Pneumologie 2010; 64(3): 143-148
DOI: 10.1055/s-0029-1243920
Übersicht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Lage der Pneumologie in Deutschland: Status quo und Blick in die Zukunft[*]

The Position of Respiratory Medicine in Germany: Status Quo and Future OutlookH.  Teschler1 , W.  Seeger2 , C.  Vogelmeier3
  • 1Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum am Universitätsklinikum Essen gGmBH
  • 2Medizinische Klinik II und Poliklinik, Innere Medizin/Pneumologie, Gießen
  • 3Schwerpunkt Pneumologie, Universitätsklinikum Marburg, Marburg
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Prof. Dr. med. Helmut Teschler

Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum
am Universitätsklinikum Essen gGmBH

Tüschener Weg 40
45239 Essen

Email: Helmut.Teschler@Ruhrlandklinik.de

Publication History

Publication Date:
03 March 2010 (online)

Table of Contents

In diesem Jahr feiert die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) ihren 100. Geburtstag. Zeit also für eine Zwischenbilanz und einen Ausblick auf die Herausforderungen der kommenden Jahre. Von Niels Bohr – Nobelpreisträger für Physik im Jahre 1912 – stammt der viel zitierte Satz „Voraussagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen”. Die Autoren des nachfolgenden Beitrags sind sich dieser Problematik durchaus bewusst, wollen aber trotzdem vom Status quo ausgehend einen mutigen Blick in die Zukunft der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) wagen.

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Status quo

Die DGP ist eine Schwerpunktgesellschaft innerhalb der Inneren Medizin. Demzufolge kooperiert die DGP mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Weiter arbeitet die DGP mit den pneumologischen Regionalgesellschaften (Norddeutsche, Süddeutsche, Mitteldeutsche und Westdeutsche Gesellschaft für Pneumologie), dem Bundesverband der Pneumologen, der Atemwegsliga und der Deutschen Lungenstiftung zusammen. Traditionell bestehen gewachsene Kooperationen mit der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie, der Deutschen Krebsgesellschaft und den Fachgesellschaften in der Schlafmedizin. Im Augenblick laufen Bemühungen, eine intensive Zusammenarbeit mit der noch jungen Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Pneumologie aufzubauen.

Aktuell nehmen Lungenerkrankungen im Verhältnis zu anderen Erkrankungen der Inneren Medizin überproportional zu. Erkrankungen der Lunge und/oder der Atemwege sind bzgl. Morbidität, Mortalität ([Abb. 1]) und Kosten ([Abb. 2]) von großer Bedeutung [1].

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Abb. 1 Anteil der Lungenkrankheiten an der Mortalität in Deutschland im Jahre 2002. Quelle: Statistisches Bundesamt 2004 (modif. nach [1]).

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Abb. 2 Gesamtkosten der wichtigsten Krankheitsgruppen. Quelle: Statistisches Bundesamt, AOK, VDR, IMS, Kohlmeier et al. (modif. nach [1]).

So weisen Prognosen für die weltweite Mortalitätsentwicklung aus, dass 4 der 10 häufigsten zum Tode führenden Erkrankungen unser Fachgebiet betreffen ([Tab. 1]) [2].

Tab. 1 Die zehn weltweit häufigsten zum Tode führenden Erkrankungen. Vergleich 1990 mit den Schätzungen für 2020. Modifiziert nach Murray CJL, Lopez AD [2].
n
(Millionen)
% n
(Millionen)
%
Lungenkrankheiten
– Lungenentzündung
– COPD
– Tuberkulose
– Lungenkrebs
9,4
4,3
2,2
2,0
0,95
18,7
8,5
4,3
3,9
1,8
11,9
2,5
4,7
2,4
2,3
17,4
3,6
6,8
3,5
3,3
kardiovaskuläre Erkrankungen 6,3 12,4 11,1 16,2
zerebrovaskuläre Erkrankungen 4,4 8,7 7,7 11,3
alle Todesursachen 50,5 100,0 68,3 100,0

Die Bedeutung einzelner pneumologischer Krankheiten für die Gesundheitsversorgung ergibt sich besonders deutlich anhand der prognostizierten prozentualen Zunahme von Krankheiten pro 100 000 Einwohner bis 2050 ([Abb. 3]) [3].

