Der Klinikarzt 2009; 38(3): 112
DOI: 10.1055/s-0029-1220658
MEDICA e.V.

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Serie „Interdisziplinarität in der Medizin” – Interdisziplinäre Betreuung von Patienten – eine medizinische und wirtschaftliche Notwendigkeit

Christoph Nies
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Korrespondenz

Prof. Dr. med. Christoph Nies

Klinik für Allgemein– und Viszeralchirugie Niels–Stensen–Kliniken Marienhospital Osnabrück

Bischofsstr. 1

49074 Osnabrück

Fax: 0541/3264256

Email: christoph.nies@mho.de

Publication History

Publication Date:
31 March 2009 (online)

Table of Contents

Die Spezialisierung in der Medizin schreitet immer weiter voran. Erst vor kurzem wurde die Weiterbildungsordnung in der Chirurgie geändert, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Statt der früher üblichen Ausbildung zum Facharzt für Chirurgie beginnt der Facharztanwärter nun nach einer zweijährigen gemeinsamen Anfangsphase der Weiterbildung (sog. common trunk) gleich mit der Ausbildung in einem Schwerpunkt (Viszeralchirugie, Thoraxchirurgie, Gefäßchirurgie etc.). Abgesehen von erheblichen Problemen in der Ausgestaltung der neuen Ausbildungsordnung war diese Entwicklung überfällig. Aber die Spezialisierung geht weiter. Die Viszeralchirurgie gliedert sich weiter in Spezialgebiete wie kolorektale Chirurgie, hepatobiliäre Chirurgie oder endokrine Chirurgie. Ähnliches gilt für andere Fachdisziplinen.

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Spezialisierung macht fachübergreifende Zusammenarbeit unverzichtbar

Diese Entwicklung führt dazu, dass der einzelne Arzt über eine immer größere Expertise auf einem immer kleineren Gebiet verfügt. Angesichts des immer größer werdenden Literaturangebots ist es auch kaum möglich, auf breiter Front alle entscheidenden Neuentwicklungen im eigenen Fachgebiet zeitnah zu verfolgen, geschweige denn die Literatur der Nachbardisziplinen ausreichend zu kennen. Eine sachgerechte Behandlung im besten Interesse des Patienten ist daher heute vielfach nur in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit möglich. Dazu müssen die häufig noch starren Abteilungsgrenzen verschwinden. Wie ein Patient behandelt wird, darf nicht dem Zufall überlassen werden, welcher Fachdisziplin z. B. die Schwester in der Notaufnahme einen Patienten zuordnet. Dies gilt für viele interdisziplinär zu behandelnde Krankheitsbilder wie z. B. die akute Pankreatitis, die Cholelithiasis oder das kolorektale Karzinom. Vielfach wird an die Möglichkeiten der anderen Fachdisziplin nicht gedacht oder die Expertise des Kollegen nicht genutzt.

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Ansätze zur Bereitschaft, Abteilungsgrenzen abzubauen

Der fachübergreifende Behandlungsansatz dokumentiert sich in einer Reihe von Entwicklungen der letzten Jahre bzw. des letzten Jahrzehnts. Interdisziplinäre Tumorkonferenzen sind heutzutage in fast allen größeren Krankenhäusern eine feste Einrichtung. Innerhalb kurzer Zeit können auch komplexe Tumorprobleme besprochen und ein konsentierter Behandlungsplan festgelegt werden, weil Vertreter aller beteiligten Disziplinen anwesend sind und die verschiedenen Optionen diskutiert werden können. Verschiedene Leitlinien der AWMF wurden interdisziplinär erstellt und sind daher gemeinsame Empfehlungen aller beteiligten Fachgesellschaften.

Auch die Einrichtung von sogenannten Bauchstationen ist Ausdruck der Bereitschaft, Abteilungsgrenzen abzubauen und in enger Zusammenarbeit mit dem gastroenterologischen bzw. chirurgischen Partner zum Wohle des Patienten Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Durch gemeinsame Visiten wird ein formalisiertes Konsiliarwesen überflüssig, Entscheidungen werden schneller getroffen und Aspekte der jeweils anderen Fachdisziplin können sofort berücksichtigt werden.

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Interdisziplinär zu behandelnde Krankheiten im Fokus von Krankenhausökonomen

Die wirtschaftlichen Engpässe im Gesundheitswesen machen die partnerschaftliche und vertrauensvolle interdisziplinäre Zusammenarbeit auch zu einer überlebenswichtigen Notwendigkeit für viele Krankenhäuser. Im Zeitalter der DRGs müssen die Liegezeiten von Patienten so weit wie möglich reduziert werden. Interdisziplinär zu behandelnde Krankheitsbilder stehen hier besonders im Fokus von Krankenhausökonomen. Wie häufig kam es vor, dass für einen Patienten mit einem kolorektalen Karzinom nach Abschluss aller Staging–Untersuchungen eine schriftliche Konsilanforderung an den Chirurgen geschickt wurde. Dieser kam möglicherweise erst am nächsten Tag, stellte die Operationsindikation, konnte jedoch keinen kurzfristigen Operationstermin vergeben, da kein entsprechender Platz im Operationsprogramm zur Verfügung stand. Nicht selten war auch eine ASS–Medikation nicht abgesetzt worden oder es wurden noch weitere Untersuchungen zur Risikoabklärung benötigt, die parallel zum Staging hätten erfolgen können. Eine frühzeitige gemeinsame Planung von Diagnostik und Therapie macht solche Ressourcenverschwendungen vermeidbar und ermöglicht es, entscheidende Rationalisierungsreserven zu heben.

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Abläufe lassen sich in Behandlungspfaden formalisieren

Derartige Abläufe lassen sich in Behandlungspfaden sehr gut formalisieren. Auch hier muss das Vorgehen von den beteiligten Fachabteilungen gemeinsam festgelegt, dann aber auch konsequent umgesetzt werden. Da es notwendig ist, Abweichungen von dem Behandlungspfad zu begründen, können Schwachstellen im System gut identifiziert werden. Zudem besteht in der Regel eine hohe Motivation, die festgelegten Zeitvorgaben einzuhalten.

Ohne jeglichen Zweifel ist heutzutage eine enge interdisziplinäre Kooperation bei der Patientenversorgung vor allem im Krankenhaus sowohl im Hinblick auf die Behandlungsqualität als auch im Hinblick auf die Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven ein absolutes Muss. In den meisten Institutionen wurden viele der genannten Veränderungen bereits realisiert.

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Prof. Dr. med. Christoph Nies

Klinik für Allgemein– und Viszeralchirugie Niels–Stensen–Kliniken Marienhospital Osnabrück

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49074 Osnabrück

Fax: 0541/3264256

Email: christoph.nies@mho.de

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