Leitlinien für Forschungsberichte?
Leitlinien für Forschungsberichte?
Um die Ergebnisse klinischer Studien richtig interpretieren und
bewerten zu können, benötigt der Leser präzise
Informationen zum Studiendesign, zur Durchführung der Studie
und zur Analyse der Daten. Im Gegensatz zu dieser vermeintlich selbstverständlichen
Forderung enthielten und enthalten nicht alle Publikationen die
Angaben, die zu einer kritischen Bewertung einer Studie notwendig
sind. Dies wurde seit Beginn der 1990er Jahre zunehmend offensichtlich,
als im Rahmen systematischer Übersichtsarbeiten die kritische
Bewertung publizierter Studienergebnisse Teil eines neuen Umgangs
mit der verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz wurde. Dieses nunmehr
fast 2 Jahrzehnte alte Konzept ist unter dem Namen „evidenzbasierte
Medizin” bekannt geworden. Mit dem Ziel, die Qualität
der Berichterstattung von randomisierten kontrollierten Studien,
dem Referenzstandard der therapeutischen Forschung, zu verbessern,
formierte sich in den 1990er Jahren eine internationale Arbeitsgruppe, bestehend
aus klinischen Forschern, Statistikern, Epidemiologen und Herausgebern
von medizinischen Fachzeitschriften, um gemeinsam das CONSORT-Statement
(„CON solidated S tandards of R
eporting T rials”)
zu entwickeln [3 ]
[27 ].
Diese erstmals 1996 veröffentlichte Leitlinie soll Autoren, aber
auch Fachgutachtern und Editoren bei der Berichterstattung bzw.
Bewertung von Berichten randomisierter kontrollierter Studien helfen.
Seitdem ist eine ganze Reihe Leitlinien für Forschungsberichte
(„Reporting Guidelines”) publiziert worden, um
verschiedene Studientypen oder medizinische Forschungsgebiete, aber
auch andere Aspekte wie die Dokumentation einer Literatursuche,
abzudecken. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die Berichterstattung über
medizinische Forschung transparenter und somit für den
Leser nachvollziehbarer zu machen. Gleichzeitig stellen sie eine
Zusammenfassung von wichtigen Prinzipien und Erfahrungswerten dar,
die zur Sicherung der Qualität von Fachartikeln beitragen.
Für die Autoren eines Manuskripts, das zur Publikation
in einem Fachjournal vorbereitet wird, sind diese Leitlinien wertvoll,
um eine transparente und umfassende Darstellung der Methodik und der
Studienergebnisse und so letztendlich eine gute Qualität
der Publikation zu erreichen. Verwenden Autoren eine auf ihre Studie
zutreffende Leitlinie, erleichtert dies die Beurteilung durch Fachgutachter
und Herausgeber. Etliche Journale orientieren sich bereits an diesen
Leitlinien. Entscheidend ist jedoch der spätere Nutzen
für die Leser, z. B. behandelnde Ärzte,
Gutachter, Gesundheitspolitiker oder anderer Entscheidungsträger
im Gesundheitssystem, die von einer transparenteren Berichterstattung
profitieren.
„Mehr Transparenz” ist ein hochgestecktes Ziel
für solche Leitlinien. Diese können jedoch nicht
auch die Qualität der eigentlichen Forschung sicherstellen.
Sie grenzen sich daher klar von Empfehlungen wie z. B.
