Z Orthop Unfall 2009; 147(2): 138-139
DOI: 10.1055/s-0029-1222534
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der idiopathische Klumpfuß - Behandlung nach Ponseti - eine 5-Jahres-Nachuntersuchungsstudie

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Publication Date:
12 May 2009 (online)

 
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Die Behandlung des angeborenen Klumpfußes nach der Ponseti-Methode ist in den 50er-Jahren von Dr. Ignazio Ponseti entwickelt und zu einem standardisierten Verfahren gemacht worden. Allerdings existieren bislang nur von Ponseti und seinen Mitarbeitern Behandlungsergebnisse über einen längerfristigen Zeitraum. Daher bestand das Ziel dieser retrospektiven Studie darin, mittelfristige Ergebnisse eines Nachuntersuchungszeitraums von mindestens 5 Jahren von 2 verschiedenen Zentren (Baltimore, USA; Afula, Israel) zu erheben.

Ponseti Treatment for Idiopathic Clubfoot, Minimum 5-year Followup, Clinical Orthopaedics and Related Research 2009 Jan 7 (Epub ahead of print)

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Studiendesign

In der Studie wurden 117 idiopathische Klumpfüße (n = 74, 26 Mädchen, 48 Jungen Abb. [1]), deren Behandlungsbeginn mit der Ponseti-Methode zwischen 1997 und 2002 lag, retrospektiv nachuntersucht. Die Evaluation erfolgte durch Auswertung der Krankenakten sowie durch Befragung der Eltern mittels eines standardisierten Fragebogens und durch klinische Untersuchung der Klumpfüße. Das mittlere Alter der Kinder bei der Erstvorstellung war 67,1 Tage. Der Nachuntersuchungszeitraum erstreckte sich zwischen 5 und 9 Jahren. Bei Behandlungsbeginn wurde das Ausmaß der Klumpfußdeformität unter Benutzung des Pirani-Scores erhoben.

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Abb. 1 Kongenitaler Klumpfuß beidseits bei einem 2 Tage alten Säugling. Man erkennt die Charakteristika eines Klumpfußes: Der Fuß ist in Relation zum Unterschenkel supiniert, der Vorfuß ist adduziert und in Relation zum Rückfuß proniert, die Ferse steht in Spitzfuß- und Varusstellung. Die sagittale Hautfalte medial am Übergang zum Mittelfuß ist ebenso wie die dorsale Hautfalte stark ausgeprägt. (Quelle: Westhoff B. et al. Der kongenitale Klumpfuß. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2008; 2: 95-114).

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Kommentar

Die vorliegende retrospektive Studie weist die Effektivität der Ponseti-Behandlung nach. 89% der untersuchten Klumpfüße zeigten ein gutes mittelfristiges Ergebnis mit einer erreichten Dorsalextension im oberen Sprunggelenk von 5° und mehr. Hierfür war kein oder ein nur geringfügiges chirurgisches Vorgehen mit Transfer der Sehne des M. tibialis anterior mit oder ohne Achillessehnenverlängerung erforderlich. Dennoch belegen die vorliegenden Daten, dass sich auch andere Redressionstechniken positiv auf die weitere Behandlung auswirken. Ein Rückschluss auf die Effektivität bzw. Ineffektivität alternativer etablierter Behandlungsmethoden ist so allerdings nicht möglich. Interessant wäre hier ein Vergleich mittelfristiger Ergebnisse sämtlicher Methoden, was jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Studie war. Wie von den Autoren treffend festgestellt, scheint irgendeine Behandlung effektiver zu sein als gar keine.

