Pneumologie 2010; 64(5): 322
DOI: 10.1055/s-0029-1244179
Leserbrief

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Lungenkrankheit von Thomas Bernhard

The Lung Disease of Thomas Bernhard – Reality and FictionD.  Kirsten
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Prof. Dr. Detlef Kirsten

Krankenhaus Großhansdorf
Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie
Spezialsprechstunde für seltene Lungenerkrankungen und Sarkoidose

Wöhrendamm 80
22927 Großhansdorf

Email: DetlefKirsten@online.de

Publication History

Publication Date:
07 May 2010 (online)

Table of Contents #

Pneumologie 2010; 64: 111 – 114

Herrn Professor Wettengel dürfen wir herzlich danken für einen ausgezeichneten Artikel über die Krankengeschichten des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard in der Pneumologie [1] und ihre autobiografische künstlerische Verarbeitung. Dem Leser werden durch detailgetreue Schilderungen des Leidens und der Leidenszeit in Krankenhäusern und Heilstätten die Ansichten Bernhards suggeriert. Der Ansicht A. Maiers [2] zum bezweifelten Wahrheitsgehalt kann sicher aus medizinischer Sicht zugestimmt werden. Dass Bernhard die unproblematisch verlaufene Pleuritis exusativa mit folgender, ebenfalls für die damalige Zeit leicht verlaufende Tuberkuloseerkrankung mit einmaligem Rezidiv als Lebenskrankheit oder Todeskrankheit apostrophiert, spricht für sein phantasievolles Spiel mit eigenem Erleben. Die Sarkoidose wurde in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts nahezu ausschließlich in den Lungenkliniken behandelt, da bis in die heutigen Tage die Auffassung einer möglichen mykobakteriellen Ätiologie diskutiert wird. Für einen Teil der Erkrankten mag dies sogar zutreffen, wie die modernen Analysen des Kveim-Antigens zeigen [3]. Das Aufeinanderfolgen der Sarkoidose nach einer Tuberkulose beziehungsweise auch umgekehrt bei ein und demselben Individuum ist eine klinisch bekannte Tatsache. So verwundert es auch nicht, dass in der Familienanamnese von Sarkoidosepatienten gehäuft Tuberkulosen bei engen Verwandten erfragt werden können. Die Disposition für eine granulomatöse Reaktion des Organismus auf unterschiedlichste Antigene scheint vererblich zu sein. Extrem selten, aber in Fallberichten beschrieben und vom Verfasser schon beobachtet, gibt es sogar das gleichzeitige Auftreten von Sarkoidose und Tuberkulose bei einem Patienten. Bei Thomas Bernhard handelt es sich um das Aufeinanderfolgen von Tuberkulose und Sarkoidose mit einem Intervall von ca. 20 Jahren. Die zitierten Krankengeschichten zeigen, dass Thomas Bernhard an einer kardialen Manifestation seiner Sarkoidose mit Linksherzdekompensation verstarb. Wiederum war es nicht das von ihm angeklagte Organ Lunge, das ihm den Atem nahm. Der Ansicht, dass er 1967 an einer akuten Sarkoidose erkrankte, möchte ich jedoch – mit aller gebotenen Vorsicht – widersprechen. Von den klassischen Zeichen einer akuten Sarkoidose wie Arthritis, Erythema nodosum, hohem Fieber und allgemeiner Malaise ist nicht die Rede, vielmehr von einer bihilären Adenopathie, die mediastinoskopisch angegangen wurde. Auch die Folge der Herzbeteiligung spricht eher für den akuten Beginn einer chronischen Sarkoidose. Es gibt zwar auch bei der akuten Sarkoidose in seltenen Fällen eine Herzbeteiligung, diese verläuft aber ebenfalls gutartig ohne Chronifizierung und somit ohne progrediente Linksherzinsuffizienz. Auch in der Krankengeschichte Thomas Bernhards zeigt sich, dass die Lunge im Verlauf einer Sarkoidose oft nicht das Leitorgan der Prognose darstellt. Der Tod des Schriftstellers Thomas Bernhard in der therapieresistenten Herzinsuffizienz ist ein weiterer Beleg hierfür.

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Literatur

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