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DOI: 10.1055/s-0029-1244183
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Auswirkungen der Asbestfaserstaub-Exposition auf die Lungenfunktion – ein systematisches Review
Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Kraus
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin
RWTH
Aachen University
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen
Email: tkraus@ukaachen.de
Dr. med. K. G. Hering
Chefarzt a. D.
Klinik für
Radiologie
Knappschaftskrankenhaus
Wieckesweg 27
44309 Dortmund
Publication History
Publication Date:
14 July 2010 (online)
Pneumologie 2010; 64: 81 – 110
Baur und Wilken publizieren ein „systematisches Review”, das leider durch eine Reihe von methodischen Problemen gekennzeichnet ist. Es wird eine hochgradig selektierte Datenbasis verwendet, ohne die exakten Selektionskriterien (z. B. berücksichtigter Zeitraum der Publikationen) zu benennen. Damit fehlen u. a. grundsätzliche Diskussionen der methodischen Aspekte der wissenschaftlichen Bewertung der vorliegenden Fragestellung. Dies soll im Folgenden kurz an einigen Beispielen dargelegt werden.
Verwendung von Arbeiten auf der Basis von Röntgen-Thorax-Aufnahmen:
Die von Baur und Wilken angeführten Studien und die daraus entwickelten Theorien basieren vorrangig auf Studien mit Röntgenthorax-Aufnahmen ohne HRCT. Derartige Studien sind insbesondere für Fragestellungen von geringgradigen oder „fehlenden” Hinweisen auf Lungenveränderungen nur sehr eingeschränkt verwertbar. Folgende Gründe sprechen gegen die Verwendung von Studien, die nur auf Röntgen-Thorax-Untersuchungen basieren.
Eine hohe Anzahl von Pleuraplaques kann erst mittels des HRCT und/oder durch eine Obduktion verifiziert werden. Dies macht die Unterscheidung in Plaqueträger und Personen ohne Pleuraplaques in derartigen Untersuchungen (ausschließlich Röntgen-Thorax) fragwürdig. Damit steht die Verwendung von Ergebnissen bezüglich des Einflusses von Pleuraplaques auf die Lungenfunktion, die auf der Verwendung von Röntgen-Thorax basieren, generell zur Diskussion. Dem Röntgen-Thorax entziehen sich darüber hinaus auch geringgradige fibrosierende Lungenveränderungen. Somit sind Aussagen zur Verringerung der Lungenfunktion „alleinig” durch Pleuraveränderungen – insbesondere durch kleinere Pleuraplaques – aus derartigen Untersuchungen nicht zu sichern (Akira 1991, Kraus und Raithel, 1998, Clarke 2006, Friedman 1988, Roach 2002, ATS 2004, Neumann 2009, Delphi 2009).
Methodische Probleme der von Baur und Wilken ausgewählten Arbeiten:
Fehlende oder falsche Alters- und Raucheradjustierung, Zusammenfassung von Pleuraplaques und diffusen Pleurafibrosen und kleine Patientenkollektive lassen Aussagen insbesondere zu einer obstruktiven Komponente bei vermeintlich fehlendem Nachweis einer fibrosierenden Lungenveränderung (basierend auf Röntgen-Thorax-Aufnahmen) nicht zu.
Studien, die auf CT/HRCT-Basis beruhen (z. B. Van Cleemput 2001; Oldenburg 2000) werden fehlbewertet oder ignoriert:
Studien, die auf der Basis von HRCT-Befunden arbeiten (Van Cleemput 2001), führen aus „There was no significant correlation between either the presence or the extent of pleural plaques and the lung function parameters. These findings are in agreement with the opinion that moderate pleural plaques, in the absence of other asbestos-related disorders, have little or no effect on lung function tests.“
„Nur leichte Unterschiede in der Lungenfunktion bestanden zwischen den Gruppen mit und ohne Pleuraplaques (Wilcoxon-Rang-Summen-Test: p > 0,5). Gemäß den Jonckheere-Terpsta-Test gibt es keine Beziehung zwischen der Anzahl der Pleuraplaques und Lungenfunktionseinschränkung …” (Oldenburg 2000).
Bewertung der beruflichen Exposition:
Aspekte einer beruflichen Mischexposition (z. B. zusätzliche Expositionen gegenüber Schweißrauchen, Zementstaub, Staub allg.) werden unzureichend bzw. gar nicht bei der Interpretation der Daten gewürdigt. Damit entsteht leider ein monokausal orientiertes Gesamtbild, das den beruflichen Realitäten nicht entspricht.
Insgesamt handelt es sich aus oben dargelegten Gründen um eine unzureichende Grundlage, um den in Frage stehenden Sachverhalt umfassend und valide bewerten zu können. Gerade die Aspekte der methodischen Grundlagen und der Confounderanalyse müssen in zukünftigen Arbeiten differenzierter und systematischer bearbeitet werden.
Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Kraus
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin
RWTH
Aachen University
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen
Email: tkraus@ukaachen.de
Dr. med. K. G. Hering
Chefarzt a. D.
Klinik für
Radiologie
Knappschaftskrankenhaus
Wieckesweg 27
44309 Dortmund
Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Kraus
Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin
RWTH
Aachen University
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen
Email: tkraus@ukaachen.de
Dr. med. K. G. Hering
Chefarzt a. D.
Klinik für
Radiologie
Knappschaftskrankenhaus
Wieckesweg 27
44309 Dortmund