Zeitschrift für Palliativmedizin 2009; 10(3): 136
DOI: 10.1055/s-0029-1241092
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Publication Date:
11 September 2009 (online)

 

Das Geheimnis des Lebens berühren.

Spiritualität bei Krankheit, Sterben, Tod: Eine Grammatik für Helfende

Erhard Weiher 2008, 357 Seiten, EUR (D) 24,80, Kohlhammer, Stuttgart

Wer im Krankenhaus, im Hospiz oder in anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens arbeitet, wird sich einer Erfahrung nicht entziehen können, die er in der Begegnung mit Patienten oder deren Angehörigen macht: "Das, was mir da eben begegnet ist, hat etwas mit Spiritualität zu tun" (21). Um Spiritualität geht es Erhard Weiher, Diplomphysiker und promovierten Theologen, Pfarrer an der Uniklinik Mainz, in der vorliegenden "Grammatik" für Begleiter von Kranken und Sterbenden. Wie schon in früheren Veröffentlichungen sieht sich der Autor der Frage verpflichtet, wie die spirituelle Innenseite in der beruflichen und ehrenamtlichen Begegnungspraxis überhaupt vorkommt und was die Helfer damit anfangen können. Ganz bewusst vermeidet der erfahrene Klinikseelsorger einen eng gefassten Begriff und macht deutlich, dass es hier um Spiritualität eines jeden Menschen geht, ob er sich nun als religiös versteht oder auch nicht. Diese anthropologische Weite lädt alle Interessierten ein, sich dieses existenziell wichtigen Themas anzunehmen.

In 3 Teilen und 7 Kapiteln präsentiert Weiher ein umfangreiches Handbuch, das man durchaus als eine Art Summa der eigenen langjährigen seelsorglichen Praxis und einer gründlichen theologischen Reflexion werten darf, wie auch als Frucht interdisziplinären Wirkens, gemeinsamer Kursentwicklungen, z.B. mit Ruthmarijke Smeding, und erfahrungs-bezogener Seminararbeit.

Weiher benennt als sein Anliegen, "in erster Perspektive ... bei allen beruflichen und mitmenschlichen Begegnungen dem Menschen, seinem Leben, Leiden und Sterben ein innerstes Geheimnis zu glauben" (339), das die Mitte aller fachlichen Bemühungen sein sollte, und schlägt vor, das "Geheimnis in der Mitte" sozusagen als philosophisches und anthropologisches Leitmedium für alle patientenbezogenen Berufe zu sehen. Als Christ und Theologe versteht er es aber eben auch, diese 1. durch eine 2., religiöse Perspektive zu erweitern, indem er das, was er immer wieder "Geheimnis" oder "innerste Mitte" von Mensch und Welt nennt, umgeben weiß von einer alles tragenden Kraft eines "unendlichen Geheimnisses", das religiöse Menschen "Gott" nennen.

Anker und Pfeiler der Argumentation, immer in klarer Begrifflichkeit, in Schaubildern oder Leitsätzen anschaulich dargeboten, ist das 2. Kapitel, das die Basismethoden der spirituellen Kommunikation vorstellt, die wiederum den praktischen Umgang mit den weiteren Themen erschließen. Herzstück dessen bleibt der vom Autor schon früher entwickelte sogenannte "Drei-Pass" der mitmenschlichen, Bedeutung erschließenden und rituellen Begleitung. Der Leser profitiert in fast allen Buchteilen von ausführlichen Literaturangaben, von mancherlei weiterführenden Querverweisen zu eher grenzwissenschaftlichen Fachgebieten, von interessanten Exkursionen zu theologischen Fragestellungen und schließlich auch vom Schlusskapitel, in dem Weiher eine "Ars moriendi" für heute, eine Kultur des Sterbens, anzeigt und engagiert anregt.

Sensibel nimmt der Seelsorger Weiher durchgehend die nachchristentümlichen Lebenswelten wahr und kann gerade so glaubende wie nicht glaubende, konfessionsgebundene wie religionsungebundene Leser ansprechen. Der Verfasser selbst bietet eine praktische Lesehilfe seines umfangreichen Handbuchs an, das durchaus auch in Auswahl gut lesbar und verständlich ist und sich sowohl für die gründliche Einzellektüre als auch als Grundlage für multiprofessionelles Arbeiten bestens empfiehlt. Die Lektüre wird sensibel machen für "spirituellen Schmerz" in seinen vielfältigen Facetten und den notwendigen Umgang damit, und sie kann zum Gewinn werden für die eigene "spirituelle Hygiene".

Dr. Wolfgang Klein, Köln

Seelsorger am Universitätsklinikum Köln

  • 01 Weiher E.. Spiritualität bei Krankheit, Sterben, Tod: Eine Grammatik für Helfende.  Kohlhammer, Stuttgart 2008