Der Klinikarzt 2009; 38(6): 267
DOI: 10.1055/s-0029-1233401
Bücher

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Zeitzeuge der Medizin: Im Gespräch mit Walter Siegenthaler - "Wer Internist werden will, muss gut sein"

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Publication Date:
29 June 2009 (online)

 
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    Peter Müller: Zeitzeuge der Medizin - Im Gespräch mit dem Internisten Walter Siegenthaler. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2009. 172 Seiten, 95 Abbildungen, gebunden. 39,95 Euro (D)/41,10 Euro (A)/67,90 CHF. ISBN 978-3-13-146861-1

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    Ein wissenschaftliches Werk zu rezensieren gehorcht immer einer gewissen Systematik. Zunächst wird der Aufbau des Buches geprüft, dann die Übersichtlichkeit der Gliederung. Ist bei "Vielmänner(Frauen)büchern" der einheitliche Duktus gewahrt oder folgt dieser in den einzelnen Kapiteln unterschiedlichen Regeln. Wie steht es um die Aktualität der wissenschaftlichen Aussagen. Ist das Buch schon beim Erscheinen veraltert. Sodann muss man sich mit der didaktischen Qualität des Buches auseinandersetzten, kommt das, was ausgesagt werden soll, sowohl sprachlich als auch in der Bebilderung und dem optischen Leitsystem durch das Buch herüber. Und letztlich auch, sind die Ausstattung des Buches, wie Papier- und Druckqualität im Verhältnis zum Preis angemessen. Am Ende dieser Prüfsequenz steht ein Urteil.

    Alles dies ist auf die Besprechung des Buches von Peter Müller über Prof. Dr. Walter Siegenthaler nicht anwendbar, da es auf Gesprächen von Peter Müller mit Siegenthaler, den Schilderungen von Zeitzeugen und Weggefährten beruht. Für mich als Rezensenten dieses Buches kommt hinzu, dass ich Walter Siegenthaler seit Mitte der 70er Jahre von den damaligen Kongressen der Bundesärztekammer in Davos kenne, ihn einmal im Jahr in der Regel anlässlich des Internistenkongresses in Wiesbaden treffe und daher eine persönliche Beziehung zur Person Siegenthaler habe. Daher kann ich die sehr feinfühlige Auswahl der Zeitzeugen und Weggefährten durch Peter Müller, die das Schaffen von Walter Siegenthaler begleitet haben und über ihn berichten, nur als ausgesprochen gelungen bezeichnen.

    Die Berichte über das Leben und die Person von Walter Siegenthaler charakterisieren den Menschen, den ich kennen lernen durfte und der mich nicht nur über seine unverzichtbaren Bücher als Student und später die Medizin ausübender Arzt beeinflusste. Immer noch denke ich daran, wie mir Walter Siegenthaler bei meinen ersten Gehversuchen in Davos - damals noch stud. med. - und als Hilfsreferent meines notfallmedizinischen Lehrers Christoph Biesing in ersten eigenen Vorlesungs- und Übungsteilen in der Notfallmedizin tätig, in seiner nie wieder anderswo erlebten Art Hinweise gab, wie ich Präzision der Aussage und Didaktik verbessern könne.

    Siegenthaler war immer präsent, streifte durch alle Vorlesungen und Seminare und hatte keinerlei Scheu in seiner klaren und präzisen Sprache im Schweizer Dialekt, höflich aber bestimmt, auch Ordinarien die Schweißperlen auf die Stirn zu treiben, wenn Aussage, Wissenschaftlichkeit und Didaktik seinen Anforderungen nicht genügten.

    Im ersten Teil des Buches wird die Karriere von Siegenthaler nach dem Medizinstudium in Zürich in der Schweizer Armee beschrieben. Ich glaube, dass planerische Disziplin, Klarheit der Gedanken, Beharrlichkeit und Erfolg bei der Umsetzung gesteckter Ziele in der akademischen Laufbahn von Walter Siegenthaler auch einen Schlüssel in der militärischen Ausbildung haben. Und so entwickelte sich eine stetig nach oben weisende akademische Laufbahn von Zürich über St. Gallen in die USA und wieder zurück nach Zürich, dann nach Bonn, wo er an der Medizinischen Klinik und Poliklinik der Universität Bonn das erste Ordinariat erhielt. 1971 wechselte er vom Rhein wieder an den Zürichsee, um dort den Lehrstuhl für Innere Medizin und das Direktorat des Departements für Innere Medizin der Universität Zürich zu übernehmen, von wo er 1991 emeritiert wurde. Die medizinischen Schwerpunkte Siegenthalers galten dem Elektrolythaushalt und dem Aldosteron, den Infektionskrankheiten und der Chemotherapie von Tumoren. Auch die beiden Bücher, die Walter Siegenthaler berühmt gemacht haben, erschienen in der Bonner und der Züricher Zeit: Die klinische Pathophysiologie und die Differenzialdiagnose Innerer Krankheiten. Diese Züricher Jahre waren besonders geprägt durch das Arbeitsteam Walter Siegenthaler mit seiner Frau Gertrud Zuber-Siegenthaler, die bis in die Feinheiten der Berufsausübung spürbar waren.

    Auch in der Außenvertretung der Inneren Medizin engagierte sich Siegenthaler. So war er 1983/1984 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und über 14 Jahre Präsident der Ludwig-Heilmeyer-Gesellschaft. 1981 wurde er auch in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt. Geradezu prophetisch warb Walter Siegenthaler für die Einheit der Inneren Medizin und dies zu Recht, wie die Ereignisse seit dem Deutschen Ärztetag in Rostock gezeigt haben.

    In der Fortbildung wurde er aktiv bei den Seminarkongressen der deutschen Bundesärztekammer in Davos. Nachdem diese besondere Idee der Fortbildung mit der anwesenden Familie wegen mangelhafter Weitsichtigkeit der Verantwortlichen eingestellt werden musste, hob Siegenthaler 1987 den Nachfolgekongress aus der Taufe.

    Die Emeritierung war für Walter Siegenthaler nicht etwa der Anlass sich zurückzuziehen. Im Gegenteil reist er noch viel und hat erkennbare Freude daran, sein Wissen und seine Erfahrung weiterzugeben.

    Die Biografie über Professor Dr. Walter Siegenthaler ist überaus lesenswert. Sie drückt vor allem Eines aus, den Unterschied zwischen Mediziner und Arzt. Für den Arzt stellt die Medizin das notwendige Wissen bereit, um dem Patienten ärztliche Kunst gepaart mit Zuneigung, zuteil werden zu lassen.

    Prof. Dr. med. Peter Knuth, Flörsheim

     
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