den „Good Clinical Practice”-Dokumenten ab, die unmittelbar
die Qualität der einzelnen Studien sichern sollen. Während
diese oft einen gesetzesähnlichen, regulatorischen Charakter
haben, ist dies bei Leitlinien für Forschungsberichte nicht der
Fall. Konkret bedeutet dies, dass eine Publikation, die alle wesentlichen
Informationen beinhaltet (und damit die Kriterien einer Leitlinie
erfüllt), durchaus von einer Studie berichten kann, die methodische
Mängel aufwies und daher zu einer Fehleinschätzung der
Wirksamkeit einer Behandlungsmethode führte. Umgekehrt kann
eine nach hohen methodischen Standards durchgeführte Studie
sehr lückenhaft berichtet werden. Idealerweise werden sich Forschende
schon bei der Planung und Durchführung einer medizinischen
Studie an den wesentlichen Punkten einer zutreffenden Leitlinie
(oder gleichwertigen Empfehlung) orientieren. Auf diesem Weg können
die Leitlinien indirekt dazu beitragen, auch die eigentliche Studienqualität
zu verbessern.
Drei Leitlinien als Beispiel
Drei Leitlinien als Beispiel
Drei ausgewählte Leitlinien für Forschungsberichte
mit breitem Anwendungsbereich werden nachfolgend kurz dargestellt.
Je nach Fach- und Forschungsgebiet können auch andere Initiativen
und ihre publizierten Empfehlungen von gleicher oder größerer
Relevanz sein. In Tab. [1 ] wird eine Auswahl aktuelle Leitlinien
gezeigt. Die gegenseitige Abgrenzung erfolgt dabei nach Studientypen,
z. B. Interventions-, Beobachtungs- oder diagnostische
Studien.
Tab. 1 Übersicht
wichtiger Leitlinien für Forschungsberichte.
Leitlinie / Studiendesign
Publikationsjahr
Referenz
CONSORT-Statement für RCTs im Parallelgruppendesign
(www.consort-statement.org)
2001 (1996)
[1 ]
[27 ]
CONSORT-Statement für „cluster-randomised” RCTs
2004
[9 ]
CONSORT-Statement für „noninferiority
and equivalence” RCTs
2006
[32 ]
CONSORT-Statement für „herbal
interventions” RCTs
2006
[14 ]
[15 ]
CONSORT-Statement für nicht-pharmakologische
RCTs
2008
[7 ]
[8 ]
CONSORT-Statement für Nebenwirkungen
in RCTs
2004
[18 ]
CONSORT-Statement für „Journal
and Conference Abstracts” von RCTs
2008
[17 ]
STARD für diagnostische Studien
(www.stard-statement.org)
2003
[5 ]
[6 ]
STROBE für Beobachtungsstudien
(www.strobe-statement.org)
2007
[41 ]
[44 ]
STREGA für genetische Assoziationsstudien
2009
[22 ]
PRISMA für Meta-Analysen von RCTs
(vormals QUOROM)
2009 (1999)
[46 ]
[47 ]
[25 ]
MOOSE für Meta-Analysen von Beobachtungsstudien
2000
[39 ]
CONSORT-Statement
Kernstück des CONSORT-Statements (www.consort-statement.org)
ist eine Checkliste mit 22 Punkten, die der klassischen Struktur
eines Forschungsberichtes mit Titel, Abstrakt, Einführung,
Methoden, Ergebnissen und Diskussion folgt (Tab. [2 ]
). Der Schwerpunkt liegt auf dem transparenten
Berichten von Methoden und Resultaten einer randomisierten kontrollierten
Studie. So sollte aus dem Methodenteil des Artikels hervorgehen,
nach welchen Kriterien die Studienteilnehmer ausgewählt
wurden. Auch sollten präzise Angaben zu den Interventionen
in den Studiengruppen, zu den Zielgrößen (Outcomes),
zur Stichprobengröße, zum Randomisierungsverfahren,
zur Verblindung und zur statistischen Auswertung gemacht werden.