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Abb. 3 Prozentuale Zunahme Erkrankter pro 100 000 Einwohner für 22 Krankheiten von 2007 bis 2050 (modif. nach [3]).

Diese Zahlen geben einen wichtigen Hinweis auf den zu erwartenden organisatorischen, personellen und finanziellen Bedarf im Bereich der qualifizierten pneumologischen Versorgung.

Die Einführung der Fallpauschalen (DRGs) im Krankenhaus hat die Bedeutung pneumologischer Erkrankungen für das Gesundheitswesen verdeutlicht. Außerdem gibt es Belege dafür, dass die Prognose von Patienten mit Lungenkrebs, COPD oder im Falle einer Langzeitbeatmung maßgeblich davon abhängt, ob der Erkrankte primär von einem Pneumologen behandelt wird oder nicht. Vor diesem Hintergrund lässt sich erklären, warum die Zahl der pneumologischen Abteilungen in Krankenhäusern der Regel- und Maximalversorgung in den letzten fünf bis zehn Jahren spürbar zugenommen hat.

Dieser erfreulichen Entwicklung steht ein Manko gegenüber: die immer noch mangelnde Repräsentanz unseres Fachgebietes an den deutschen Universitäten und den grundlagenorientierten Forschungseinrichtungen. Daraus resultieren Defizite hinsichtlich Lehre (mit entsprechenden Konsequenzen für den Stand des pneumologischen Wissens bei Studenten und Allgemeinärzten) und Forschung. Letzteres trifft für alle relevanten Teilbereiche zu: Grundlagenforschung, klinische Forschung und Versorgungsforschung.

Dabei bietet gerade unser Fachgebiet aufgrund der Besonderheiten des Organs Lunge eine breit gefächerte Palette an relevanten Forschungsfeldern, die von der Molekular- und Zellbiologie und der Physiologie bis zu Bildgebungsverfahren, Nanotechnologie und Mikroelektronik reichen.

Diese Situation erklärt zwanglos, warum die Angebote an qualifizierter pneumologischer Lehre für Studenten und die Betreuung von Doktoranden und Habilitanden bezüglich Anzahl und Qualität nicht dem gewünschten Standard entsprechen. Im Verhältnis zum wachsenden Bedarf defizitär ist ferner die fachspezifische Fort- und Weiterbildung außerhalb der Universitäten, zum Beispiel für Hausärzte, Internisten, nicht pneumologisch ausgebildete Fachärzte, aber auch für das medizinische Assistenzpersonal (z. B. Atmungstherapeuten, Physiotherapeuten, Medizin-Controller etc.). Dies hat wiederum zur Konsequenz, dass Kenntnisse bezüglich Prävention, Diagnostik und Therapie pneumologischer Erkrankungen in der deutschen Medizin bei Weitem nicht in dem Ausmaß vorhanden sind, wie es angesichts der aufgeführten epidemiologischen Fakten erforderlich wäre.

Eine Weiterentwicklung der deutschen Pneumologie in Klinik, Forschung und Lehre setzt eine konzertierte Aktion voraus:

  • Der Öffentlichkeit, den politischen Entscheidungsträgern und den Kostenträgern muss bewusst gemacht werden, welche Defizite in der pneumologischen Versorgung bestehen.

  • Den Patienten und Selbsthilfegruppen muss der Mehrwert einer Versorgung von Lungen- und Atemwegserkrankungen auf hohem Niveau verdeutlicht werden. Diese Bemühungen können nur dann erfolgreich sein, wenn belastbare Daten zur Versorgungsrealität erarbeitet werden.

