Der Klinikarzt 2010; 39(2): 62-63
DOI: 10.1055/s-0030-1249722
Recht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Private Internetnutzung

Fristlose Kündigung eines Chefarztes zulässig!
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Korrespondenz

Dr. jur. Isabel Häser

Rechtsanwältin Ehlers, Ehlers und Partner

Widenmayerstr. 29

80538 München

Publication History

Publication Date:
01 March 2010 (online)

 
Table of Contents

Spricht ein Arbeitgeber die Anweisung aus, das Internet am Arbeitsplatz nicht zu privaten Zwecken zu nutzen, kann dies bei Verstoß eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (Arbeitsgericht Hamm, Urteil vom 12.03.2009, Az.: 5 Ca 1757/08, nicht rechtskräftig). Hier nutzte der Arzt das Internet von seinem Arbeitsplatz aus, um sexuelle Verhältnisse mit ehemaligen Patientinnen bzw. deren Angehörigen anzubahnen.

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Der Fall

Gegenstand des Urteils war eine Klage eines Chefarztes (für Gynäkologie und Geburtshilfe) gegen seinen Arbeitgeber (das Krankenhaus), weil das Krankenhaus ihm das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hatte. Anlass für die Kündigung war, dass der Arzt sexuellen Kontakt zu mindestens 2 Patientinnen gehabt hatte und den Aufbau eines dritten Kontakts zumindest versucht habe. Die Erkenntnisse darüber hatte das Krankenhaus aus dem privaten E-Mail-Verkehr des Arztes (an seinem Arbeitsplatz) erlangt. Ungeklärt blieb, inwieweit diese privaten sexuellen Kontakte des Arztes auch bereits während der Behandlungsphase stattgefunden hatten. Die Kontakte hatte der Arzt auf dem Rechner des Krankenhauses dokumentiert und über E-Mail gepflegt. Aufgrund des Inhalts seiner E-Mails entstand darüber hinaus der Eindruck, dass er sexuelle Kontakte auch in den Räumlichkeiten des Krankenhauses ausgeübt hatte.

Mit einem Rundschreiben hatte das Krankenhaus ein Verbot der privaten Internetnutzung am Arbeitsplatz ausgesprochen. Dieses Rundschreiben hatte der Arzt auch zur Kenntnis genommen und akzeptiert. In demselben Rundschreiben hatte das Krankenhaus darauf aufmerksam gemacht, dass es die Einhaltung der Dienstanweisung durch entsprechende Kontrollen nachprüfen kann (und natürlich auch wird).

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Bild: ccvision Creativ collection

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Internetverbot = E-Mail-Verbot

Das Arbeitsgericht Hamm hielt die fristlose Kündigung des Krankenhauses für gerechtfertigt.

Es begründet seine Entscheidung damit, dass der Arzt gegen das Verbot verstoßen habe, das Internet privat am Arbeitsplatz zu nutzen. Nach Auffassung des Gerichts umfasst eine Untersagung der privaten Internetnutzung auch gleichzeitig die Nutzung des Internets zu E-Mail-Zwecken. Denn bei der Nutzung von E-Mail-Diensten handele es sich nicht um etwas anderes als eine Internetnutzung, sondern um einen Ausschnitt der Nutzung des Internets in einer ganz bestimmten Art und Weise.

Das Gericht sah auch keine Probleme darin, dass die Kündigung auf Informationen fußt, die das Krankenhaus durch Auswertung der privaten E-Mails des Arztes (auf dem Dienstrechner) gewonnen hat. Nach Auffassung des Gerichts ist es dem Arbeitgeber unbenommen, die private Nutzung des Internets zu untersagen. Dies kann der Geringhaltung von Kosten der Betriebsmittel dienen oder einem legitimen Interesse des Arbeitgebers entspringen, die Arbeitsleistung in vollem Umfang zu erhalten. Solange einem Arbeitnehmer ein der Arbeitsleistung dienender Computer nicht ausdrücklich mit der Vorgabe übergeben wird, er könne diesen zu rein privaten Zwecken nutzen, gehören die mit diesem gespeicherten Informationen nicht zu seiner Privatsphäre, so das Gericht. Der Arbeitnehmer muss im Gegenteil damit rechnen, dass der Arbeitgeber sich gegen einen Missbrauch der Anlage schützen wird und hierzu auch auf die Daten des Arbeitnehmers Zugriff nehmen wird. Dies gilt insbesondere, wenn der Arbeitgeber, wie im hier vorliegenden Fall, auf die Kontrollmöglichkeit und Kontrollabsicht ausdrücklich hingewiesen hat.

Auch datenschutzrechtliche Bedenken ergeben sich nicht, so die Richter. Der Zugriff auf die Daten war nicht unberechtigt, da es sich um ein zur dienstlichen Nutzung zur Verfügung gestelltes Gerät des Krankenhauses handelte.

Selbst der Betriebsrat hat der Verwertung der persönlichen E-Mail-Daten des Chefarztes zugestimmt und keine Bedenken gegen die Kündigung erhoben.

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Kein Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts?

Natürlich beschäftigte sich das Gericht auch mit Bedenken gegen die Verwertbarkeit der E-Mails des Arztes im Hinblick auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Chefarztes. Nach Auffassung des Gerichts gehören im Falle ausdrücklich untersagter privater Nutzung die vom Arbeitnehmer auf den beruflichen PC gespeicherten Daten allerdings nicht zu seiner Privatsphäre. Die vom Chefarzt privat gespeicherten Daten seien vom Krankenhaus auch nicht unverhältnismäßig unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts verwertet worden, sondern nur, soweit sie einen konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis und einzelnen angenommenen Pflichtverletzungen aufweisen.