Der Ergebnisteil sollte ausreichende Informationen zur Rekrutierung
und den Charakteristika der Studienpopulation, oder auch zu zusätzlichen
Subgruppenanalysen und aufgetretenen Nebenwirkungen enthalten. Erste
Erfahrungen mit der Anwendung des CONSORT-Statements und die damit
ausgelöste fachliche Diskussion führten 2001 zur Veröffentlichung
einer überarbeiteten Version der Checkliste [2 ] und eines umfangreichen Begleitartikels,
der zu jedem Punkt Beispiele und Erläuterungen enthält [3 ]
. Das revidierte CONSORT-Statement
empfiehlt zudem ein Flussdiagramm, das die Zahl der Teilnehmer (inkl.
der ausgeschlossenen Personen) in allen Stadien einer Studie übersichtlich
darstellt (Abb.
[1 ]).
Tab. 2 Die
CONSORT-Checkliste.
Publikationsabschnitt
Beschreibung
Titel und Zusammenfassung
1
Zuordnung zu Therapiegruppen (z. B. „randomisierte
Verteilung”, „randomisiert”, oder „randomisierte
Zuweisung”).
Einleitung
Hintergrund
2
Wissenschaftlicher Hintergrund und Begründung
der Studie.
Methoden
Probanden/Patienten
3
Einschlusskriterien der Probanden/Patienten,
Studienorganisation und Ort der Studiendurchführung (z. B.
im Krankenhaus oder nicht-stationär).
Intervention/Behandlung
4
Präzise Angaben zu den geplanten
Interventionen jeder Gruppe und zur Durchführung.
Ziele
5
Genaue Ziele, Fragestellung und Hypothesen.
Zielkriterien
6
Klar definierte primäre und sekundäre
Zielkriterien und, gegebenenfalls, alle zur Optimierung der Ergebnisqualität verwendeten
Methoden (z. B. Mehrfachbeobachtungen, Training der Prüfer).
Fallzahlbestimmung
7
Wie wurden die Fallzahlen bestimmt und,
falls notwendig, Beschreibung von Zwischenanalysen und Kriterien
für einen vorzeitigen Studienabbruch.
Randomisierung
Erzeugung
der Behandlungsfolge
8
Methode zur Generierung der zufälligen
Zuteilung, einschließlich aller Einzelheiten (wie z. B.
Block-Randomisierung, Stratifizierung).
Geheimhaltung
der Behandlungsfolge
(allocation concealment)
9
Durchführung der Zuteilung (z. B.
numerierte Behälter; zentrale Randomisierung per Fax/Telefon).
Angabe, ob Geheimhaltung bis zur Zuteilung gewährleistet
war.
Durchführung
10
Wer führte die Zuteilung durch,
wer nahm die Probanden/Patienten in die Studie auf und
wer teilte die Probanden/Patienten den Gruppen zu.
Verblindung
11
Waren a) die Probanden/Patienten
und/oder b) diejenigen, die die Intervention/Behandlung
durchführten und/oder c) diejenigen,
die die Zielgrößen beurteilten verblindet
oder nicht verblindet. Wie wurde der Erfolg der Verblindung evaluiert?
Statistische
Methoden
12
Statistische Methoden zur Bewertung des
primären Zielkrieriums; weitere Analysen, wie z. B.
Subgruppenanalysen und adjustierte Analysen.
Ergebnisse
Ein- und Ausschlüsse
13
Anzahl der Studienteilnehmer für
jede durch Randomisierung gebildete Behandlungsgruppe, die a)
tatsächlich die geplante Behandlung/Intervention
erhalten haben, b) die Studie protokollgemäß beendeten, c)
in der Analyse des primären Zielkriteriums berücksichtigt
wurden (Darstellung in Flußdiagramm empfohlen; Beschreibung
von Protokollabweichungen mit Angabe von Gründen).
Aufnahme / Rekrutierung
14
Nähere Angaben über den
Zeitraum der Studienaufnahme der Probanden/Patienten und
der Nachbeobachtung.
Patientencharakteristika
zu Studienbeginn (baseline data)
15
Demografische und klinische Charakteristika
aller Gruppen.