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Nachwuchsförderung in Klinik und Forschung

Nur wenige Zukunftsaspekte lassen sich so sicher prognostizieren wie die Bedeutung einer konsequenten und strategisch geplanten Nachwuchsförderung in allen Sparten unseres Fachgebietes. Die Nachwuchsförderung ist der wichtigste Garant für die Weiterentwicklung und Konkurrenzfähigkeit der Pneumologie.

Was ist hierfür zu tun? Es muss uns gelingen, mehr Internisten in Ausbildung dafür zu gewinnen, sich mit pneumologischen Fragen zu befassen und/oder sogar den Weg in die Spezialisierung aufzunehmen. Unser Ziel muss sein, dass nahezu jeder Internist – gleich wo er seine Ausbildung durchläuft – mit pneumologischer Expertise konfrontiert wird. Weiter müssen wir eine suffiziente Zahl an qualifizierten Weiterbildungsplätzen bereitstellen – und zwar nicht nur an Universitätskliniken, sondern auch an nicht universitären pneumologischen Zentren. Hier scheint es ein Problem zu geben: Es besteht der Eindruck, dass pneumologische Fachkliniken dazu neigen, weniger Berufsanfänger einzustellen und mehr auf erfahrene Kollegen zu setzen, was für die einzelne Klinik vielleicht kurzfristig von Vorteil ist, für das Fach auf Dauer betrachtet allerdings deletäre Konsequenzen hat. In den universitären Abteilungen mit Schwerpunkt Pneumologie kommt es entscheidend darauf an, dass diese bezüglich Klinik, Lehre und Forschung ein hohes Maß an Aktivität entwickeln, um so die Wertschätzung für unser Fach im allgemeinen und speziell im akademischen Umfeld zu steigern.

Da mittlerweile mehr Frauen als Männer Medizin studieren, ist die gezielte Frauenförderung in der Pneumologie ein wichtiges Zukunftsthema. Auf diesem Gebiet können wir Pneumologen viel vom Weitblick der Gastroenterologen und Abdominalchirurgen lernen. Im Jahre 2007 wurde das Netzwerk Frauen in der Viszeralmedizin (FIV) gegründet. Der Verbund hat zum Ziel, die Berufs- und Karrierechancen von Frauen mit fachspezifischem Interesse zu verbessern. Die DGP wäre gut beraten, ähnliche Überlegungen für die Thoraxmedizin anzustellen und die Realisierung eines analog strukturierten Netzwerkes vorbehaltlos zu fördern.

Letztlich wird die DGP aus eigenem Antrieb nur dann weiter wachsen können, wenn es uns gelingt, genügend junge Kolleginnen und Kollegen für die Pneumologie zu interessieren und diese zu motivieren, sich in unserer wissenschaftlichen Fachgesellschaft und deren Gremien zu engagieren. Auch wenn die Mitgliederzahl der DGP durch die Mitgliedschaft von Medizinern aus anderen Bereichen (z. B. Arbeitsmedizin, Umweltmedizin, Onkologie, Thoraxchirurgie, Intensivmedizin etc.) und durch die Öffnung für medizinische Assistenzberufe in den letzten Jahren erfreulicherweise auf über 2700 angestiegen ist ([Abb. 4]), hängt die Zukunft der DGP insbesondere davon ab, ob in vermehrtem Maße innovative Pneumologen sowie profilierte Hochschullehrer und Forscher mit Interesse an pneumologischen Fragestellungen die Geschicke der Fachgesellschaft in den Sektionen und im Vorstand lenken.

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Abb. 4 Mitgliederentwicklung in der DGP von 1974 bis 2009.

Die Nachwuchsarbeit muss sich deshalb auch innerhalb der Fachgesellschaft intensiv darauf konzentrieren, geeignete und motivierte Kandidaten für die Mitwirkung in der DGP in einem frühen Stadium ihrer beruflichen Entwicklung zu identifizieren und danach intensiv und zielgerichtet für Tätigkeiten innerhalb der Fachgesellschaft aufzubauen. Außerdem müssen wir in Zukunft das enorme Potenzial profilierter älterer DGP-Mitglieder besser als in der Vergangenheit nutzen und diese in vermehrtem Umfang als Mentoren für die Realisierung unserer Ziele gewinnen.

