Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2010; 17(1): 36-37
DOI: 10.1055/s-0030-1248762
DGMM-Mitteilungen

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Gesundheit auf See im Baltikum

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. Februar 2010 (online)

 
Inhaltsübersicht
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Bernd-Fred Schepers, Hamburg

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Clara Schlaich, Hamburg

Das "1st Baltic Sea Health Forum on Maritime, Environmental and Occupational Medicine" fand im November 2009 in der Handelskammer Hamburg statt. Die Ostsee verbindet die wohlhabenden Nationen im Westen und Norden mit den aufsteigenden Volkswirtschaften im Osten. Während die wirtschaftlichen Kennzahlen der Schifffahrt im Baltischen Raum hinreichend beschrieben sind, wissen wir wenig über das komplexe Zusammenspiel zwischen der Gesundheit und der Sicherheit von Beschäftigten an Bord und im Hafen, Umweltbelastungen durch den Seeverkehr und die Bevölkerung der Küsten.

Diese Themen waren Inhalt der wissenschaftlichen Veranstaltung, an der Gäste aus Finnland, Schweden, Dänemark, Polen, Norwegen, den Niederlanden, den Philippinen und Deutschland teilnahmen. Der Ausrichter des Symposiums war das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin in Kooperation mit dem und auf Initiative des "Baltic Sea Forum e. V." und der "Baltic Sea State Subregional Co-operation". Die Deutsche Gesellschaft für Maritime Medizin hat die Veranstaltung durch Beiträge ihrer Mitglieder unterstützt.

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Gesundheit und Wohlergehen von Seefahrern

Der Jurist Dierk Lindemann, Hamburg, hielt im Rahmen der Session 1 ("Health and wellbeing of seafarers. Implications of the maritime labour convention 2006 for the Baltic region") einen Vortrag. Das Seearbeitsübereinkommen von 2006 regelt alle Aspekte, die für ein menschenwürdiges Arbeiten und Leben von Seeleuten von Bedeutung sind, meinte Lindemann. Voraussichtlich werde es im Jahr 2011 in Kraft treten, nachdem jetzt bereits Liberia, die Marshall Islands, die Bahamas und zuletzt Panama sowie Norwegen das Abkommen ratifiziert haben.

Wie Prof. Heide Gerstenberger, Bremen, in ihrer soziologischen Analyse der Arbeit auf See beschreibt, gelängen autoritäre Führungsstrukturen an Bord oft nicht. Wegen der Fremdflaggen könnten Kapitäne selten auf nationales Arbeitsrecht zurückgreifen. Oft seien sie nicht durch den Reeder, sondern durch "Crewing Agencies" in Drittländern angestellt. Schiffsbesitzer würden nur sehr ungern der Heimführung eines Seemanns aus disziplinarischen Gründen zustimmen, da dies Kosten verursache. Nach den Forschungsarbeiten von Gerstenberger und Dr. Ulrich Welke, Bremen, seien deshalb weniger die disziplinarischen Maßnahmen als das "Führen durch Vorbild" für die Atmosphäre an Bord verantwortlich.

Wie Rev. Sakkari Lehmuskallio von der Seemannsmission in Finnland betonte, sei Armut unter Seefahrern Realität. Diese sei nicht nur ein Mangel an Geld, sondern entstände auch durch seelische Belastungen: Wenn es etwa der Familie zu Hause nicht gut gehe, leide auch der Seemann. Die Seemannsmissionen böten weltweit Gelegenheit, mit der Familie in Kontakt zu treten. Nach einer Umfrage unter Seeleuten läge das ideale Seemannszentrum direkt im Hafengebiet und biete freien Transport vom Schiff an.

Wie Prof. Bogdan Jaremin, Gdansk (Polen), darstellte, seien Seeleute Arbeitsmigranten, deren Situation durch eine eingeschränkte Verfügbarkeit medizinischer Versorgung, eingeschränkte Teilnahme am sozialen Leben, geringe Aufstiegschancen und geringe Jobsicherheit gekennzeichnet sei. Dr. Clara Schlaich, Hamburg, vom Port Health Center, ZfAM (Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin), und Seemannsdiakon Jan Oltmanns, Hamburg, vom Seemannsclub Duckdalben stellten ein Projekt zur anonymen und kostenfreien Gesundheitsberatung von Seeleuten im Seemannsclub Duckdalben vor.

Prof. Heide Gerstenberger: "There is, first of all, the one problem of present seafaring which is almost unanimously deplored: seafarers do feel lonely."

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Gefahr durch importierte Container

Prof. Xaver Baur, Dr. Alexandra Preisser und PD Lygia Budnik, Hamburg, vom ZfAM präsentierten in der Session 2 ("Hazards from imported containers") aktuelle Forschungen über die Häufigkeit und die Art von Containerbelastungen durch Begasungsmittelreste und toxische Chemikalien. Auf der Basis dieser Untersuchungen lassen sich jetzt zuverlässigere Gefährdungsanalysen vornehmen, die für den Schutz von Beschäftigten und Behörden von äußerster Bedeutung sind.

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Abb. 1 Prof. Heide Gerstenberger (links), Bremen, und Corinna Nienstedt von der Handelskammer Hamburg, in deren Räumlichkeiten getagt wurde.