Anzahl der ausgewerteten
Probanden / Patienten
16
Anzahl der Probanden/Patienten
(Nenner) in jeder Gruppe, die in die entsprechende Analyse eingeschlossen
wurden und Angabe, ob es sich dabei um eine „Intention-to-Treat” Analyse
handelt. Wenn möglich, Angabe der Ergebnisse in absoluten
Zahlen (z. B. 10 von 20, nicht 50 %).
Ergebnisse und Schätzmethoden
17
Zusammenfassung der Ergebnisse aller primären
und sekundären Zielkriterien für jede Gruppe und
die geschätzte Effektgröße sowie ihre
Präzision (z. B. 95 %-Konfidenzintervall).
Zusätzliche
Analysen
18
Angabe von weiteren Tests, insbesondere
von Subgruppenanalysen und adjustierten Analysen (mit Erklärung, ob
sie vorher geplant waren oder nachträglich durchgeführt
wurden).
Unerwünschte
Wirkungen
19
Angabe aller wichtigen unerwünschten
Wirkungen oder Nebenwirkungen innerhalb jeder Behandlungsgruppe.
Diskussion
Interpretation
20
Interpretation der Ergebnisse unter Berücksichtigung
der Studienhypothesen, möglicher Ursachen von Verzerrungen
(„Bias”) sowie Problemen durch multiples Testen
und multiple Zielkriterien.
Generalisierbarkeit
21
Generalisierbarkeit der Studienergebnisse
(externe Validität).
Bewertung der Evidenz
22
Allgemeine Interpretation der Ergebnisse
unter Berücksichtigung des aktuellen Forschungsstandes
und anderer Publikationen zur untersuchten Fragestellung.
Abb. 1 Flussdiagramm
des CONSORT-Statements.
Seit der Erstveröffentlichung im Jahre 1996 fand das
CONSORT-Statement eine immer stärkere Verbreitung. Dazu
trug auch die Unterstützung aus dem Publikationswesen durch
Vereinigungen wie dem „International Committee of Medical
Journal Editors” (ICMJE), dem „Council of Science
Editors” (CSE) und der „World Association of Medical
Editors” (WAME) bei. Mittlerweile empfehlen viele medizinische
Fachjournale die CONSORT-Checkliste, indem sie in ihren Autorenrichtlinien
darauf verweisen [16 ]. Etliche Erweiterungen
der ursprünglichen Checkliste stehen zur Verfügung
und haben so die Anwendbarkeit von CONSORT in verschiedenen Gebieten
beträchtlich verbessert (Tab. [1 ]
).
STARD-Statement
Der Bedarf, auch die Qualität von Berichten über
diagnostische Studien („diagnostic accuracy studies”)
zu verbessern, wurde Ende der 1990er Jahre erkannt und führte
zur STARD-Initiative (STA ndards for the R eporting of D iagnostic
accuracy studies; www.stard-statement.org). In mehreren Fachzeitschriften
wurde 2003 zeitgleich das STARD-Statement veröffentlicht [6 ]; wenige Monate später folgte
ein ausführlicher Begleitartikel [5 ].
Mit STARD werden Empfehlungen für Fachartikel gegeben,
in denen über diagnostische Studien berichtet wird, die
ein neues Testverfahren mit einem bestehenden Referenz-Standard
vergleichen. Ähnlich dem CONSORT-Statement empfiehlt auch
STARD, sich an einer Checkliste zu orientieren und anhand eines
Flussdiagramms die Patientenzahlen in den einzelnen Studienphasen
lückenlos zu dokumentieren. Besonderes Augenmerk gilt einer
detaillierten und transparenten Darstellung der Studienmethodik sowie
dem exakten Berichten der Studienergebnisse.