Dr. med. Doris Stüder

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Ergebnisse

89 % der untersuchten Klumpfüße zeigten ein gutes Ergebnis mit einer möglichen Dorsalextension im oberen Sprunggelenk von 5 ° und mehr. Das erreichte Bewegungsausmaß war unabhängig vom Alter des Kindes bei Behandlungsbeginn, obwohl der initiale Pirani-Score signifikante Unterschiede bei frühem oder spätem Behandlungsbeginn zeigte und bei letzterem deutlich niedriger lag. Entscheidend für den Behandlungserfolg ist eine konsequente Schienenbehandlung. Eine schlechte Schienenanwendung korrelierte mit der Notwendigkeit zusätzlicher chirurgischer Maßnahmen. Ebenso ergab sich ein Zusammenhang zwischen der zur Redression erforderlichen absoluten Anzahl der angelegten Gipse und zusätzlicher chirurgischer Maßnahmen. Auch ein initial erhöhter Pirani-Score korrelierte mit der Notwendigkeit der perkutanen Achillessehnen-Durchtrennung. Jedoch konnte kein Zusammenhang hergestellt werden zwischen zusätzlichem chirurgischem Vorgehen und initial erhöhtem Pirani-Score, Alter des Kindes bei erster Vorstellung, einer anderen vorhergegangenen Behandlung sowie Bewegungsausmaß (Dorsalextension im OSG) bei letzter Vorstellung. Die Auswertung der Eltern-Fragebögen ergab, dass die Zufriedenheit der Eltern unabhängig war von der durchgeführten Schienenbehandlung und dem Ausmaß der nach der Behandlung erreichten Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk (gemessen in Form der möglichen Dorsalextension).

Dr. med. Doris Stüder

Orthopädische Klinik der Med. Hochschule Hannover, Klinik II im Annastift

Email: doris.stueder@annastift.de

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Rezidivprophylaxe nach Ponseti

1. Korrektur der Hohlfußkomponente

Meist betrifft die Hohlfußkomponente lediglich das Metatarsale I. Zur Korrektur erfolgt die vorsichtige Mobilisation des Vorfußes in Supination mit Dorsalextension des 1. Strahls. Dabei wird ein geringer Gegendruck über dem prominenten lateralen Taluskopf ausgeübt. Anschließend wird ein Oberschenkelredressionsgips in Supinationsstellung mit Anheben des 1. Strahls und in maximal möglicher Abduktion/Außenrotation des Fußes bei 90 ° Knieflexion angelegt. Eine Korrektur der Equinuskomponente wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht durchgeführt. Die Plantarfaszie und der M. abductor sind beim Neugeborenen meist noch nicht wesentlich verkürzt, sodass die Hohlfußkomponente meist nach 1 - 2 Redressionsbehandlungen mit nachfolgendem Gipsverband korrigiert ist.

2. Korrektur der Varus- und Adduktionskomponente

Die Varus- und Adduktionsstellung sind bedingt durch eine Rotationsfehlstellung des subtalaren Gelenkkomplexes. Die Mobilisation erfolgt bei in Plantarflexion und Supination gehaltenem Fuß in Abduktion. Gegendruck wird über dem lateralen Taluskopf ausgeübt. Sobald das Navikulare, das Kuboid und der übrige Mittel- und Vorfuß in Relation zum Taluskopf nach lateral mobilisiert sind, folgt der anteriore Teil des Kalkaneus, sodass die Fersenvarusstellung korrigiert ist. Bei der Mobilisation darf die Ferse nicht fixiert werden, da sonst die Abduktion des anterioren Anteils des Kalkaneus in Relation zum Talus gehemmt wird. Anschließend wird erneut ein Oberschenkelredressionsgips in maximal möglicher Korrekturstellung in Equinusposition angelegt. Die Mobilisationsbehandlung soll 1-mal pro Woche durchgeführt werden. Angestrebt wird eine Überkorrektur des Fußes mit einer Abduktion/Außenrotation von 70 ° zur Dehnung der medialseitigen tarsalen Ligamente und Sehnen. Zur Korrektur sind ca. 4 - 5 Redressionsbehandlungen mit nachfolgenden Gipsverbänden notwendig.

3. Korrektur der Spitzfußkomponente

Die Spitzfußkomponente wird korrigiert, sobald die Ferse in Neutralposition steht. Dazu wird die Ferse nach distal mobilisiert mit Dehnung der Achillessehne, der posterioren Gelenkkapsel sowie der Bänder. Bei Mobilisation über den Mittelfuß besteht die Gefahr der Entwicklung eines Schaukelfußes. Nach ca. 3 weiteren Redressionen und Gipsverbänden sollte die Spitzfußfehlstellung korrigiert sein und eine Dorsalextension im oberen Sprunggelenk von mindestens 15 ° möglich sein. Andernfalls ist die Indikation zur subkutanen Achillessehnentenotomie gegeben, die in annähernd 90 % der Fälle indiziert ist. Der Eingriff kann in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Postoperativ wird der Fuß für weitere 3 Wochen in korrigierter Stellung mit 70 ° Abduktion / Außenrotation und 15 ° Dorsalextension ohne Pronation des Vorfußes im Ober-schenkelgipsverband fixiert.

