Dialyse aktuell 2010; 14(4): 242-243
DOI: 10.1055/s-0030-1254216
Forum der Industrie

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Große Freiheit trotz Dialyse – Peritonealdialysepatient segelt allein über den Atlantik

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Publication Date:
20 May 2010 (online)

 
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Im November 2009 startete der 59-jährige Franzose Jean Louis Clémendot in ein Abenteuer, das vor ihm noch niemand mit Nierenversagen gewagt hatte: Er segelte alleine über den Atlantik - von den Kanarischen Inseln bis nach Martinique in der Karibik. Er plante 3-4 Wochen auf See für seine Überfahrt ein. Eine gewaltige Herausforderung für jeden Segler, scheinbar unmöglich aber für einen Patienten mit Nierenversagen, der von der Dialyse abhängig ist. Anders als die meisten Dialysepatienten ist Jean Louis Clémendot aber nicht auf die Hämodialyse angewiesen, bei der er mehrmals pro Woche einige Stunden in einem Dialysezentrum verbringen müsste. Er verwendet die Peritonealdialyse (PD), die das Bauchfell als Filter benutzt und unabhängig von Maschinen durchgeführt werden kann.

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"Am Tag der Diagnose dachte ich, mein Leben ist vorbei"

Aber wie kam es überhaupt zu diesem abenteuerlichen Plan? Jean Louis Clémendot segelt eigentlich schon sein ganzes Leben lang. Bereits als Kind im Sommercamp segelte er mit Schlauchbooten, später war er jeden Sommer mit seiner Familie wochenlang mit dem Segelboot unterwegs. Ihr Lieblingsziel: die türkische Ägäis. Jean Louis Clémendot war in seinem ganzen Leben immer äußerst aktiv. Er diente in der Armee, heiratete, wurde Vater und Großvater und war in mehreren Berufen erfolgreich. Irgendwann gründete er sein eigenes Immobilienunternehmen. Seit seinem 28. Lebensjahr wusste er, dass er mit einer Fehlbildung der Harnröhre geboren worden war, die zu einem erhöhten Druck in den Nieren führt. Er war wegen dieser Erkrankung permanent in medizinischer Behandlung und wurde unter anderem auch 2 Mal an den Nieren operiert. Doch die Krankheit ließ sich nicht aufhalten 1997 kaufte er sein eigenes Boot, die Harmattan, ein 15 Meter langes Segelschiff, das er 9 Jahre lang eigenhändig restaurierte und mit dem er noch viel vorhatte. Nach mehreren kleinen Touren durch das Mittelmeer befand er sich gerade in den Vorbereitungen für die große Fahrt über Kap Horn nach Patagonien, als eine medizinische Diagnose seine Pläne durchkreuzte: Nierenversagen - Dialysepflicht! "Ich wusste ja, dass es irgendwann dazu kommen würde, aber eigentlich dachte ich, ich hätte noch ein bisschen Zeit", erinnert sich Clémendot. "Am Tag der Diagnose dachte ich, mein Leben ist vorbei. Schweren Herzens nahm ich also mein Boot vom Wasser und dachte, ich würde es nie wieder sehen und ich würde nie mehr segeln können."

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Abb. 1 Bei der Dialyse gab es keine Probleme.

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"Schon nach den ersten 8 Dialysetagen war ich wieder richtig gut in Form"

Aber er hatte großes Glück: "Fast hätte ich einen Fehler gemacht", erzählt Clémendot heute. "Beinahe hätte ich mich für eine zentrumsgebundene Hämodialyse (HD) entschieden. Dann hätte ich jeden 3. Tag im Krankenhaus oder einem Dialysezentrum verbracht." Eine Krankenschwester in der Klinik erzählte ihm aber von einem anderen Patienten - einem Geschäftsmann, der sich mithilfe der Peritonealdialyse selbst dialysiert, und zwar unterwegs im Auto, zwischen Geschäftsterminen. "Da habe ich gedacht: Das könnte auch was für mich sein."