STROBE-Statement
Mit dem STROBE-Statement (St rengthening
the R eporting of Ob servational
Studies in E pidemiology; www.strobe-statement.org) wurde
erstmals auch eine Leitlinie für 3 der wichtigsten Typen
von Beobachtungsstudien vorgeschlagen und damit eine Lücke
in der Reihe bestehender Empfehlungen geschlossen. Die 2004 gegründete
Arbeitsgruppe beschränkte sich dabei bewusst auf Querschnitts-,
Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien. 18 der 22 Punkte der im Jahr
2007 in mehreren Fachjournalen veröffentlichten STROBE-Checkliste [44 ]
beziehen sich auf alle 3 Studiendesigns, während
4 Punkte in ihrem Wortlaut je nach Studiendesign angepasst wurden.
Wie CONSORT und STARD wurde auch das STROBE-Statement durch einen
umfangreichen Hintergrundartikel ergänzt, der zu jedem
Punkt Beispiele liefert und genauer auf die methodischen Herausforderungen
und Fallstricke von Beobachtungsstudien eingeht [41 ].
Parallel zur STROBE-Veröffentlichung entwickelte eine weitere
Arbeitsgruppe eine erste STROBE-Erweiterung für genetische
Assoziationsstudien, welche als STREGA-Statement im Frühjahr
2009 publiziert wurde [22 ].
Leitlinien – auch für systematische Übersichtsarbeiten
Generell haben systematische Übersichtsarbeiten und
Meta-Analysen als strukturierte, evidenzbasierte Zusammenfassungen
der vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnis stark an Bedeutung
gewonnen. Es ist daher nahe liegend, auch für diese Berichte
Empfehlungen zu erarbeiten, um Informationsgehalt und Qualität
sicherzustellen. Als erste solche Leitlinie wurde 1999 das QUOROM-Statement
(QU ality O f R eporting O f M eta-analyses) veröffentlicht,
das Empfehlungen für das Berichten von Meta-Analysen randomisierter
Studien enthält [25 ]. Eine überarbeitete
Version wurde im Sommer 2009 als PRISMA-Statement Preferred Reporting
Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses) veröffentlicht [46 ]
[47 ]
.
Mit MOOSE (M eta-analysis O f O
bservational S tudies
in E pidemiology) wurde 2000 auch eine Leitlinie
für Forschungsberichte von Meta-Analysen von Beobachtungsstudien
vorgeschlagen [39 ], interessanterweise
schon bevor (mit STROBE) eine eigentliche Leitlinie für
einzelne Beobachtungsstudien erstellt wurde. Für systematische Übersichtsarbeiten
und Meta-Analysen von diagnostischen Studien steht bisher keine
eigenständige Leitlinie zur Verfügung. Allerdings
wurde 2003 das QUADAS-Instrument (QU ality A ssessment of studies of D iagnostic A
ccuracy included in S ystematic
reviews) vorgelegt, mit dem diagnostische Studien bewertet werden
können [45 ]. Die kritische
Einschätzung solcher Studien gewinnt derzeit im Zusammenhang
mit so genannten „Diagnostic Test Accuracy Reviews” an
Bedeutung [21 ], die seit kurzem besondere
Aufmerksamkeit innerhalb der Cochrane Collaboration erfahren. Die
ersten systematischen Übersichtsarbeiten zur Diagnostik
wurden bereits in der Cochrane Library veröffentlicht.
kurzgefasst
Leitlinien für Forschungsberichte werden durch internationale
Arbeitsgruppen von klinischen Forschern, Statistikern, Epidemiologen
und Herausgebern von medizinischen Fachzeitschriften erarbeitet.
Leitlinien für Forschungsberichte sollen die Transparenz
und Vollständigkeit von Forschungsberichten verbessern.
Für die verschiedenen klinischen und epidemiologischen
Studiendesigns wie auch für systematische Übersichtsarbeiten
und Metaanalysen stehen entsprechende Leitlinien zur Verfügung.
Verbreitung und Wirkung
Verbreitung und Wirkung
Erklärtes Ziel der Leitlinien-Arbeitsgruppen ist eine
weite Verbreitung der Empfehlungen, da nur so eine spürbare
Verbesserung der Qualität der Publikationen und auch eine
Weiterentwicklung der publizierten Statements erreicht werden kann.
