Z Orthop Unfall 2009; 147(3): 285
DOI: 10.1055/s-0029-1225965
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rekonstruktion vorderes Kreuzband - Evaluation der femoralen Bohrkanalplatzierung

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Publication Date:
23 June 2009 (online)

 
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Die vorliegende Studie soll klären, welche Platzierung des femoralen Bohrkanals die bessere ist: transtibiales oder tiefes anteromediales Portal. Femoral bone tunnel placement using the transtibial tunnel or anteromedial portal in ACL reconstruction: a radiographic evaluation. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2009;17:220-227

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Einleitung

Die Platzierung des Transplantats stellt eine Schlüsselstellung bei der Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes dar. Unabhängig davon, ob eine Ein- oder Zweibündeltechnik angewandt wird, ist nur bei annähernd anatomischer Positionierung von einer korrekten Kniegelenkskinematik auszugehen. Bei der Platzierung des femoralen Bohrkanals durch den vorher geschaffenen tibialen Bohrkanal (transtibiale Technik) wird eine vermehrt unphysiologische Platzierung vermutet, wohingegen die Platzierung über ein tiefes anteromediales Portal eine eher anatomische Positionierung erreichen soll.

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Abb. 1 Anatomie des vorderen Kreuzbandes. Es werden funktionell 2 Faserbündel voneinander unterschieden, welche sich bei verschiedenen Gelenkstellungen unterschiedlich anspannen. Das anteromediale Bündel (AMB) inseriert bei ca. 41 % des sagittalen Tibiadurchmessers von anterior, das posterolaterale Bündel (PLB) bei ca. 51 %, also ungefähr im Zentrum des Tibiaplateaus. (Bildquelle: Ulmer M, Imhoff A.B. Bänderverletzungen am Kniegelenk, Teil 1. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2006; 4: 303-324).

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Studiendesign

Von 100 in die Studie eingeschlossenen Patienten erhielt die eine Hälfte eine Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes unter Platzierung des femoralen Bohrkanals durch das transtibiale, die andere Hälfte durch das tiefe anteriore Portal, wobei das Transplantat entweder das mediale Drittel des Ligamentum patellae oder Semitendendinosus / Gracilis-Sehne sein konnte. Bei beiden Gruppen wurde ein 9 mm breiter und 30 mm tiefer femoraler Bohrkanal über einen Zieldraht in einer angestrebten 10:30 / 1:30 Uhr-Position angelegt. Am ersten postoperativen Tag erfolgte eine a / p und seitliche Röntgenaufnahme des Kniegelenks in Streckung. Die Lokalisation des femoralen Bohrkanals wurde mit der graphischen Methode von Amis et al. bestimmt[1].

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Ergebnisse

Die Platzierung über das anteromediale Portal ergab eine signifikant höhere posteriore Positionierung des femoralen Bohrkanals. Wenn eine Toleranz von + / - 5 % akzeptiert wird, fanden sich 57,1 % der femoralen Bohrkanäle unter Verwendung der transtibialen Technik und 85,7 % unter Verwendung des anteromedialen Portals im von Amis et al. beschriebenen anatomisch korrekten Bereich [1]. In der frontalen Ebene ergab die transtibiale Technik eine signifikant steilere Angulation des femoralen Bohrkanals von 58,2 ° gegenüber 50,9 ° in der zweiten Gruppe.

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Kommentar

Die Ergebnisse dieser radiologischen Studie sprechen für die Verwendung des tiefen anteromedialen Portals zur Platzierung des femoralen Bohrkanals bei der Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes. Sie führt zu einer höheren Wahrscheinlichkeit, das Transplantat in anatomisch korrekter Lage zu positionieren. Darüber hinaus entfallen mögliche Limitationen, die durch die Orientierung des tibialen Bohrkanals bei der transtibialen Technik entstehen. Trotzdem berichten die Autoren, dass diese Technik einige Herausforderungen aufweist: Sie führe in einigen Fällen zu einer schlechteren Visualisierung der knöchernen Notch, erfordere spezielle Instrumentarien und könne zu einer verstärkten Angulation des Transplantats zwischen intraartikulärem Anteil und innerhalb der Bohrkanäle führen. Zusammenfassend favorisieren die Autoren aber die Verwendung des tiefen anteromedialen Portals. Anzumerken ist, dass die Evaluation lediglich mit einer einzigen radiologischen Technik nach Amis et al. durchgeführt wurde, so dass ggf. eine einseitige Betrachtung (bias) die Ergebnisse beeinflussen kann [1]. Wünschenswert wäre in diesem Fall eine Evaluation mit Hilfe anderer Methoden. Offen bleibt allerdings nach wie vor, ob die bessere anatomische Platzierung über das tiefe anteromediale Portal auch zu einer besseren physiologischen Kinematik des Kniegelenks führt. Es sollte daher eine klinische Studie angeknüpft werden, die diese Fragestellung näher beleuchtet.

PD Dr. med. Sven Ostermeier

PD Dr. med. Sven Ostermeier

Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover

Email: sven.ostermeier@annastift.de

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Literatur

  • 01 Amis AA . Beynnon B . Blankevoort L . et al . (1994) Proceedings of the ESSKA scientifc workshop on reconstruction of the anterior and posterior cruciate ligaments.  Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2 124-132
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Literatur

  • 01 Amis AA . Beynnon B . Blankevoort L . et al . (1994) Proceedings of the ESSKA scientifc workshop on reconstruction of the anterior and posterior cruciate ligaments.  Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2 124-132
 
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Abb. 1 Anatomie des vorderen Kreuzbandes. Es werden funktionell 2 Faserbündel voneinander unterschieden, welche sich bei verschiedenen Gelenkstellungen unterschiedlich anspannen. Das anteromediale Bündel (AMB) inseriert bei ca. 41 % des sagittalen Tibiadurchmessers von anterior, das posterolaterale Bündel (PLB) bei ca. 51 %, also ungefähr im Zentrum des Tibiaplateaus. (Bildquelle: Ulmer M, Imhoff A.B. Bänderverletzungen am Kniegelenk, Teil 1. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2006; 4: 303-324).