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Was wir nicht über uns wissen, für die Gestaltung der Zukunft aber unbedingt kennen sollten

Um unser Fach bedarfsgerecht ausbauen zu können, sind Überlegungen notwendig, wie und wohin sich die Lungenheilkunde in den nächsten Jahren entwickeln könnte und welche Impulse für die Erreichung der postulierten Ziele notwendig sind.

Die Pneumologie wird sich ohne Zweifel mit Änderungen ihres derzeitigen Profils auseinandersetzen müssen. Neue Technologien wie die Schnittbildverfahren, Gen-Chips und andere molekularbiologische Methoden könnten sich in Zukunft als Alternativen zur konventionellen Endoskopie und mikrobiologischen Diagnostik entwickeln bzw. das Spektrum von Strategien für die Prävention benigner und maligner Lungenerkrankungen erweitern. Bereits heute liegen bedeutsame Schwerpunkte im stationären und ambulanten Bereich auf den Gebieten der Beatmungstechnologie, der interventionellen Pneumologie und in zunehmendem Umfang der Onkologie thorakaler Tumoren. Im stationären Bereich stellen die Infektiologie, die internistische Intensiv- und Notfallmedizin und die Palliativmedizin Disziplinen dar, denen sich die Pneumologie im Interesse der Patienten vermehrt widmen muss.

Der prognostizierte Anstieg des Lebensalters und die weite Verbreitung der Adipositas haben Auswirkungen auf die Pneumologie der Zukunft bei Erkrankungen wie der COPD, in der Beatmungsmedizin und im perioperativen Management dieser Patienten. Außerdem spielen schlafbezogene Atmungsstörungen insbesondere bei Herzkranken, Hypertonie, Diabetes mellitus und COPD eine bedeutsame Rolle. Weitere Brennpunkte der Pneumologie stellen problematische Infektionserkrankungen der Lunge dar, außerdem Konzepte für die palliative Versorgung von Patienten mit Lungenerkrankungen im Endstadium. Diese Aussage erscheint zunächst trivial, ist es aber bei genauer Betrachtung nicht, da bisher Palliativmedizin im Wesentlichen als Betätigungsfeld der Onkologen verstanden wird, was der Versorgungsrealität aber nicht gerecht wird.

Die pneumologische Onkologie wird allgemein als einer der herausragenden Schwerpunkte der künftigen pneumologischen Tätigkeit sowohl in der Klinik als auch in der Praxis angesehen. Dabei darf die pneumologische Onkologie nicht auf das Screening und die endoskopische Diagnostik/Behandlung maligner und prämaligner Veränderungen beschränkt bleiben. Die pneumologische Onkologie umfasst – nicht nur gemäß Musterweiterbildungsordnung – schwerpunktmäßig ebenso die medikamentöse Tumortherapie. Das bedeutet, dass auch in der Praxis tätige Kollegen eine entsprechende Expertise erwerben sollten.

Nicht nur unser theoretisches Wissen über immunologische Erkrankungen mit Lungenbeteiligung und von primären Erkrankungen des Lungenparenchyms nimmt ständig zu, sondern gegenwärtig werden von Pneumologen und ihren Partnern vielversprechende neue Therapiekonzepte erprobt.

Bei fast allen Organtransplantationen, insbesondere bei der Lungentransplantation und der Knochenmark- bzw. Stammzelltransplantation, spielen pulmonale Komplikationen eine zentrale Rolle. Um diesen Problemen gerecht zu werden, ist der Erwerb spezialisierter Kenntnisse für uns Pneumologen essenziell.

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Konsequenzen mit Blick auf die Zukunft

All diese Felder sind für die Wahrnehmung der Pneumologie und Beatmungsmedizin bei Patienten und in der Öffentlichkeit von immenser Wichtigkeit und verdeutlichen, wohin sich die Pneumologie der Zukunft entwickeln könnte. Doch verfügen wir über die personellen und strukturellen Ressourcen?