Die meisten Leitlinien-Artikel stehen auf den Webseiten der entsprechenden
Fachzeitschriften ohne Zugangsbeschränkungen zur Verfügung.
Etliche Initiativen verfügen sogar über eigene
Webseiten (Tab. [1 ] und Tab. [3 ]
), auf denen neben der eigentlichen
Leitlinie weitergehende Materialen wie spezifische Checklisten, Übersetzungen
und Hintergrundliteratur bereitgestellt werden. Obwohl Englisch
heute die „lingua franca” der Wissenschaft ist,
unterstützen die Initiativen aktiv die Übersetzung
der Leitlinien in andere Sprachen und deren Publikation in entsprechenden
fremdsprachlichen Fachzeitschriften. Das CONSORT-Statement wurde
bisher in 10, das STROBE-Statement in 7 verschiedenen Sprachen publiziert.
Die deutschen Übersetzungen dieser Leitlinien stellen beide
Initiativen sowie das Deutsche Cochrane Zentrum und die Fachzeitschriften,
die sie publiziert haben, auf ihren Webseiten zur Verfügung [28 ]
[43 ]
.
Tab. 3 Weitere
interessante Leitlinien für Forschungsberichte.
Studiendesign
Publikationsjahr
Referenz
Lebensqualität in Krebsstudien
2000
[20 ]
Partizipation in Fall-Kontroll-Studien
2002
[31 ]
Klinische Leitlinien
2003
[37 ]
TREND: Nicht-randomisierte Evaluation von „behavioral
public health interventions”
2004
[11 ]
CHERRIES: „Web-Umfragen”
2004
[13 ]
Fallserien
2005
[19 ]
Ökonomische Studien („economic
evaluations”)
2005
[12 ]
REMARK: Tumor-Marker in Prognosestudien
2005
[23 ]
STARLITE: Berichterstattung von Literatursuchen
2006
[4 ]
Randomisierte Arbeitsmedizin-Studien („occupational
health”)
2006
[24 ]
SQUIRE: „Quality Improvement”-Studien
2008
[10 ]
Jede „Qualitäts-Initiative” muss sich
die Frage stellen, ob sie objektivierbare Ergebnisse erzielt. Dies
gilt auch, wenn eine Zielgröße verbessert werden
soll, die wie die Qualität wissenschaftlicher Literatur
schwer messbar ist. In empirischen Studien wurde untersucht, ob
seit Publikation des CONSORT-Statements Verbesserungen in der Berichterstattung
von randomisierten kontrollierten Studien festgestellt werden konnten.
Bereits 1998, 2 Jahre nach Einführung des CONSORT-Statements, schnitten
Fachartikel in den 3 Zeitschriften JAMA, BMJ und The Lancet im Vergleich
zu Studien aus dem Jahr 1994 deutlich besser ab [26 ].
In einer systematischen Übersichtsarbeit von 2006 konnte
anhand von 8 Einzelstudien in unterschiedlichen Fachdisziplinen
gezeigt werden, dass seit Einführung des CONSORT-Statements
der Informationsgehalt von Artikeln bezüglich Randomisierung
oder Darstellung der Teilnehmerzahlen im Studienverlauf zugenommen
hatte [33 ]. Für jüngere
Leitlinien wie STARD und STROBE steht diese Art von „Nutzennachweis” noch aus.
Bei solchen Vorher-Nachher-Studien ist allerdings in Betracht zu
ziehen, dass auch andere Faktoren, die mit dem Vorhandensein einer
publizierten Leitlinie nicht oder nur indirekt in Zusammenhang stehen,
die Qualität der Berichterstattung positiv oder negativ
beeinflussen können.
