Der Klinikarzt 2009; 38(5): 217
DOI: 10.1055/s-0029-1225542
Medizin & Management

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Behandlungsfehler – Ansprüche gegen die Klinik und den Arzt

Klaus Schmidt
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Klaus Schmidt

Planegg

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Publication Date:
03 June 2009 (online)

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Im deutschen Zivilrecht ist als zwingende Voraussetzung für einen Haftungsanspruch eine sogenannte „Anspruchsgrundlage” notwendig. Diese ergibt sich z.B. aus dem Behandlungsvertrag. Ein solcher wird bei der Klinikaufnahme ausdrücklich, manchmal, etwa bei Notaufnahme, konkludent geschlossen.

Vertragspartner eines Behandlungsvertrags ist einerseits der Patient, andererseits der Krankenhausträger. Diese Konstruktion trifft in nahezu allen Fällen auf den gesetzlich versicherten Patienten zu. Man spricht vom „totalen Krankenhausvertrag”,erläuterte der Münchner Rechtsanwalt Roland Wehn, Geschäftsführer der Deutschen Ärzteversicherung, beim diesjährigen Internistenkongress in Wiesbaden. Begeht einer der Ärzte einen Behandlungsfehler, so wird der vertragliche Haftungsanspruch dem Klinikträger über eine „Zurechnungsnorm”, nämlich der des § 278 BGB, zugerechnet. Danach haftet derjenige, der einen anderen zur Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit bestellt hat, für das Verschulden des anderen wie für eigenes.Das bedeutet, dass der Arzt selbst in einem Prozess mit dem Patienten für vertragliche Ansprüche nicht in Betracht kommt, denn er ist im Gegensatz zum Klinikträger nicht Vertragspartner.

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Gespaltener Vertrag, gespaltene Haftung

Vertragsrechtlich gibt es 2 mögliche Varianten: Im gespaltenen Krankenhausvertrag schuldet das Krankenhaus nur Unterkunft, Verpflegung und pflegerisch/ärztliche Grunddienste (z.B. Stationsarzt im Nachtdienst), der Chefarzt dagegen unmittelbar Diagnose und Therapie. In diesem Modell tritt auch eine Spaltung der vertraglichen Haftungsansprüche ein, denn jeder der Vertragspartner haftet für seinen Risikobereich. Ein Verschulden der Pflegekräfte wird dem Klinikträger wieder über die Norm des § 278 BGB zugerechnet, ein Verschulden des Oberarztes der Privatstation aber dem Chefarzt, als dessen Erfüllungsgehilfe der Oberarzt tätig geworden ist. In diesem Modell muss die Haftung des Klinikträgers für etwaiges Verschulden der Ärzte der Privatstation ausdrücklich gegenüber dem Patienten ausgeschlossen sein, andernfalls haftet der Krankenhausträger neben den Ärzten der Privatabteilung für ein ärztliches Verschulden.

Beim totalen Krankenhausvertrag mit wahlärztlicher Zusatzvereinbarung schulden sowohl der Klinikträger als auch der Chefarzt vertraglich fachärztliche Behandlung. Häufig wird auch im Rahmen solcher Vertragskonstellationen im Aufnahmevertrag die Haftung des Klinikträgers für das Verschulden des Chefarztes bzw. seiner nachgeordneten Assistenten abgedungen.

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Deliktische Haftung

Daneben besteht die Haftung ohne Vertrag aus Gesetz, die sogenannte deliktische Haftung. § 823 BGB regelt die Schadenersatzpflicht: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, etc. eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Nach dem klaren Gesetzeswortlaut richtet sich der deliktische Anspruch im Gegensatz zum vertraglichen nicht oder zumindest nicht nur gegen den Vertragspartner, also das Krankenhaus oder den Chefarzt, sondern gegen jeden, der handelte.

Eine Haftung kann immer dann nach § 823 zugerechnet werden, wenn eines der dort genannten Rechtsgüter verletzt wurde; infrage kommen für den ärztlichen Bereich „Leben, Körper, Gesundheit” und eventuell für den Psychiater auch die „Freiheit”. Die Rechtsprechung hat im Medizinbereich mittlerweile einen objektiven Sorgfaltsmaßstab entwickelt. Fahrlässiges Verschulden liegt für den Bereich der medizinischen Haftung regelmäßig bereits bei einem „Abweichen vom fachärztlichen Standard” vor. Dieser Standard gilt für alle Facharztgruppen und auch für Nichtfachärzte und bezieht sich immer auf die jeweils vorgenommene Handlung. Ausnahmen und damit eine Herabsetzung dieses Standards sind nur dort zulässig, wo eine sorgfältige Vorsorge für diesen Standard nicht erwartet werden kann, sagte Wehn.

Widerrechtlich kann zweierlei bedeuten: die Behandlung ohne oder mit unzureichender Einwilligung, etwa nach einem Aufklärungsfehler, oder eine schlicht fehlerhafte, also nicht dem Standard entsprechende Behandlung, denn diese ist per se widerrechtlich. In der Regel sind daher Ansprüche in fast allen Haftungsfällen sowohl gegen den Vertragspartner als auch gegen den behandelnden Arzt denkbar.

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