Der Vorstand der DGP räumt dem Thema „Entwicklung von Zukunftsperspektiven für die Pneumologie und Definition strategischer Handlungsfelder” höchste Priorität ein. Die Einrichtung einer Projektgruppe „Pneumologie der Zukunft” wäre z. B. ein richtungweisender Schritt. Am Anfang müsste die Durchführung einer Ist-Analyse der diagnostischen und therapeutischen Leistungen der Pneumologie in Klinik und Praxis stehen, um daraus Schlussfolgerungen und Empfehlungen formulieren zu können und diese dann auf kommenden Kongressen und in weiteren geeigneten Foren unserer Fachgesellschaft zur Diskussion zu stellen.

Diese Erhebung muss sich auf Klinik, Praxis und Forschungsbereiche erstrecken und belastbare Informationen liefern über die aktuelle Zahl der Pneumologen in Deutschland, über den Anteil der pneumologisch aktiven Kollegen, über die Zahl der weiterbildungsberechtigten Institutionen, die Zahl der Weiterbildungsplätze sowie über die Zahl der Pneumologen in Weiterbildung, ferner die Anzahl derjenigen, die in den letzten Jahren erfolgreich die Schwerpunktprüfung Pneumologie abgelegt haben. Außerdem sollte erfasst werden, welche Zusatzausbildungen von Pneumologen erworben werden und in welchem prozentualen Anteil Pneumologen über eine Doppel- bzw. Mehrfachqualifikationen (z. B. Pneumologie plus Kardiologie, Onkologie oder Rehabilitationsmedizin) verfügen.

Die Zukunft der Pneumologie hängt nicht nur davon ab, ob Internisten in genügender Zahl die Spezialisierung zum Pneumologen anstreben, sondern in entscheidendem Maße unter anderem auch davon, ob für nicht ärztliches Personal (Krankenschwestern, medizinische Fachangestellte, Physiotherapeuten) in ausreichendem Umfang Zusatzqualifikationen angeboten und wahrgenommen werden, die sich auf die berufliche Weiterentwicklung der Absolventen positiv auswirken.

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Forschungsförderung als Motor für Innovation und Wachstum in der Pneumologie

Die Zukunft der Pneumologie wird auch davon abhängen, ob und in welchem Umfang uns die Etablierung weiterer pneumologischer Abteilungen an den deutschen Universitäten gelingt und mit welchem Erfolg die vorhandenen Abteilungen sich in der universitären Forschungs- und Lehrlandschaft positionieren. Als wissenschaftliche Fachgesellschaft müssen wir uns wesentlich intensiver als in der Vergangenheit für eine gezielte Forschungsförderung des pneumologischen Nachwuchses an den Universitäten einsetzen, um unser Fach für junge Kliniker und Nachwuchswissenschaftler deutlich attraktiver und konkurrenzfähig zu gestalten.

Hilfreich wäre außerdem die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Forschungsförderung in der Pneumologie, deren Aufgabe darin besteht, regelmäßig über die verschiedensten Forschungsförderungsprogramme der Europäischen Union, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und anderer Institutionen zu informieren.

Darüber hinaus kann die Attraktivität der Pneumologie für Nachwuchswissenschaftler durch Unterstützung bei der Erstellung des Designs klinischer Studien oder sonstiger Forschungsprojekte und bei der Beantragung von Forschungsgeldern gefördert werden. Dabei könnte das Institut für Lungenforschung (ILF) eine zentrale Rolle spielen. Satzungsgemäße Aufgaben des ILF sind die Förderung der Pneumologie durch Beratung, Organisation und Durchführung von industrieneutralen klinischen Studien, die Erstellung von Datenbanken für die fachspezifische Versorgungsforschung, die Vernetzung forschender klinischer Einrichtungen sowie die Beratung bei der Erstellung von Forschungsanträgen, klinischen Studienkonzepten, biometrischen Fragestellungen und wissenschaftlichen Publikationen. Ein sehr effektiver Schritt der Forschungsförderung könnte auch die Einbindung von Mentoren in diesen Prozess sein, also von ideenreichen bzw. innovativen Pneumologen und Grundlagenforschern, die über umfangreiche Forschungserfahrung verfügen und diese uneigennützig als Beratungsleistung zur Verfügung stellen.