Kritische Diskussion von Publikationsleitlinien
Kritische Diskussion von Publikationsleitlinien
Neben den positiven Reaktionen auf die Veröffentlichung
der Leitlinien [30 ]
[35 ]
[40 ]
wurde auch eine Diskussion über
Sinn, Zweck oder möglichen Schaden solcher Initiativen
ausgelöst. Dabei führten Kritiker Argumente ins
Feld, die hier nicht unbeachtet bleiben sollen.
Den Aktivitäten der einzelnen Leitlinien-Initiativen
wird oft die Freiheit der Wissenschaft gegenübergestellt,
die medizinischen Fortschritt erst ermöglicht. Leitlinien
für Forschungsberichte einerseits und Innovation in der
Entwicklung neuer Studienmethoden anderseits sind jedoch keine Gegensätze.
Es darf nicht aus den Augen verloren werden, dass mit Publikationen
als wichtigem wissenschaftlichen Kommunikationsmittel auch einer
ethischen Verpflichtung gegenüber den Teilnehmern von Studien
entsprochen wird, welche oft erhebliche Risiken und Einschränkungen
mit sich bringen. Um überhaupt nützlich zu sein,
müssen Forschungsergebnisse daher der Öffentlichkeit
zur Verfügung gestellt werden – und dies in bestmöglicher
Qualität. Dies allein rechtfertigt die aktuellen Anstrengungen
zur verbesserten Transparenz und Vollständigkeit von Studienberichten.
Die Leitlinieninitiativen haben erheblichen Aufwand betrieben, um
ihre Empfehlungen mit empirischen Daten über die Qualität von
Fachartikeln und anderer methodischer Evidenz zu untermauern. Trotz
des Anspruchs nach „Evidenzbasiertheit” stellt jede
Leitlinie zunächst den Konsensus einer Gruppe von Experten
zu einem bestimmten Zeitpunkt dar. Dabei bleibt unvermeidlich, dass
die Empfehlungen von persönlichen Meinungen und Erfahrungen
beeinflusst werden. Meist treffen schon im Rahmen der Konsensusfindung
unterschiedliche, teils nur schwer vereinbare Meinungen aufeinander [42 ]
. Richtigkeit oder Allgemeingültigkeit
der Leitlinie lassen sich nicht zwingend ableiten; die Leitlinien
haben genauso wenig einen offiziellen Charakter wie andere in der
Wissenschaft verbreitete Konzepte. Vielmehr sind solche Dokumente
als zum aktuellen Zeitpunkt bestmögliches Zwischenergebnis
zu verstehen, dessen potentielle Fehler oder Lücken später
revidiert werden müssen. Aus diesem Grund bieten viele
der Initiativen die Möglichkeit an, sich (z. B.
via Webseite) mit Kommentaren direkt an die Autorengruppe zu wenden.
Es wurde überdies vorgeschlagen, dass Leitlinien mit einem
Datum versehen werden sollten, an dem sie entweder außer
Kraft gesetzt oder, unter Einbezug neuer Erkenntnisse, überarbeitet
werden [36 ]. So könnte verhindert
werden, dass veraltete Leitlinien neuen Entwicklungen nicht mehr gerecht
und damit selbst zum Hindernis werden. Da auch die Methodik medizinischer
Studien fortlaufend weiterentwickelt wird, wurde befürchtet,
dass Leitlinien zu einer Art Standardisierung der Forschung führen.
Einige wenige, von Leitlinien propagierte Studiendesigns könnten
als „wissenschaftlich anerkannt” angesehen und
bevorzugt publiziert werden, während andere (noch) nicht
in den Kanon der vorhandenen Leitlinien aufgenommen wurden [34 ]. Dies könnte zu einer
Verlangsamung methodischer Weiterentwicklung oder gar Zementierung
des „Status quo” führen [36 ]. Sollten Autoren sich lediglich
auf den von Checklisten empfohlenen Inhalt konzentrieren, bestünde überdies
die Gefahr, dass in den Manuskripten die Besonderheiten der jeweiligen
Studie übergangen werden. Viele Herausgeber medizinischer
Fachzeitschriften empfehlen daher, dass sich Autoren an den Leitlinien
orientieren, um sicherzugehen, dass relevante Punkte nicht ignoriert
werden. Gute Argumente der Autoren, warum ein bestimmter Checklistenpunkt
auf ein konkretes Manuskript nicht anwendbar ist, sollten jedoch
nicht unberücksichtigt bleiben.
