Notfallmedizin up2date 2010; 5(4): 270-272
DOI: 10.1055/s-0030-1250655
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Medikamentöse Therapie von tachykarden Herzrhythmusstörungen

AntiarrhythmikaPatrick Meybohm, Ruwen Böhm
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Publication Date:
01 February 2011 (online)

Einteilung Traditionell werden Antiarrhythmika nach ihren elektrophysiologischen Wirkungsmechanismen in 4 Klassen (I bis IV nach Vaughan/Williams) eingeteilt (Abb. [1], Tab. [1]). Wichtig hierbei ist jedoch, dass die meisten Antiarrhythmika Eigenschaften mehrerer Klassen aufweisen, und einige Antiarrhythmika sich in keine der Klassen einordnen lassen. Klinisch relevanter als die o. g. Klassifikation ist hingegen die Unterteilung, ob das Pharmakon nur supraventrikulär, nur ventrikulär oder gleichzeitig supraventrikulär und ventrikulär wirkt (Tab. [2]).

Abb. 1Natriumkanalblocker binden an spannungsabhängige Na-Kanäle (Nav 1), welche für die schnelle Depolarisation des Aktionspotenzials (AP) verantwortlich sind. Ajmalin reduziert die Geschwindigkeit der Depolarisation und verlängert damit das AP (Klasse I a). Lidocain verlangsamt den steilen Anstieg des AP, verkürzt aber auch die Repolarisationsphase und damit das AP (Klasse I b). Betarezeptorenblocker (Klasse II) verlangsamen infolge ihres sympathikolytischen Effekts die spontane Aufstrichgeschwindigkeit des AP im Sinus- und AV-Knoten. Die Blockade eines kardialen spannungsabhängigen Kaliumkanals (Kv 1.11) verlängert die Repolarisation und damit das AP (Klasse III). Calciumkanalblocker führen zur Blockade von spannungsabhängigen Calciumkanälen (Cav 1) und damit zur Verkleinerung des AP (Klasse IV). Im Gegensatz zu Sinus- und AV-Knoten (Wirkort von Klasse II und IV) mit ihrem flachen AP-Anstieg (Ca2+-Einstrom) gibt es in den übrigen Abschnitten des Reizleitungssystems und im Myokard (Wirkort Klasse I und III) einen raschen Aufstrich des AP (Na+-Einstrom) mit einer Plateaubildung, um ein Kreisen der Erregung zu verhindern.

Tabelle 1 Antiarrhythmika1 Na-Kanal-Blocker (Klasse I) Wirkmechanismus Blockade kardialer Nav-Ionenkanäle, AP verbreitert (Ajmalin), AP verkürzt (Lidocain) Wirkung Leitungsgeschwindigkeit reduziert (negativ dromotrop), Erregbarkeit herabgesetzt (negativ bathmotrop) unerwünschte Arzneimittelwirkungen Hypotonie, AV-Block, Verwirrtheit, Reizbarkeit Kontraindikation AV-Block II–III°, Bradykardie Arzneimittelinteraktion Betarezeptorenblocker, Kaliumkanalblocker, Calciumkanalblocker Ajmalin (Klasse I a) HWZ 10 min (Verteilung) – 2 h (Elimination) Gilurytmal® Injektionslösung 50 mg/10 ml 25–50 mg langsam i. v. Lidocain (Klasse I b) HWZ 10 min (Verteilung) – 2 h (Elimination) Xylocain® Injektionslösung 1 oder 2 % 50–100 mg i. v. Betarezeptorenblocker (Klasse II) Siehe Ausgabe 4/2009 Kaliumkanalblocker (Klasse III) Siehe Ausgabe 3/2010 Calciumkanalblocker (Klasse IV) Wirkmechanismus Hemmung des Ca2+-Einstroms v. a. im AV-Knoten Wirkung neg. chronotrop, AV-Überleitungszeit verlängert unerwünschte Arzneimittelwirkungen Bradykardie, Hypotonie, Flush, Übelkeit, Herzinsuffizienz Kontraindikation AV-Block II–III°, Bradykardie, Tachykardie bei Wolff-Parkinson-White-Syndrom Arzneimittelinteraktion Wirkverstärkung durch Betarezeptorenblocker und CYP-3A4-Hemmstoffe (siehe Ausgabe 2/2010) Verapamil HWZ 3–7 h Isoptin® Injektionslösung 5 mg/2 ml 1–5 mg i. v. Adenosin Wirkmechanismus kurzfristige Blockade des AV-Knotens Wirkung Terminierung von Reentry-Tachykardien unerwünschte Arzneimittelwirkungen Bradykardie, Schwindel, Unruhe, Übelkeit, Flush, Asystolie Kontraindikation AV-Block II–III°, Vorhofflimmern, Vorhofflattern, Tachykardie bei Wolff-Parkinson-White-Syndrom Arzneimittelinteraktion Betarezeptorenblocker, Calciumkanalblocker Adenosin HWZ wenige Sekunden Adrekar® Injektionslösung 6 mg/2 ml 3- max. 12 mg i. v. HWZ = Halbwertszeit AP = Aktionspotenzial CYP = Cytochrom-P450-Isoenzyme 1 Handelsnamen sind beispielhaft genannt, die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. HWZ = Halbwertszeit AP = Aktionspotenzial CYP = Cytochrom-P450-Isoenzyme 1 Handelsnamen sind beispielhaft genannt, die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Tabelle 2 Medikamentöse Therapie tachykarder Herzrhythmusstörungen Tachykarde Herzrhythmusstörung Empfohlene Medikamente supraventrikulär AV-junktionale Tachykardie Adenosin, Ajmalin Tachykardie bei Wolff-Parkinson-White-Syndrom Ajmalin Vorhofflimmern bzw. -flattern Frequenzkontrolle: Metoprolol, Verapamil Rhythmuskontrolle: Amiodaron, Ajmalin Sinustachykardie Metoprolol, (Ivabradin), Verapamil ventrikulär (* + supraventrikulär) Kammerflimmern Amiodaron*, Lidocain ventrikuläre Tachykardie Amiodaron*, Lidocain Salven Amiodaron*, Lidocain

Gefahren Die negative inotrope (= Herzkraft-senkende) Wirkung der Antiarrhythmika ist additiv. Daher sollten sie nach Möglichkeit nicht kombiniert und bei herzinsuffizienten Patienten sehr vorsichtig eingesetzt werden. Alle Antiarrhythmika können bei falscher Indikation oder Dosierung selbst proarrhythmogen wirken. Hypokaliämien und Hyperthyreosen verstärken diese proarrhythmische Wirkkomponente.

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PD Dr. med. Patrick Meybohm

Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

Arnold-Heller-Str. 3

24105 Kiel

Email: meybohm@anaesthesie.uni-kiel.de

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Dr. med. Ruwen Böhm

Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel

Hospitalstr. 4

24105 Kiel

Email: ruwen.boehm@pharmakologie.uni-kiel.de