Z Orthop Unfall 2009; 147(3): 282-283
DOI: 10.1055/s-0029-1225607
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Distale Radiusfraktur - Was tun mit dem Styloid?

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Publication Date:
23 June 2009 (online)

 
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Bei der osteosynthetischen Versorgung der distalen Radiusfraktur stellt sich häufig die Frage ob eine Versorgung des ulnaren Griffelfortsatzes erfolgen sollte. In dieser Arbeit wurde untersucht, inwiefern sich ein unversorgter Processus styloideus ulnae negativ auf das funktionelle Ergebnis einer Plattenosteosynthese der distalen Radiusfraktur auswirkt. Effect of an unrepaired fracture of the ulnar styloid base on outcome after plate-and-screw fixation of a distal radial fracture J Bone Joint Surg Am 2009; 91: 830 - 838

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Material und Methoden

Im Rahmen einer Beobachtung nach plattenosteosynthetisch versorgter distaler Radiusfraktur wurden retrospektiv zwei Matched-pair-Gruppen mit jeweils 76 Patienten gebildet. Die eine Gruppe bestand aus Patienten mit einer die Radiusfraktur begleitenden Fraktur des Ulnastyloids, die andere Gruppe diente als Kontrolle ohne Beteiligung der Ulna bei distaler Radiusfraktur. Die Gruppen wurden für Alter, Geschlecht, AO-Frakturtyp und Unfallmechanismus gepaart. Bei allen Patienten wurde innerhalb von zehn Tagen nach dem Unfall eine operative Frakturversorgung des distalen Radius mittels Plattenosteosynthese vorgenommen, der Processus styloideus blieb grundsätzlich unversorgt. Nach 6, 12 und 24 Monaten erfolgten Nachuntersuchungen, bei denen subjektiver Schmerz, Bewegungsumfang, Griffkraft und Funktionsscores (DASH, Gartland und Werley sowie SF 36) erhoben wurden.

Zusätzlich wurde bei allen Patienten mit einer unversorgten Läsion des Processus styloideus ulnae (n = 132), unabhängig vom Einschluss in die Matched-pair-Analyse, dem Einfluss des Dislokationsgrades des Styloidfragmentes auf das Behandlungsergebnis nachgegangen.

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Ergebnisse

Im Vergleich der beiden Gruppen zeigten sich in den Nachuntersuchungen nach 6, 12 und 24 Monaten keine signifikanten Unterschiede bei den untersuchten Parametern. In der Gruppe mit Styloidfrakturen war lediglich eine etwas geringere Griffstärke (- 8 %) nach 6 Monaten auffällig, konnte in den Folgeuntersuchungen aber nicht mehr nachgewiesen werden.

In der Untersuchung nach 24 Monaten stellte sich eine diskret schlechtere Beugefähigkeit (- 5 %) und geringere Ulnarduktion (- 4 %) nach 24 Monaten dar.

Bei der Untersuchung des Ausmaßes der Dislokation des Styloidfragmentes fanden sich 78 Patienten mit minimaler (< 2 mm) und 54 mit stärkerer (> 2 mm) Dislokation. Zwischen leicht und deutlicher dislozierten Fragmenten konnten in den Nachuntersuchungen ebenfalls keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der erhobenen Parameter festgestellt werden.

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Der Beitrag bezieht sich nicht auf distale Radiusfrakturen mit manifester Instabilität im distalen Radioulnargelenk: hier ist die Refixation des Proc. styloideus ulnae essenziell für die Wiederherstellung von Anatomie und Funktion (Quelle: Klinik und Poliklinik Rostock).

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Kommentar

Souer und Kollegen konnten in dieser Studie zeigen, dass erstens die Anwesenheit einer Läsion des Processus styloideus ulnae praktisch keinen Einfluss auf das Behandlungsergebnis einer plattenosteosynthetisch versorgten distalen Radiusfraktur hat und zweitens auch eine stärkere Dislokation des Styloidfragmentes keine entscheidenden Auswirkungen auf das postoperative Ergebnis hat.

Die Arbeit ist sauber konzipiert und nachvollziehbar strukturiert. Die in dieser Studie untersuchten Kohorten sind Untergruppen einer Multicenterstudie zur Plattenversorgung der distalen Radiusfraktur. Daher handelt es sich hinsichtlich der Frakturversorgung um eine homogene Patientengruppe mit guter Vergleichbarkeit der Gruppen untereinander.

Die kritische Diskussion, unter anderem des retrospektiven Charakters der Arbeit sowie insbesondere der fehlenden Beschäftigung mit der distalen radioulnaren Instabilität, fällt umfassend aus. Statistische Methoden werden im Detail diskutiert.

Es wäre interessant zu erfahren, ob die erst nach 24 Monaten festgestellte Reduktion von Beugefähigkeit und Ulnarduktion der Gruppe mit begleitender Fraktur des Ulnastyloids im weiteren Verlauf bestehen bleibt und eventuell weiter zunimmt. Hierzu wäre ein längerer Beobachtungszeitraum wünschenswert.

Zusammenfassend handelt es sich um eine aufschlussreiche Arbeit mit einer für den Kliniker relevanten Fragestellung. Aus der Untersuchung leitet sich tendenziell eine Empfehlung zur konservativen Therapie der Fraktur des Processus styloideus der Ulna im Rahmen einer plattenosteosynthetischen Versorgung des distalen Radius ab.

Dr. med. Philipp Herlyn

Dr. med. Philipp Herlyn

Chirurgische Klinik und Poliklinik Rostock

Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie

Email: philipp.herlyn@med.uni-rostock.de

 
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Der Beitrag bezieht sich nicht auf distale Radiusfrakturen mit manifester Instabilität im distalen Radioulnargelenk: hier ist die Refixation des Proc. styloideus ulnae essenziell für die Wiederherstellung von Anatomie und Funktion (Quelle: Klinik und Poliklinik Rostock).