Neben dem Schreiben von Fachartikeln werden Leitlinien für
Forschungsberichte auch verwendet, um die methodische Qualität
von Studien zu bewerten. Wenn dies unkritisch, z. B. mithilfe
einfacher abgeleiteter Scoring-Instrumente geschieht, besteht die
Gefahr der Zweckentfremdung. Zwar können Leser (oder Autoren
systematischer Übersichtsarbeiten) durchaus Leitlinien-Elemente
zur Einschätzung der Wertigkeit einer publizierten Studie
verwenden. Bei der kritischen Beurteilung eines Artikels sollte
der Unterschied zwischen der Qualität eines Artikels und
der eigentliche Studie jedoch immer beachtet werden. Der Umgang
mit den hier vorgestellten Leitlinien und ihre Wirkung im wissenschaftlichen
Publikationsbetrieb muss auch weiter selbst Gegenstand von empirischen
Studien bleiben, um sowohl positive Effekte als auch mögliche
negative Auswirkungen erkennen zu können.
kurzgefasst
Leitlinien für Forschungsberichte stehen frei im Internet zur
Verfügung. Eine umfassende Übersicht bietet das EQUATOR-Netzwerk
(www.equator-network.org). Die Leitlinie für randomisierte
Studien (CONSORT) hat – empirisch belegt – bereits
zu einer Verbesserung von Berichten von randomisierten Studien beigetragen.
Zukünftige Untersuchungen werden helfen, den Einsatz von
und den Umgang mit diesen Leitlinien weiter zu optimieren.
Ausblick
Ausblick
Die oben skizzierte kritische Diskussion wird von den einzelnen Autorengruppen
und Initiativen ernst genommen und in der Weiter- und Neuentwicklung
von Leitlinien für Forschungsberichte beachtet. Im Jahr
2008 wurde das E nhancing the QUA lity and T ransparency O
f health R esearch
(EQUATOR) Netzwerk ins Leben gerufen (Abb.
[2 ]) [1 ]
[29 ]. Sein Ziel ist es, das transparente und
akkurate Berichten von Forschungsergebnissen im Gesundheitssektor
und die Diskussion darüber zu fördern [38 ]. Das EQUATOR-Netzwerk gibt auf
seiner Webseite www.equator-network.org eine Übersicht über
die verschiedenen Leitlinien und stellt weiterführende
Literatur und ein Online-Forum zur Diskussion zur Verfügung.
Zudem bietet EQUATOR Kurse und ein jährliches Treffen für
interessierte Kreise an, um das Bewusstsein für die Qualität
wissenschaftlicher Artikel im medizinischen Wissenschaftsbetrieb
zu schärfen.
Abb. 2 Webseite
des EQUATOR-Netzwerks (www.equator-network.org).
Konsequenz für Klinik und Praxis
Leitlinien für Forschungsberichte
helfen Autoren von Fachartikeln, vollständige
und transparente Berichte zu erstellen. Dies ist eine wesentliche
Voraussetzung für die kritische Bewertung von
Forschungsergebnissen durch den Leser.
Leser können sich bei der kritischen Evaluation
von Fachartikeln an diesen Leitlinien orientieren, um die Qualität
und Übertragbarkeit einer Studie einzuschätzen.
Autorenerklärung: Erik von
Elm ist Autor des STROBE-Statements und Mitglied der STROBE Koordinationsgruppe.
Die übrigen Autoren erklären, dass kein Interessenskonflikt
im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical
Journal Editors besteht.