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Abb. 2 Dr. Dierk Lindemann (links), Hamburg, und Dr. Alf Magne Horneland, Bergen (Norwegen).

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Abb. 3 Wissenschaftliche Kooperationspartner: PD Lygia Budnik (links), Hamburg; Prof. Bogdan Jaremin (Mitte), Gdansk (Polen); Dr. Marcus Oldenburg, Hamburg.

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Umweltverschmutzung und Gesundheit

Das Forum griff mit dem Thema "Health and environmental impacts of air pollution caused by ship fuels and emission gases from cooling systems" pro-aktiv den Umweltschutz im Kontext der Schifffahrt auf. Schiffsemissionen tragen zu einem erheblichen Teil zur Luftverschmutzung in Hafenstädten und zum Ozonabbau in der Stratosphäre bei. Wie Dr. Markus Salomon, Berlin, betonte, sieht der Sachverständigenrat für Umweltfragen einen dringenden Bedarf für bindende Regularien zur Einschränkung der NO2-Emissionen von Schiffen im europäischen Kontext.

Dr. Kai Trümpler und Dr. Karin Siegel, Hamburg, vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie präsentierten die IMO-Ballastwasser-Konvention (IMO: Internationale Seeschifffahrts-Organisa-tion). Sie hoben ihre Bedeutung für die Verhinderung der unkontrollierten Verbreitung von Schadstoffen, Pflanzen, Mikroorganismen sowie Meerestieren und den MARPOL Annex VI im Hinblick auf die Verminderung von Schiffsemissionen hervor. Dr. Stephan Hagens, Rotterdam (Niederlande), stellte eigene Untersuchungen zu Schiffsemissionen unter besonderer Berücksichtigung von FCKWs (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) vor. Auf Managementebene sei das Problembewusstsein für die Nutzung umweltfreundlicher Kühlsubstanzen oft noch nicht ausreichend.

Dr. Markus Salomon: "Still insufficient attention is given to atmospheric emissions from shipping compared with other polluters. If no further action is taken, NO2 emissions from this sector are likely to exceed those from land-based sources at some point in the future."

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Medizinische Versorgung an Bord

Im Rahmen der Session 4 ("Medical care on board ships") berichtete Dr. Joachim von Pritzbuer, Bremen, dass ein Schiffsarzt etwa bei AiDA Cruises neben einer Facharztausbildung Erfahrungen in der Notfallmedizin sowie ein "Basic Safety Training" durchlaufen muss. Vor allem muss er die Tätigkeit auch mit seinem Familienleben und seiner beruflichen Laufbahn an Land vereinbaren. Die Entwicklung hin zu immer größeren Kreuzfahrtschiffen mit bis zu 8000 Passagieren stellten komplexe Herausforderungen an die medizinische Versorgung.

Dr. Alf Magne Horneland, Bergen (Norwegen), betonte die Bedeutung der funkärztlichen Beratung für die medizinische Versorgung an Bord von Kauffahrtschiffen. Er warnte davor, einseitig nur auf technische Lösungen der Telemedizin zu setzen. Vielmehr müsse es eine inhaltliche Einheit von Ausbildung, medizinischer Ausstattung an Bord und telemedizinischer Beratung geben.

Ing. Christoph Sevenich, Hamburg, vom Port Health Center, ZfAM, stellte die Kurskonzeption für den medizinischen Wiederholungslehrgang in Hamburg vor. Wie er betonte, muss es darum gehen, die Entscheidungskompetenz für die Notfallsituationen zu stärken. Als zukünftige Herausforderungen benennt er unter anderem die internationale Harmonisierung der Lehrinhalte, die Einhaltung eines minimalen Intervalls von 5 Jahren für Wiederholungsschulungen und die praxisorientierte Themenauswahl.

Dr. Clara Schlaich, Hamburg

Ing. Christoph Sevenich, Hamburg: "Wir benötigen eine Harmonisierung der medizinischen Ausbildung von Seeleuten. Zunächst einmal in Deutschland, aber mit dem Ziel, zumindest EU-weit einheitliche Standards zu erreichen."

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Information

Die Dokumentation zu der Veranstaltung mit den Textbeiträgen und Vorträgen können Sie unter eMail: Rita.Siebert@bsg.hamburg.de anfragen.

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Beiträge und Veröffentlichungen

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c/o Hamburg Port Health Center, ZfAM

Seewartenstraße 10, Haus 1, 20459 Hamburg

eMail: info@maritimemedizin.de

 
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Bernd-Fred Schepers, Hamburg

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Clara Schlaich, Hamburg

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Abb. 1 Prof. Heide Gerstenberger (links), Bremen, und Corinna Nienstedt von der Handelskammer Hamburg, in deren Räumlichkeiten getagt wurde.

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Abb. 2 Dr. Dierk Lindemann (links), Hamburg, und Dr. Alf Magne Horneland, Bergen (Norwegen).

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Abb. 3 Wissenschaftliche Kooperationspartner: PD Lygia Budnik (links), Hamburg; Prof. Bogdan Jaremin (Mitte), Gdansk (Polen); Dr. Marcus Oldenburg, Hamburg.