete Proben. Der mit
68,3 % häufigste Genotyp war PiMM, gefolgt von PiMZ
(18,1 %), PiZZ (6,9 %), PiMS (4,6 %)
und PiSZ (1,6 %).
Weitere Diagnostik und Therapie nach Diagnosestellung
Neben der genetischen Analyse, für die der Patient sein
Einverständnis geben muss, erfolgt eine umfassende, standardisierte
Diagnostik der pulmonalen und hepatischen Beteiligung.
Die Routinediagnostik beinhaltet in Essen auch ein thorakales CT
mit Densitometrie, um das Ausmaß des Emphysems quantifizieren zu
können. Am Beispiel der Verlaufsuntersuchung eines Patienten über 10
Jahre wurde deutlich, dass die Densitometrie auch bei einem individuellen
Patienten die Progression des Emphysems darstellen kann, selbst wenn
unterschiedliche Scanner verwendet worden sind ([Abb. 9 ]).
Abb. 9 Individueller Verlauf
der Lungendichte eines Patienten mit AATM.
Substitutionstherapie mit Alpha-1-Antitrypsin
Nach Diagnosestellung wird die Substitutionstherapie mit AAT in
der Klinik begonnen. Der Patient erhält zunächst wöchentlich die
Dosis von 60 mg/kg Körpergewicht. In Essen legt man großen
Wert auf eine sorgfältige Aufklärung des Patienten. Wichtig ist
insbesondere der Hinweis darauf, dass sich die Lungenfunktion nach der Infusion
nicht verbessern wird. Jeder Patient wird gebeten, sich ins Register aufnehmen
zu lassen, und wird auch über die Selbsthilfeorganisation
Alpha1-Deutschland informiert. Die ambulante Weiterbehandlung erfolgt
i. d. R. über den betreuenden Pneumologen oder Hausarzt. Mit
den wöchentlichen Infusionen soll erreicht werden, dass der
AAT-Serumspiegel dauerhaft über 11 µmol/l liegt. Dies wird
vier Wochen nach der ersten Infusion mit einer Messung des Talspiegels
überprüft. Der behandelnde Arzt erhält das Medikament direkt vom
Hersteller. Die Substitution mit Alpha-1-Antitrypsin stellt in Deutschland eine
Praxisbesonderheit dar, sodass das Medikamentenbudget der Praxis dadurch nicht
belastet wird.
Zusätzliche Medikamente und Maßnahmen
Patienten mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel müssen unbedingt das
Rauchen aufgeben. Die Raucherentwöhnung kann mit ärztlicher
Unterstützung und ggf. Nikotin-Ersatzstoffen erfolgen. Die pulmonale
Beteiligung wird mit lang- und kurzwirksamen Betamimetika, mit Anticholinergika
und mit inhalativen Steroiden behandelt. Die Patienten erhalten ein
Breitband-Antibiotikum verschrieben, um es beim Auftreten einer Infektion auch
ohne Konsultation eines Arztes einnehmen zu können. Auch das Management
pulmonaler Exazerbationen wird eingeübt. Die Betroffenen erhalten die
Empfehlung, sich gegen Influenza und Pneumokokken (und eventuell bald auch
gegen H. influenzae) impfen zu lassen. Junge Menschen werden gegen Hepatitis A
und B geimpft. Ab dem GOLD Stadium II wird die pulmonale Rehabilitation
veranlasst und der Patient dazu angeregt, ambulant am Lungensport
teilzunehmen.
Ambulante Langzeitbetreuung
Die Langzeitbetreuung in Essen umfasst die zweimal jährliche
Diagnostik mit kompletter Lungenfunktion, klinischer Chemie, abdomineller
Sonografie und Echokardiografie. Alle Patienten sollten an ein Alpha-1-Center
angebunden werden. Diese sind in Deutschland regional gut verteilt, sodass
jeder Patient in angemessener Fahrzeit Experten für
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel erreichen kann (
www.alpha-1-center.de ).
Im Krankheitsverlauf muss die Zahl der Exazerbationen registriert
und der Umgang des Patienten mit der Erkrankung beobachtet werden. Eine
Leberbeteiligung tritt bei etwa 10 % der Betroffenen auf. Wenn
eine Zirrhose besteht, muss sorgfältig auf die Entwicklung eines
hepatozellulären Karzinoms geachtet werden. Auch die Lungentransplantation
sollte man rechtzeitig in Betracht ziehen.
Die Verträglichkeit der AAT-Substitution hat sich auch
über viele Jahre als sehr gut erwiesen. Es treten extrem wenige
Nebenwirkungen auf, und der Abbruch der Therapie ist nur selten erforderlich.
Bei Patienten mit Venenproblemen kann es in seltenen Fällen sinnvoll sein,
einen Port anzulegen. Bei älteren Patienten, die eine
Rechtsherzdekompensation entwickeln, sollte die Infusionstherapie passager
unterbrochen werden bis die kardiale Funktion wiederhergestellt ist.
Auch nach 20 Jahren Alpha-1-Antitrypsin-Substitution bleiben noch
wichtige Fragen zu beantworten: Gibt es eine Altersgrenze für die
Substitution? Ist es sinnvoll, auch 75-jährige Patienten noch zu
substituieren? Sollte nach bilateraler Lungentransplantation weiterhin
substituiert werden? Ist die Inhalation von Alpha-1-Antitrypsin eine
Therapieoption für die Zukunft? Und schließlich: Wie machen wir die
Krankheit bekannter, damit mehr Betroffene diagnostiziert und in einem
früheren Krankheitsstadium behandelt werden können?
Zusammenfassung
In Deutschland werden derzeit ca. 900 Patienten mit humanem
Alpha-1-Antitrypsin (Prolastin® ) substituiert, die eine
insgesamt erfreuliche Therapietreue zeigen. Die Behandlung hat sehr wenige
Nebenwirkungen und ist sicher.
Interessenkonflikte
Interessenkonflikte
Die Autoren erhielten folgende Zuwendungen von Unternehmen oder
Organisationen, die finanzielle Vorteile von den im Manuskript dargestellten
Ergebnissen haben könnten: Jürg Hamacher erhielt Honorare
für Vorträge. Heinz Steveling erhielt Erstattung von
Reisekosten oder Teilnahmegebühren für einen Kongress oder eine
Fortbildungsveranstaltung sowie Honorare für
Vorträge. Claus Vogelmeier erhielt Erstattung von Reisekosten
oder Teilnahmegebühren für einen Kongress oder eine
Fortbildungsveranstaltung, Honorare für Vorträge, Unterstützung
für Forschungsvorhaben oder finanzielle Zuwendung für die Teilnahme
an einer Studie, Finanzierung von Mitarbeitern der Einrichtung sowie ein
Honorar für Beratertätigkeit. Gratiana Steinkamp erhielt
Erstattung von Reisekosten oder Teilnahmegebühren für einen Kongress
oder eine Fortbildungsveranstaltung sowie Honorare für
medizinisch-wissenschafltiches Publizieren.