Mit einer jährlichen Inzidenz von 10-20/1 Mio. Einwohner, das entspricht ca. 1 200 Neuerkrankungen pro Jahr, gehören gastrointestinale Stromatumoren (GIST) zu den seltenen Tumorentitäten. Die Symptome wechseln je nach Tumorlokalisation. Sie sind häufig unspezifisch - unklare Abdominalbeschwerden und -schmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Blutungen und Anämie - und treten meist erst so spät auf, dass der GIST bei der Diagnose bereits im fortgeschrittenen Stadium und nicht mehr komplett resektabel ist.
Tyrosinkinase-Inhibitoren verbessern Überlebenszeit deutlich
Tyrosinkinase-Inhibitoren verbessern Überlebenszeit deutlich
Bis vor wenigen Jahren konnte die Onkologie Patienten mit GIST außer einer Operation wenig anbieten. Denn Chemo- und Strahlentherapie sind bei diesen Tumoren mit Ansprechraten unter 10 % praktisch unwirksam, berichtete Prof. Jörg Thomas Hartmann, Tübingen. Bei inkompletter Resektion betrugen die medianen Überlebenszeiten dabei unter 1 Jahr, die 5-Jahres-Überlebensrate lag bei unter 35 %.
GIST entstehen meist durch eine Mutation im Gen für den KIT-, seltener den PDGF-Rezeptor, die zur unkontrollierten, wachstumsfaktorunabhängigen Aktivierung der Rezeptor-Tyrosinkinasen und damit zu einem anhaltenden Zellwachstum führt. Die molekulare Aufklärung dieses Mechanismus erlaubte es, Wirkstoffe zu entwickeln, die gezielt dort eingreifen. Die Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) Imatinib und Sunitinib (Sutent®) blockieren beide Rezeptoren, sodass die Zellproliferation binnen 8-10 Stunden zum Stillstand gebracht wird. PET-Kontrollen zeigen einen massiven Rückgang der Glukoseaufnahme innerhalb weniger Tage von stark anreichernd auf nahe Null als Zeichen des reduzierten Zellwachstums. Dadurch konnten die Überlebenszeiten der Patienten deutlich verbessert werden.
Unterschiede in Rezeptorspektrum und -affinität
Unterschiede in Rezeptorspektrum und -affinität
Die beiden Tyrosinkinase-Inhibitoren unterscheiden sich in ihrem Rezeptorspektrum und ihrer -affinität, erläuterte Hartmann. Während Imatinib neben dem KIT- und den PDGF-Rezeptoren a und ß noch die bei der chronisch-myeloischen Leukämie relevante ABL-Tyrosinkinase blockiert, verfügt Sunitinib über ein deutlich erweitertes inhibitorisches Spektrum (Multikinase-Inhibition, u. a. auch der VEGF-Rezeptoren 1-3) und eine deutlich höhere Affinität zum KIT-Rezeptor. Daraus resultiert, dass Sunitinib vielfach auch dann noch wirksam ist, wenn der Tumor gegen Imatinib resistent ist.
Imatinib hat in den beiden Phase-III-Studien EORTC 62005 und S0033 das progressionsfreie Überleben von Patienten mit fortgeschrittenen GIST signifikant auf etwa das 5-Fache historischer Kontrollen verlängert, berichtete Hartmann. Zugelassen wurde es für die Erstlinientherapie bei metastasierten oder inoperablen GIST. Dabei wurde festgestellt, dass die Art der KIT-Mutation wesentliche Bedeutung für das Ansprechen auf diesen TKI hat: Gemessen am Gesamtüberleben zeigen Tumoren mit KIT-Exon-11-Mutation ein deutlich besseres Therapieergebnis als GIST mit Exon-9-Mutation oder Wildtyp-Tumoren. Bei Exon-9-Mutation kann das Therapieergebnis den Studien zufolge durch Dosisverdopplung verbessert werden, allerdings bei deutlich höherer Toxizität. Deshalb wird empfohlen, Patienten mit GIST vor der TKI-Behandlung einer Mutationsanalyse zu unterziehen.
Wird Imatinib unwirksam, wirkt Sunitinib
Wird Imatinib unwirksam, wirkt Sunitinib
Im Langzeitverlauf benötigt jedoch die Mehrzahl der Patienten eine andere Option, erklärte Dr. Marcus Schlemmer, München: Bei bis zu 15 % der Patienten erweist sich der Tumor als primär resistent gegen Imatinib, ca. 3 % vertragen den Wirkstoff nicht - obwohl die Verträglichkeit von TKI in der Hand erfahrener Ärzte in der Regel sehr gut ist, wie der Onkologe betonte -, und bei etwa der Hälfte kommt es binnen 2 Jahren unter Imatinib zur Tumorprogression.
Sunitinib ist die einzige zugelassene Option nach Imatinib-Versagen oder bei Imatinib-Unverträglichkeit. Es wirkt laut Schlemmer bei Wildtyp-Tumoren ebenso wie bei GIST mit Exon-9- und Exon-11-Mutation sowie bestimmten sekundären Mutationen anderer Exons. Daher könnte neben einer Dosissteigerung von Imatinib bei Resistenz auch eine Gabe von Sunitinib erwogen werden. In der randomisierten doppelblinden Zulassungsstudie wurden 243 Patienten mit fortgeschrittenem, Imatinib-resistenten GIST mit Sunitinib (50 mg/Tag über 4 Wochen, dann 2 Wochen Pause) behandelt, 118 Patienten erhielten Placebo.
Primärer Endpunkt war die Zeit bis zur Tumorprogression, die unter Sunitinib von 6,4 auf 27,3 Wochen mehr als vervierfacht wurde. Zugleich verlängerte sich das mediane Gesamtüberleben von 35,7 auf 73,9 Wochen, wenn für Crossover-Effekte adjustiert wurde, die durch den Wechsel mit Placebo behandelter Patienten nach Progression in die aktive Therapie entstanden waren.
Sunitinib bewährt sich auch unter Alltagsbedingungen
Sunitinib bewährt sich auch unter Alltagsbedingungen
Eine weitere offene Beobachtungsstudie prüfte die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Sunitinib an 1117 GIST-Patienten unter Alltagsbedingungen. Wie auch in der Phase-III-Studie erwies sich der TKI im Allgemeinen als gut verträglich - bemerkenswerterweise sogar besser als bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom (RCC), der anderen zugelassenen Indikation für Sunitinib. Insbesondere die Fatigue Grad 3-4, die beim RCC einen wichtigen Grund für die zweiwöchige Therapiepause im Zyklus darstellt, trat nur bei 8 % der Patienten auf und damit etwa so oft wie in der Zulassungsstudie.
Eine Erklärung für das Phänomen, dass der Wirkstoff bei unterschiedlichen Tumorentitäten ein unterschiedliches Nebenwirkungsspektrum aufweist, gibt es noch nicht, so Schlemmer.
Manuela Arand, Berlin
Der Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von Pfizer Oncology; Pfizer Pharma GmbH, Berlin.
Quelle: Fachpressekonferenz "Gastrointestinale Stromatumoren (GIST) - Basiswissen und neue zielgerichtete Therapieoptionen mit Sutent®" am 3. November 2009 in Berlin.
Die Autorin ist freie Journalistin.
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