Der Klinikarzt 2010; 39(3): 157
DOI: 10.1055/s-0030-1253273
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Arzneimittelversorgung im Krankenhaus ‐ Krankenhausapotheken ‐ Quo vadis?

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Publication Date:
29 March 2010 (online)

 
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Zunehmender Kostendruck im Krankenhaus und höhere Qualitätsansprüche sind auch im Bereich der Arzneimittelversorgung von hoher Relevanz. Dabei gewinnt die patientenorientierte Medikamentenversorgung mehr und mehr an Bedeutung - eine Herausforderung speziell für die Krankenhausapotheken. Deren Stellenwert im therapeutischen Versorgungssystem und zukunftsorientierte Strategien künftiger apothekenspezifischer Dienstleistungen waren Gegenstand der Beratungen auf dem XVII. Kasseler Symposium für Krankenhausapotheker.

Als Kernpunkt dabei formuliert sich in der Frage: "Wie gelangen wir (Anm.: die Krankenhausapotheken) von der reaktiven in eine agierende, aktive Rolle und welche Zukunft, welche Strategien sehen Dritte (Vorstände, Beratungsunternehmen, Privatketten) für die Krankenhausapotheke in diesem sich stets wandelnden Markt?"

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Benchmarkstudie untersucht Leistung von Krankenhausapotheken

Erörtert wurden aktuelle Fragestellungen und Untersuchungen im Zusammenhang mit der bislang umfangreichsten Benchmarkstudie, die seit Bestehen des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker e.V. (ADKA) durchgeführt wurde. Prof. Wolfgang Kämmerer, Apothekendirektor der Horst-Schmidt-Kliniken Wiesbaden, erläuterte das Profil der von der ADKA gemeinsam mit dem masem research institute unternommenen Untersuchung, in der auf wissenschaftlich gesicherter Basis die Leistungen von insgesamt 121 Krankenhausapotheken analysiert wurden. Dabei geht es darum, so Kämmerer, "sich untereinander zu vergleichen und von den Besten zu lernen", denn nur eine fundierte Datenlage ermöglicht eine klare und zielführende Argumentation und kann als Basis für eine zukunftsgerichtete Strategie fungieren.

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Manuelle Arzneimittelversorgung birgt Fehlerquellen

Im Durchschnitt versorgt jede Krankenhausapotheke 3 weitere Krankenhäuser mit Arzneimitteln, wobei die hausinterne Bestellung weitgehend auf elektronischer Basis erfolgt. In Deutschland bislang nicht praktiziert wird das international bekannte und genutzte CPOE-System (Computerized Physician Order Entry), das unter Einbeziehung des Apothekers die Erhöhung der Therapiesicherheit ermöglicht.

Kämmerer gab zudem bekannt, dass derzeit - wie die ADKA-Untersuchung ausweist - der Anteil der Häuser mit moderner, kostenreduzierender Unit-Dose-Versorgung (einzeln abgepackte Medikamente) bei lediglich etwa 8 % liegt. Noch immer sei die manuelle Kommissionierung dominierend, die nach wie vor ein häufig mit gravierenden Fehlern behaftetes Feld darstellt. Nach Prof. Wilfried von Eiff vom Centrum für Krankenhausmanagement (CKM) an der Universität Münster gehen laut einer Studie des CKM 35 % aller patientenschädigenden Ereignisse auf Medikationsirrtümer vor allem im Bereich der "letzten Meile" zurück. "Personelle Unterausstattung, Arbeitsverdichtung und Zeitdruck erhöhen das Fehlerrisiko". Das gilt insbesondere für Fehler beim Stellen und Administrieren von Arzneien, die letztlich dazu führen, dass pro Jahr auch in Deutschland (geschätzt) über 50 000 Patienten Schäden erleiden oder sogar zu Tode kommen.

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Verbesserungspotenziale rasch realisieren

Weitere wichtige Studienpunkte fokussieren Untersuchungen zu räumlichen Gegebenheiten in Krankenhausapotheken im Verhältnis zur Anzahl der im Betreuungsbereich existierenden Betten, zu Qualitätsmanagement-Systemen, Kostenentwicklungen, zusätzlichen erlösgenerierenden Leistungen (z. B. Versorgung ambulanter Patienten) sowie zur Herstellung parenteraler Zubereitungen und applikationsfertiger Zytostatika. Das masem research institute wird in wenigen Wochen die Ergebnisse der Benchmarkstudie mit einem erläuternden Kommentar publizieren. Auf dieser Grundlage könnten dann Verbesserungspotenziale in der Breite initiiert und rasch realisiert werden.

Damit verbindet sich aber auch die Aufgabe für die Apotheker, eigene Strategien zu entwickeln, die auf die speziellen Bedingungen des jeweiligen Krankenhauses zugeschnitten sind. "Krankenhausapotheker dürfen nicht auf die Einkaufs- und Logistikfunktion reduziert werden", forderte Kämmerer. Es gehe vielmehr darum, den (Stellen) Wert des Apothekers für die Arzneimitteltherapie und -versorgung deutlich zu machen, denn die orts- und zeitnahe, patientengerechte und qualitätsgesicherte Arzneimittelversorgung im Krankenhaus ist zwar aufwendig, aber sie kann "von der Krankenhausapotheke kostengünstig erbracht werden". Ziel sollte es sein, gemeinsam daran zu arbeiten, dass "die Krankenhausapotheke ihren Wert erfolgreich als Kernkompetenz des Krankenhauses darstellt und ihre Dienstleistungen ausbauen kann".

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Versorgungslogistik mithilfe elektronischer Systeme

Enorme Ausbaupotenziale liegen nach Ansicht von Prof. Eiff im Bereich apothekenspezifischer Dienstleistungen, insbesondere auf dem Gebiet der Pharmakokinetik. Eiff präferiert in diesem Zusammenhang die Einführung der in anderen Ländern bereits erprobten und bewährten "Versorgungsschrank-Logistik" in systemischem Verbund als dezentrales, hocheffektives und patientenindividuelles Unit-Dose-System. "Elektronische Versorgungsschrank-Systeme sind das Kernstück einer bedarfsorientierten Versorgungslogistik." Sie verhindern vermeidbare "adverse drug events" und haben zudem nicht zu unterschätzende Vorteile: bei jeder Medikamenten- bzw. Materialentnahme wird der aktuelle Lagerbestand automatisch erfasst und - wenn erforderlich - eine Nachbestellung initiiert. Dabei werden die Kosten exakt den jeweiligen Positionen zugeordnet. Mit der Unit-Dose-Versorgung der Apotheke könne das Krankenhaus definitiv Kosten sparen und die Medikationssicherheit der Patienten optimieren.

Hilmar Bierl, Berlin

Der Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der B. Braun Melsungen AG, Melsungen.

Quelle: XVII. Kasseler Symposium für Krankenhausapotheker "Kostendruck und kein Ende - Welche Antworten gibt es für die Krankenhausapotheke?", Kassel, 6. Februar 2010. Veranstalter: B. Braun, Melsungen

Der Autor ist freier Journalist