Es herrscht akuter Nachwuchsmangel in der Allgemeinmedizin. Jeder zweite Hausarzt in Baden-Württemberg ist älter als 55 Jahre. In den nächsten 10 Jahren werden ca. 3 000 Hausärzte ihre Praxis aufgeben, aber nur 1 000 werden nachrücken. Mit dem Konzept "Verbundweiterbildung Plus" will das Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg für Abhilfe sorgen.
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg fördert seit Juli 2007 das "Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin". Dabei handelt es sich um ein Netzwerk der 5 allgemeinmedizinischen Universitätsstandorte in Baden-Württemberg: Freiburg, Heidelberg, Mannheim, Tübingen, Ulm. Die Allgemeinmedizin soll für Studierende und Weiterbildungsassistenten attraktiver werden, erläuterte Dr. Jost Steinhäuser, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Heidelberger Kompetenzzentrums, auf dem 8. Baden-Württembergischen Hausärztetag in Stuttgart.
Berufswunsch Allgemeinarzt soll gefördert werden
Berufswunsch Allgemeinarzt soll gefördert werden
Durch eine strukturierte Weiterbildung mit erleichterter Rotation werden Barrieren abgebaut und den Assistenzärzten attraktive Perspektiven geboten. Von den 12 000 Medizinstudenten in Deutschland sind bereits knapp 70 % weiblichen Geschlechts. Gerade bei den Frauen gibt es eine große Nachfrage nach Teilzeitbeschäftigung und nach Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben. Hinzu kommt in der nachfolgenden Generation eine stärkere Tendenz, lieber angestellt zu arbeiten, als das wirtschaftliche Risiko der Existenzgründung auf sich zu nehmen, berichtete Steinhäuser.
Mit der "Verbundweiterbildung Plus" unterstützt das Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin die Bildung regionaler Weiterbildungsverbünde - bestehend aus Kliniken und niedergelassenen Allgemeinmedizinern, die den jungen Ärzten strukturierte und nahtlose Rotationen über den gesamten Zeitraum ihrer Weiterbildung garantieren. Die Weiterbildungsassistenten erhalten ein kontinuierliches Mentoring sowie ein Angebot an Weiterbildungsmodulen. Konzipiert und veranstaltet werden diese vom Kompetenzzentrum. Damit die Assistenten die Module und allgemeinmedizinischen Kongresse besuchen können, sichern ihnen die Verbundpartner 10 Fortbildungstage im Jahr zu.
Bild: Landesärztekammer Rheinland-Pfalz
Erleichterte Rotation bietet attraktive Perspektiven
Erleichterte Rotation bietet attraktive Perspektiven
Ein wichtiges Anliegen des Projekts ist es, den jungen Ärzten betriebswirtschaftliche Kenntnisse beizubringen, Strategien gegen den Burn-out aufzubauen und ihnen die Beurteilung von Studien und Evidenz-basierter Medizin nahe zu bringen. Schließlich will man auch etliche Vorurteile beseitigen, die den Berufswunsch Allgemeinarzt möglicherweise blockieren wie z. B. die Meinung, als Hausarzt werde man zu wenig verdienen. In der Diskussion in Stuttgart bestätigten 2 erfahrene Landärzte, dass sie ohne weiteres ein Oberarztgehalt erreichen, mehrere Wochen im Jahr Urlaub machen können und die Praxiszeiten weitgehend nach ihren Bedürfnissen gestalten.
Die Breite und Vorzüge des Fachs müssen laut Steinhäuser mehr in den Vordergrund gestellt werden. Dazu gehören neben den durchaus attraktiven Verdienstmöglichkeiten die gute Vereinbarkeit mit der Familie, der ganzheitliche Ansatz sowie die Selbstständigkeit in der Arbeit.
Erfolgreiche Strategie gegen den Nachwuchsmangel?
Erfolgreiche Strategie gegen den Nachwuchsmangel?
Insgesamt erweist sich das Programm "Verbundweiterbildung Plus" als eine erfolgreiche Strategie gegen den Nachwuchsmangel in der Allgemeinmedizin, heißt es im aktuellen Versorgungsbericht 2009 der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Die maßgeblichen Erfolgsfaktoren sind neben der strukturierten Rotationsplanung das übergeordnete Schulungsprogramm, die Möglichkeit zur kollegialen Vernetzung und die Anbindung an die universitären Strukturen des Kompetenzzentrums Allgemeinmedizin.
Ähnliches Modell jetzt auch in Nordrhein-Westfalen
Ähnliches Modell jetzt auch in Nordrhein-Westfalen
Das Modell macht inzwischen Schule. Im März haben niedergelassene Ärzte und Kliniken in Nordrhein-Westfalen den Weiterbildungsverbund Ruhr gegründet. Für Assistenzärzte, die Allgemeinmediziner werden wollen, bietet die Verbundweiterbildung eine Reihe von Vorteilen: So verpflichten sich die Partner im Hausärztlichen Weiterbildungsverbund Ruhr zu einem gemeinsamen, verbindlichen Curriculum über die gesamten 5 Jahre der Weiterbildung. Damit gewinnen die Ärzte in Weiterbildung Planungssicherheit. Feste Ansprechpartner, ein Mentorenprogramm sowie eine über alle Abschnitte gesicherte Vergütung sind weitere Aspekte, die für die ärztliche Weiterbildung zum Hausarzt im Ruhrgebiet sprechen. Schließlich wird durch das nun durchgehende Weiterbildungsangebot in einer Region auch der sonst übliche häufige Wohnortwechsel unnötig.
Klaus Schmidt, Planegg