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Stärkung der pneumologischen Forschung in Deutschland

Im Zeitalter der evidenzbasierten Medizin muss die Pneumologie vermehrt die Durchführung multizentrischer, randomisierter Studien mit harten Endpunkten anstreben und daneben der fachspezifischen Versorgungsforschung sowie der Forschung in themenbezogenen Netzwerken breiteren Raum geben. Als Beispiel einer erfolgreichen Verbundforschung sei das CAPNETZ in der Pneumonieforschung genannt. Zukunftschancen ergeben sich in den kommenden Jahren unter anderem durch das BMBF-Kompetenznetz Asthma und COPD (ASCONET). Hier besteht erstmals die Möglichkeit, relevante Daten von großen Kohorten zu beiden Volkskrankheiten für Deutschland zu generieren und gleichzeitig die pneumologische Grundlagenforschung auf diesen Gebieten zu fördern.

Zentrale Felder einer erfolgversprechenden grundlagenorientierten Forschung der Zukunft umfassen beispielsweise die Inhalationstechnologie (z. B. Targeted Therapy), den Einsatz der Nanotechnologie, die Therapie pulmonaler Infektionen (z. B. jenseits der Antibiotika), die pulmonale Onkologie (z. B. Rolle der Entzündung für die Tumorentstehung, individualisierte Tumortherapie mittels Targeted Therapy) sowie die regenerative Pneumologie (Remodeling, Reverse Remodeling und In-vivo tissue engineering).

Bis heute sterben 10 – 15 % der Pneumoniepatienten trotz angemessener Antibiotikatherapie. Der Anteil antibiotikaresistenter Bakterienstämme nimmt weltweit zu, die Zahl neu entwickelter wirksamer Antibiotika hält aber keinesfalls Schritt mit dieser besorgniserregenden Entwicklung. Ein zukunftsweisendes Forschungsfeld in der Behandlung der Pneumonie stellt deshalb die Entwicklung neuer Therapiekonzepte unter Verzicht auf Antibiotika oder mit dem Ziel der Verstärkung oder Modulation der Wirkung dieser Substanzen dar. Strategisches Ziel der Forschung ist dabei die Aufdeckung organspezifischer molekularer Signalwege und zellulärer Interaktionen bei Infektion und Inflammation der Lunge und die Ausnutzung der molekularen Pathogenese zur Entwicklung neuer therapeutischer Strategien für die Behandlung der Pneumonie.

Beim Lungenkrebs kann die Aufdeckung der Interaktionen von Tumor und Entzündung zu erheblichen Fortschritten beitragen.

Ziel der regenerativen Medizin ist die Wiederherstellung von Struktur und Funktion geschädigter Zellen, von Gewebe oder Organe durch biologischen Ersatz oder Anregung körpereigener Regenerations- oder Reparaturprozesse. Bei den Wiederherstellungsprozessen muss zwischen dem Abbau, Umbau und Aufbau der geschädigten Strukturen unterschieden werden. Zukünftige Lösungsansätze für die Steuerung dieser Prozesse liefert unter anderem die Erforschung der Plastizität von adulten Stammzellen. Ist die Lungenregeneration aus dem Knochenmark denkbar? Welche Rolle spielen ortsständige Stammzellen? Lassen sich Ergebnisse der Lungenregeneration bei adulten Mäusen auf die Situation beim Menschen übertragen?