4. Rezidivprophylaxe

Nach der Gipsabnahme wird der Fuß zur Prophylaxe eines Rezidives in einer Schiene fixiert (z. B. Dennis-Brown-Splint, Alfa-flex-Schiene). Es handelt sich um einen knöchelhohen Schuh mit besonderer Modellierung und Fixierung der Ferse über eine dynamische OSG-Lasche(Abb [2]). Der Schuh wird auf einer Schiene in 70 ° Außenrotation und 15 ° Dorsalextension montiert. Bei einseitigem Klumpfuß wird der gesunde Fuß in 45 ° Außenrotation auf der Schiene fixiert. Der Abstand der beiden Schuhe sollte so gewählt werden, dass die Distanz zwischen beiden Fersen dem Abstand beider Schultern entspricht. Die Schiene wird zunächst für 3 Monate 24 Stunden pro Tag getragen, dann jeweils zu den Ruhezeiten - im Säuglingsalter für ca. 12 - 16 Std., später nur nachts - für insgesamt 3 - 4 Jahre. Probleme mit der Compliance der Eltern sind häufig und führen zu einer hohen Rezidivrate.

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Abb. 2 Rezidivprophylaxe nach Ponseti. Nach der Gipsabnahme wird der Fuß zur Prophylaxe eines Rezidives mit einem Dennis-Brown-Splint oder einer vergleichbaren Orthese versorgt: Diese besteht aus einem knöchelhohen Schuh mit besonderer Modellierung (1) und Fixierung der Ferse über eine dynamische OSG-Lasche (2). Der Schuh wird auf einer Schiene in 70° Außenrotation und 15° Dorsalextension montiert. Bei einseitigem Klumpfuß wird der gesunde Fuß in 45° Außenrotation auf der Schiene fixiert (Quelle: Krauspe R, Westhoff B. et al. Der Klumpfuß, Thieme, 2006).

5. Rezidivbehandlung

Im Falle eines Rezidives ist eine erneute Gipsredressionsbehandlung indizier - auch bei bereits gehfähigen Kindern wird ein Oberschenkelgips in Knieflexion angelegt. Verbleibt ein Restspitzfuß ist eine erneute Achillotenotomie notwendig. Im Anschluss muss die Orthesenbehandlung konsequent fortgesetzt werden.

 
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Abb. 1 Kongenitaler Klumpfuß beidseits bei einem 2 Tage alten Säugling. Man erkennt die Charakteristika eines Klumpfußes: Der Fuß ist in Relation zum Unterschenkel supiniert, der Vorfuß ist adduziert und in Relation zum Rückfuß proniert, die Ferse steht in Spitzfuß- und Varusstellung. Die sagittale Hautfalte medial am Übergang zum Mittelfuß ist ebenso wie die dorsale Hautfalte stark ausgeprägt. (Quelle: Westhoff B. et al. Der kongenitale Klumpfuß. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2008; 2: 95-114).

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Abb. 2 Rezidivprophylaxe nach Ponseti. Nach der Gipsabnahme wird der Fuß zur Prophylaxe eines Rezidives mit einem Dennis-Brown-Splint oder einer vergleichbaren Orthese versorgt: Diese besteht aus einem knöchelhohen Schuh mit besonderer Modellierung (1) und Fixierung der Ferse über eine dynamische OSG-Lasche (2). Der Schuh wird auf einer Schiene in 70° Außenrotation und 15° Dorsalextension montiert. Bei einseitigem Klumpfuß wird der gesunde Fuß in 45° Außenrotation auf der Schiene fixiert (Quelle: Krauspe R, Westhoff B. et al. Der Klumpfuß, Thieme, 2006).