Auch konnte sich der Arzt nicht darauf berufen, dass die Versendung privater E-Mails vom Krankenhausträger bisher geduldet wurde. Der Arbeitgeber ist zur Aufrechterhaltung einer geltenden Regelung nicht gezwungen, sämtliche Verstöße hiergegen zu ahnden. Der Arbeitnehmer darf daher nicht allein aufgrund des möglicherweise erkennbaren Umstandes, dass der Arbeitgeber bestimmte Verstöße nicht verfolgt, darauf schließen, das zugrunde liegende Verbot soll außer Kraft gesetzt und Verstöße generell nicht geahndet werden.

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Potenzielle Rufschädigung kann Kündigung rechtfertigen

Eine außerordentliche Kündigung ist gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu einer vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Eine zu befürchtende Rufschädigung des Arbeitgebers kann dabei ausreichender Grund für den Anspruch einer außerordentlichen Kündigung sein.

Der Arzt wies zwar im Verfahren zu Recht darauf hin, dass der Arbeitgeber nicht zum Sittenwächter über die von ihm beschäftigten Arbeitnehmer berufen ist. Allein anstößige Verhaltensweisen des Arbeitnehmers berechtigen daher nicht zur Kündigung, sofern sie nicht die Grenzen des Strafrechts überschreiten. Hinzu kommt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht die engere persönliche Lebenssphäre und insbesondere die Privat- und Intimsphäre einschließlich des Sexuallebens schützt.

Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Hamm wird die Privatsphäre aber dann überschritten, wenn sexuellen Neigungen in der Öffentlichkeit oder in der persönlichen oder betrieblichen Sphäre Dritter nachgegangen wird. So ist es im vorliegenden Fall gewesen. Der Arzt hat zur Anbahnung und Pflege seiner privaten und sexuellen Kontakte verbotswidrig den Internetanschluss des Krankenhauses genutzt. Durch die Kontaktpflege per E-Mail, trotz Kenntnis der Kontrollmöglichkeit und -absicht, hat er potenziell die Gefahr heraufbeschworen, dass seine sexuellen Kontakte mit ehemaligen Patientinnen des Krankenhauses einem größeren Kreis von Beteiligten bekannt werden. Ein solches Verhalten eines leitenden Mitarbeiters kann schwerwiegende Folgen für den Ruf des Krankenhauses haben. Die sexuelle Kontaktaufnahme zu ehemaligen Patientinnen ist nicht ausschließlich der Privatsphäre zuzurechnen. Zwar endet die Strafbarkeit eines solchen Verhaltens mit dem Ende des ärztlichen Betreuungsverhältnisses (s. Kasten). Die durch das Behandlungsverhältnis begründete persönliche Abhängigkeit und das besondere Vertrauensgefühl enden mit dem Betreuungsverhältnis aber nicht. Das Gericht verweist insoweit auf eine Diskussion eines sogenannten "Abstinenzgebots" auch für die Phase nach Abschluss der Behandlung. So habe dieses Gebot z. B. bereits Einzug gehalten in die Muster-Berufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die ein Abstinenzgebot für den Zeitraum eines Jahres nach Beendigung der Behandlung anordnet (s. Kasten). Nach Auffassung des Gerichts kann die sexuelle Kontaktaufnahme zu ehemaligen Patientinnen auch bei Ärzten - als Angehörige eines anderen Heilberufes nicht als unproblematisch angesehen werden, insbesondere dann nicht, wenn sie in zeitlich engem Zusammenhang zur Behandlung erfolgt.

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Sexuelle Kontaktaufnahme zu Patienten

Strafrechtliche Regelung:

Missbrauch eines Behandlungsverhältnisses

Sexuelle Beziehungen zu Patienten/-innen können bei Ärzten, insbesondere während der Behandlungsdauer, sogar strafrechtlich relevant sein.

§ 174 c StGB (Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses) lautet wie folgt:

"(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer körperlichen Krankheit oder Behinderung zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut ist, unter Mißbrauch des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.(...)"

"Abstinenzgebot" in der Muster-Berufsordnung Psychotherapeuten

Interessant: § 6 Muster-Berufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten:

"(4) Psychotherapeuten sollen außertherapeutische Kontakte zu Patienten auf das Nötige beschränken und so gestalten, dass eine therapeutische Beziehung möglichst wenig gestört wird.

(5) Jeglicher sexuelle Kontakt von Psychotherapeuten zu ihren Patienten ist unzulässig.

(6) Die abstinente Haltung erstreckt sich auch auf die Personen, die einem Patienten nahe stehen, bei Kindern und Jugendlichen insbesondere auf dessen Eltern und Sorgeberechtigte.

(7) Das Abstinenzgebot gilt auch für die Zeit nach Beendigung der Psychotherapie, solange noch eine Behandlungsnotwendigkeit oder eine Abhängigkeitsbeziehung des Patienten zum Psychotherapeuten gegeben ist. Die Verantwortung für ein berufsethisch einwandfreies Vorgehen trägt allein der behandelnde Psychotherapeut. Bevor private Kontakte aufgenommen werden, ist mindestens ein zeitlicher Abstand von einem Jahr einzuhalten."

Vor dem Hintergrund der konkret zu befürchtenden massiven Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen des Krankenhauses durch Schädigung seines Rufes und des Rufes seiner Mitarbeiter sowie der zur besorgenden Störung des Betriebsfriedens, ausgelöst durch das Verhalten des Arztes und dessen Dokumentation auf dem Rechner des Krankenhauses, war das Krankenhaus nach Auffassung des Gerichts zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung grundsätzlich berechtigt. Nach Auffassung der Richter ist das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß beendet worden.

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