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Professionalisierung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin

Ob es der DGP gelingt, den international deutlich spürbaren Aufwind des Fachgebietes erfolgreich für die Weiterentwicklung der Pneumologie in Deutschland zu nutzen, wird maßgeblich von der Professionalisierung unserer Fachgesellschaft und der Gesellschaftsstrukturen, darüber hinaus aber auch vom besonderen Engagement einzelner profilierter Mitglieder zum Wohle des Ganzen abhängig sein.

Um die Effizienz der Vorstandsarbeit nachhaltig zu verbessern, ist die Einstellung eines hauptamtlichen Geschäftsführers notwendig. Die Nähe zur Politik ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Peumologie öffentlich in angemessenem Umfang wahrgenommen wird. Deshalb wurde auf der Grundlage der Beschlüsse der Mitgliederversammlung der DGP in Mannheim im März 2009 Ende des vergangenen Jahres das Hauptstadtbüro der DGP in Berlin eröffnet. Robert Loddenkemper hat sich bereiterklärt, das Hauptstadtbüro im Schulterschluss mit Präsident und Geschäftsführer der Gesellschaft federführend aufzubauen.

Dringend erforderlich ist zudem die Modernisierung der EDV-Plattform der DGP und eine zukunftsweisende Strukturierung und Pflege der Website. Die Internetpräsenz unserer Fachgesellschaft muss tagesaktuell organisiert werden, um so Inhalte der jüngsten Forschung und klinischen Entwicklung allen Mitgliedern und interessierten Laien zeitnah anbieten zu können. Weiteres Optimierungspotenzial besteht bei der webbasierten Verbesserung der internen Kommunikation unserer Mitglieder, der einzelnen Sektionen und Arbeitsgruppen untereinander und miteinander sowie mit unseren Kooperationspartnern. Mit Hilfe der optimierten EDV-Infrastruktur ließe sich darüber hinaus die webbasierte Fort- und Weiterbildung verbessern.

Ein weiterer Schwerpunkt auf dem Weg für eine zeitgemäße Professionalisierung der DGP muss im Ausbau der fachspezifischen Öffentlichkeitsarbeit liegen. Ziel muss sein, aktuelle Themen der Pneumologie aus Prävention, Diagnostik und Therapie sowie neueste Aspekte der Forschung aktuell und in ansprechender Form fachspezifisch sowie öffentlichkeitswirksam aufzubereiten.

Bleibt ein ganz zentraler Punkt: Wie soll das alles finanziert werden? Aktuell leben nahezu alle klinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften von den Überschüssen der Jahreskongresse, die wiederum im Wesentlichen durch die Standmieten und sonstigen Beiträge der ausstellenden Industrie zustande kommen. Ob diese Art der Finanzierung auch für die Zukunft Bestand haben kann (Stichwort: Interessenkonflikte), ist gegenwärtig nicht klar. Plausible Alternativen sind momentan allerdings nicht in Sicht. Professionelles Fundraising ist schon von vielen versucht worden, meist jedoch ohne nachhaltigen Erfolg.

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Nationale und internationale Kooperationen

Für eine erfolgreiche Zukunft der Pneumologie ist es notwendig, dass die nationalen pneumologischen Vereinigungen und Arbeitsgemeinschaften ihre Ziele und Aktivitäten aufeinander abstimmen und im Sinne einer Bündelung aller verfügbaren Kräfte agieren. Von mindestens ebenso großer Bedeutung ist die Intensivierung der schon heute engen Kooperation mit den internationalen Fachgesellschaften für Pneumologie, hier insbesondere der European Respiratory Society (ERS). So können über ERS-Stipendien interessierte Kollegen in deutsche Abteilungen mit pneumologischem Schwerpunkt kommen, um an Forschungsprojekten zu arbeiten oder sich klinisch fortzubilden. Auf diesem Weg können wir unsere internationale Rolle verbessern, Kontakte intensivieren und begabte Kollegen auch über die Landesgrenzen hinweg gewinnen.

Mittelfristig könnten auch Kooperationen mit asiatischen Fachgesellschaften bedeutsam werden. Die Zukunft der Pneumologie wird zudem abhängen vom Ausbau der Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie, der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin und nicht zuletzt mit den intensivmedizinischen Fachgesellschaften.

