Z Orthop Unfall 2010; 148(2): 135
DOI: 10.1055/s-0030-1253303
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Sham-Operationen – Placebo in der operativen Medizin?

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Publication Date:
07 April 2010 (online)

 
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Sham-Operationen stellen etablierte Untersuchungsmethoden der modernen klinischen Forschung dar. Mit deren Hilfe können spezielle Fragestellungen gezielt beantwortet werden. Ziel des hier vorgestellten Artikels war es, anhand der aktuellen Literatur die ethischen Probleme einer sham-Operation in Bezug auf die operative Orthopädie und Unfallchirurgie näher zu erläutern. The ethics of sham surgery in clinical orthopaedic research J Bone Joint Surg Am. 2007; 89:1650 – 1653

Zur Klärung der oben stehenden Frage wurde der Artikel von den Autoren in drei Abschnitte eingeteilt.

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Notwendigkeit

Im ersten Abschnitt wird auf die Notwendigkeit von sham-Operationen in Orthopädie und Unfallchirurgie eingegangen. Es wird postuliert, dass die Analyse von Parametern, welche Schmerz oder Funktion beinhalten, oftmals schwer objektiviert werden kann. Es kommt somit zu einem Placebo-Effekt welcher die analysierten Parameter weniger verlässlich macht. Dieser Placebo-Effekt kann im Rahmen einer sham-Operation besser kontrolliert werden. Weiterhin wird die Bedeutung von sham-Operationen bei klinischen Studien betont. Durch sham-Operationen kann die Datenerhebung und die Auswertung ohne Bias sowohl von Untersucherseite als auch von Patientenseite ablaufen.

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Ethik

Im zweiten Abschnitt werden ethische Aspekte bei sham-Operationen näher erläutert. Sham-Operationen gelten als methodologisch hochwertige Verfahren und verleihen der jeweiligen Studie eine robuste wissenschaftliche Basis. Die Kritik bei sham-Operationen bezieht sich auf folgende drei Punkte:

  • Es wird angenommen, dass sham-Operationen nicht in der Lage sind, das Schadensrisiko der teilnehmenden Patienten zu minimieren da die Studien als randomisierte, verblindete, Placebo-kontrollierte Studien die Gesundheit eines operierten Patienten gefährden könnten.

  • Weiterhin spielen bei der sham-Operation "Risiko und Nutzen" eine essenzielle Rolle, da die Vorteile und Komplikationen einer operativen Behandlung bzw. einer angedeuteten operativen Behandlung evaluiert werden müssen.

  • Ferner entfällt meistens bei sham-Operationen die übliche präoperative Einverständniserklärung des Patienten, da eine genaue Auskunft über die operative Prozedur und die operativen Risiken nicht gemacht werden kann.

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Konditionen

Im dritten Abschnitt werden fünf Konditionen erwähnt nach welchen eine sham-Operation im Rahmen einer klinischen Studie methodologisch als angebracht erscheint. Diese Konditionen beinhalten zusammenfassend ein ausgewogenes Verhältnis der Risiken/Vorteile einer sham-Operation gegenüber einer Placebo-Therapie oder weiteren alternativen Therapieverfahren.

Im Artikel werden weiterhin klinische Studien kommentiert bei denen sham- Gruppen verwendet wurden. Moseley und Mitarbeiter [1] untersuchten die Wirksamkeit der Knie-Arthroskopie bei der Gonarthrose. Dabei hielt sich das operative Risiko bei sham-Interventionen minimal. Als weiteres Beispiel wird von den Autoren die Studie von Palmieri und Mitarbeitern vorgestellt [2], wobei gesunde Probanden Kochsalzlösung ins Knie injiziert bekamen, um einen Gelenkerguss zu simulieren. Beide durchgeführten Studien beinhalten ethische Probleme, da sham-operierte Probanden keinen Nutzen von der Operation haben.

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Kommentar

Es ist bekannt, dass sham-Operationen einen hohen Stellenwert in der Wissenschaft besitzen und dass klinische Studien dadurch an Wertigkeit gewinnen. Der hier vorgestellte Artikel stellt eine objektive Annäherung an die Thematik dar, in wie weit man sham-Operationen in Orthopädie und Unfallchirurgie einsetzen kann [3]. Die Problematik ist sicher nur im jeweiligen Studienkontext zu lösen. Wenngleich unbestritten bleibt, dass unsere ethischen Vorstellungen einem Wandel unterliegen können, sollte unsere Wissenschaft stets das oberste Ziel im Auge behalten, nämlich dem kranken und verletzten Menschen zu dienen.

Dr. med. Ioannis Stratos

Dr. med. Ioannis Stratos

Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie

Chirurgische Klinik und Poliklinik

Universität Rostock

Email: ioannis.stratos@uni-rostock.de

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Literatur

  • 01 Moseley J B, O'Malley K , Petersen N J, et al . A controlled trial of arthroscopic surgery for osteoarthritis of the knee.  N Engl J Med.. 2002;  347 81-88
  • 02 Palmieri R M, Ingersoll C D, Condova M L, et al . The effect of a simulated knee joint effusion on postural control in healthy subjects.  Arch Phys Med Rehabil.. 2003;  84 1076-1079
  • 03 Means Jr K R. The ethics of sham surgery in clinical orthopaedic research.  J Bone Joint Surg Am.. 2008;  90: 444; author reply 444-445
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Literatur

  • 01 Moseley J B, O'Malley K , Petersen N J, et al . A controlled trial of arthroscopic surgery for osteoarthritis of the knee.  N Engl J Med.. 2002;  347 81-88
  • 02 Palmieri R M, Ingersoll C D, Condova M L, et al . The effect of a simulated knee joint effusion on postural control in healthy subjects.  Arch Phys Med Rehabil.. 2003;  84 1076-1079
  • 03 Means Jr K R. The ethics of sham surgery in clinical orthopaedic research.  J Bone Joint Surg Am.. 2008;  90: 444; author reply 444-445