Sprache · Stimme · Gehör 2010; 34(1): 31-38
DOI: 10.1055/s-0030-1249056
Schwerpunktthema

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Obstruktionen der oberen Atemwege und ihre Bedeutung für das Schlucken bei Neugeborenen[*]

The Implications of Upper-Airway Obstruction on Successful Infant FeedingC. K. Miller1 , J. P. Willging2 , Ins Deutsche übertragen vonArmin Steffen3
  • 1Division of Speech Pathology, Cincinnati Children's Hospital Medical Center, Burnet Avenue, Cincinnati, Ohio
  • 2Professor of Otolaryngology-Head & Neck Surgery, University of Cincinnati College of Medicine, Director, Interdisciplinary Feeding Team, Cincinnati Children's Hospital Medical Center, Cincinnati, Ohio
  • 3Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde und plastische Operationen, Lübeck
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Publication Date:
26 March 2010 (online)

Zusammenfassung

Die orale Ernährung bei Neugeborenen erfordert die suffiziente neurologische Abstimmung von Saugen, Schlucken und Atmung. Die schnelle Abfolge der oralen, pharyngealen und ösophagealen Phase des Schuckaktes muss mit der Atmung koordiniert werden. Bei Einengungen des oberen Atemweges durch anatomische oder physiologische Varianten können Störungen der Nahrungsaufnahme auftreten. Das Neugeborene ist im hohen Maße Störung der Koordination von Saugen, Schlucken und Atmung ausgesetzt. Eine nur langsame Nahrungsaufnahme und eine nicht sicher funktionierende Verhinderung einer Aspiration beim Schlucken können schwerwiegende Folgen sowohl hinsichtlich der bronchialen Funktionsfähigkeit als auch der adäquaten Gewichtszunahme nach sich ziehen. Der Stabilisierung und Sicherung der Atemwege hat beim Management von Obstruktionen höchste Priorität. Die Beurteilung hinsichtlich einer möglichen Beeinträchtigung des ungestörten oralen Fütterns kann zeitgleich mit der Beurteilung des Schweregrades der Atemwegsobstruktion erfolgen, oder sie im Anschluss an die medikamentöse oder chirurgische Intervention zur Atemwegssicherung durchgeführt. Die Diagnostik und die Therapieoptionen von Schluckstörungen werden von der benutzten Technik zur Offenhaltung der Atemwege bestimmt. Die klinische Beurteilung durch den Schlucktherapeuten umfasst die genaue Untersuchung der oralen sensorischen und motorischen Funktion, wobei auf klinische Hinweise für eine Schluckstörung geachtet wird und die sinnvolle Auswahl der zu benutzenden diagnostischen Technik zur Objektivierung der Schluck- und Atemwegssicherung erfolgt. Es können mehrere Therapiemethoden gleichzeitig zur Verbesserung der oralen Nahrungsaufnahme eingesetzt werden, sofern sie sicher und effizient sind. Neugeborene mit schwerwiegenden Schluckstörungen benötigen zu mindestens vorübergehend die ergänzende Ernährung per Magensonde und die non-nutritive orale Stimulation.

Abstract

Oral feeding in infants requires highly integrated sucking, swallowing, and respiratory sequencing controlled by the neurologic system. Rapid neuromuscular coordination of oral, pharyngeal, and esophageal phases of swallowing must be coordinated with respiration in the swallowing process. When obstruction is present in the upper airway secondary to anatomic or physiologic anomalies, disruption to the oral feeding process may occur. The infant will likely be unable to coordinate sucking and swallowing with breathing in an advantageous sequence. Inefficient feeding and difficulty with airway protection during swallowing may have serious implications regarding the infant's respiratory health as well as ability to gain weight adequately. A stable and patent airway is always the first priority in the management of the infant with upper-airway obstruction. Evaluation of the infant's potential for oral feeding may occur simultaneously with the initial evaluation of the degree of airway obstruction or it may occur following medical or surgical intervention for the airway obstruction. The evaluation process and management options for oral feeding will depend upon the method used to establish a patent airway. Clinical assessment by the speech-language pathologist includes a thorough assessment of oral sensory and motor mechanics, recognition of clinical signs and symptoms of swallowing dysfunction, and consideration of referral for instrumental assessment to obtain objective information regarding airway protection and swallowing function. A variety of medical and feeding interventions may be used to help support oral feeding to whatever extent is safe and efficient. Infants with significant oral feeding problems in the presence of airway obstruction may require a period of supplemental tube feeding and non-nutritive oral stimulation.

Literatur

1 Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine Übersetzung ins Deutsche von folgendem Originalartikel: Miller CK, Willging JP. The Implications of Upper-Airway Obstruction on Successful Infant Feeding. Semin Speech Lang 2007; 28 (3): 190–203.

Ergänzender Kommentar

Claire Kane Miller und J. Paul Willging liefern einen ausführlichen Überblick über die verschiedenen Ursachen für Störungen der Nahrungsaufnahme bei Säuglingen und Kleinkindern. Dabei stellen sie zugleich die enorme Bandbreite der therapeutischen Interventionen dar, welche nicht nur, aber eben auch chirurgische Maßnahmen umfasst. Die hier aufgezeigten Therapieansätze gelten mit gelegentlichen Einschränkungen auch im europäischen Versorgungssystem, jedoch ist hier das ärztliche Behandlungsteam anders aufgestellt. So sind, abhängig vom jeweiligen Zentrum und der Fokussierung der dortigen Ansprechpartner, die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen auf mehrere Fachdisziplinen aufgeteilt: die Pädiater bzw. Neonatologen selbst, Radiologen, Phoniater, HNO-Ärzte, MKG-Chirurgen, Gastroenterologen und Pulmologen. Die Herausforderung an sich ist es, die Schluckstörung an sich zu erkennen in ihrer Gefahr für den Atemweg und im interdisziplinären Ansatz einen Diagnostik- und Therapieplan zu erstellen. Die Integration von nicht-ärztlichen Behandlern und vor allem der Eltern hilft, ein alltagstaugliches, tragfähiges Behandlungskonzept zu entwerfen, welches auch Komplikationen übersteht oder Therapiewechsel erklärt. Eine kindliche Tracheotomie muss anders konzipiert sein als bei Erwachsenen, geübte Schlucktherapeuten können auf Basis solider Diagnostik PEGs vermeiden und neue Modifikationen der Mandibuladistraktion können Kleinkindern den Alltag erleichtern. Obwohl durch die hohe Individualität der Fälle klassische Evidenz schwer zu erreichen ist, können in einer intensiven interdisziplinären Kooperation auf diese Weise viele zuvor nicht erhoffte Ergebnisse erreicht werden.

Armin Steffen, Lübeck

1 Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine Übersetzung ins Deutsche von folgendem Originalartikel: Miller CK, Willging JP. The Implications of Upper-Airway Obstruction on Successful Infant Feeding. Semin Speech Lang 2007; 28 (3): 190–203.

Korrespondenzadressen
Originalarbeit

Claire Kane MillerPh.D. 

Division of Speech Pathology

Cincinnati Children's Hospital

Medical Center

Pavilion 2–12,

Mail Location 4011

3333 Burnet Ave.

Cincinnati, OH 45229

Email: claire.miller@cchmc.org

Deutsche Übertragung

Dr. med. Armin Steffen

Klinik für Hals-, Nasen-,

Ohrenheilkunde

und plastische Operationen

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

Email: armin.steffen@uk-sh.de