Eingeleitet haben wir diesen Beitrag mit dem Zitat „Voraussagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen”. Ob Niels Bohr mit diesem von Lebensweisheit geprägten Satz Recht behält oder ob wir die Zukunftsaspekte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin auf absehbare Zeit trefflich prognostiziert und zentrale Handlungsfelder aufgezeigt haben, die in den kommenden Jahren erfolgreich umgesetzt werden, müssen wir dem Urteil späterer Chronisten überlassen.

Prof. Dr. med. Helmut Teschler
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin 2007 – 2009

Prof. Dr. med. Werner Seeger
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie 2003 – 2005

Prof. Dr. med. Claus Vogelmeier
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin 2009 – 2011

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Literatur

  • 1 Fabel H, Konietzko N. Weißbuch Lunge 2005. 3. neu bearbeitete Auflage. Stuttgart, New York; Georg Thieme 2005
  • 2 Murray C J, Lopez A D. Alternative projections of mortality and disability by cause 1990 – 2020: Global Burden of Disease Study.  Lancet. 1997;  349 1498-1504
  • 3 Beske F, Katalinic A, Peters E, Pritzkuleit R. Morbiditätsprognose 2050. Ausgewählte Krankheiten für Deutschland, Brandenburg und Schleswig-Holstein. ISBN 978-3-88312-451-3. Kiel; IGSF 2009

1 Dieser Beitrag entspricht inhaltlich weitgehend dem Kapitel 9 der Chronik „100 Jahre DGP – 100 Jahre deutsche Pneumologie”, die 2010 von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin unter der Federführung von Rainer Dierkesmann, Nikolaus Konietzko, Robert Kropp, Robert Loddenkemper, Vera Seehausen, Bernhard Wiesner herausgegeben wurde.

Prof. Dr. med. Helmut Teschler

Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum
am Universitätsklinikum Essen gGmBH

Tüschener Weg 40
45239 Essen

Email: Helmut.Teschler@Ruhrlandklinik.de

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Literatur

  • 1 Fabel H, Konietzko N. Weißbuch Lunge 2005. 3. neu bearbeitete Auflage. Stuttgart, New York; Georg Thieme 2005
  • 2 Murray C J, Lopez A D. Alternative projections of mortality and disability by cause 1990 – 2020: Global Burden of Disease Study.  Lancet. 1997;  349 1498-1504
  • 3 Beske F, Katalinic A, Peters E, Pritzkuleit R. Morbiditätsprognose 2050. Ausgewählte Krankheiten für Deutschland, Brandenburg und Schleswig-Holstein. ISBN 978-3-88312-451-3. Kiel; IGSF 2009

1 Dieser Beitrag entspricht inhaltlich weitgehend dem Kapitel 9 der Chronik „100 Jahre DGP – 100 Jahre deutsche Pneumologie”, die 2010 von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin unter der Federführung von Rainer Dierkesmann, Nikolaus Konietzko, Robert Kropp, Robert Loddenkemper, Vera Seehausen, Bernhard Wiesner herausgegeben wurde.

Prof. Dr. med. Helmut Teschler

Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum
am Universitätsklinikum Essen gGmBH

Tüschener Weg 40
45239 Essen

Email: Helmut.Teschler@Ruhrlandklinik.de

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Abb. 1 Anteil der Lungenkrankheiten an der Mortalität in Deutschland im Jahre 2002. Quelle: Statistisches Bundesamt 2004 (modif. nach [1]).

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Abb. 2 Gesamtkosten der wichtigsten Krankheitsgruppen. Quelle: Statistisches Bundesamt, AOK, VDR, IMS, Kohlmeier et al. (modif. nach [1]).

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Abb. 3 Prozentuale Zunahme Erkrankter pro 100 000 Einwohner für 22 Krankheiten von 2007 bis 2050 (modif. nach [3]).

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Abb. 4 Mitgliederentwicklung in der DGP von 1974 bis 2009.