Dreimal täglich infundiert sich Clémendot seitdem über einen chirurgisch implantierten Katheter eine PD-Lösung in die Bauchhöhle und erzielt damit sehr gute Ergebnisse. "Es ist wirklich erstaunlich. Direkt bevor ich mit der Dialyse anfing, fühlte ich mich, als sei ich 90 Jahre alt, ich konnte nicht mal 100 Meter laufen ohne mich hinsetzen zu müssen. Schon nach den ersten 8 Dialysetagen war ich aber wieder richtig gut in Form." Daher findet er es auch völlig unverständlich, weshalb die PD so selten eingesetzt wird. Für ihn kann es nur daran liegen, dass die Aufklärung über die Möglichkeit der PD eher ungenügend ist: "Das Problem ist, dass die PD nicht so bekannt ist. Viele Dialysepatienten wissen überhaupt nichts von dieser Therapieoption. Es wäre doch wünschenswert, die Öffentlichkeit besser über diese Dialysemethode zu informieren, denn sie erlaubt einem viele Freiheiten. Es erfordert zwar ein wenig Planung und Vorbereitung, aber dann kann man ziemlich normal damit leben."

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"Einer der glücklichsten Tage meines Lebens"

Innerhalb weniger Wochen nach Beginn der PD begann Clémendot mit der Planung seiner transatlantischen Segeltour. Zum Start der Reise lieferte Baxter eine ganze Palette PD-Lösungen nach Lanzarote auf den Kanarischen Inseln, die der Segler an Bord verstaute. Dann setzte er die Segel. Während der gesamten Reise stand er in ständigem Kontakt mit seinem medizinischen Team. Ebenso berieten ihn Experten bei wetterbedingten Routenänderungen.

Es gab keinerlei Probleme bei den Infusionen, im Gegenteil. Nach nur 23 Tagen wurde Clémendot in Martinique wie ein Held empfangen. "Ich bin so glücklich", sagte er am Ende seiner Reise. "Dies ist mit Sicherheit einer der glücklichsten Tage meines Lebens."

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Neben Flexibilität gibt es auch medizinische Vorteile

Neben der Segelleidenschaft hatte Clémendot noch einen 2. Grund für die Tour über den Atlantik: "Ich wollte anderen Menschen mit Nierenversagen zeigen, dass diese Diagnose kein Todesurteil ist und dass es Therapien gibt, mit denen man auch weiterhin ein unabhängiges, aktives und produktives Leben führen kann."

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Peritonealdialyse: Vorteile für Patienten

  • vergleichbares oder sogar geringeres Mortalitätsrisiko gegenüber Hämodialyse

  • längerer Erhalt einer eventuellen Restfunktion der Niere

  • hohe Lebensqualität durch größere Unabhängigkeit

  • geringere Begrenzung der Trinkmenge

  • weniger Einschränkungen bei Nahrungsmitteln

  • Vermeidung der kardialen Belastung durch fehlenden Shunt

  • keine shuntassoziierten Komplikation

  • höhere Kreislaufstabilität

  • geringere Infektionsgefahr durch hämatogen übertragenen Erreger

    nach [12]

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Fakten zur Peritonealdialyse

  • Etwa 87 % der Nierenpatienten gelten als medizinisch geeignet für die Peritonealdialyse [7]

  • In Deutschland nutzen nur 5 % der Dialysepatienten die PD [8].

  • Bei neutraler Aufklärung über beide Therapieoptionen entscheidet sich etwa die Hälfte der Patienten für die PD [9], [10].

  • Es gibt keinen signifikanten Unterschied der Infektionsraten zwischen Hämodialyse- und Peritonealdialysepatienten [11].

Tatsächlich bietet die Peritonealdialyse den Patienten neben der Flexibilität und Unabhängigkeit [1], [2], die Jean Louis Clémendot so wichtig sind und die ihm seine Reise über den Atlantik erst ermöglicht haben, auch medizinische Vorteile. So konnten Heaf et al. 2002 [3] in einer Risikoanalyse der Daten des Dänischen Dialyseregisters eine bessere Prognose für PD-Patienten in den ersten 2 Jahren und anschließend vergleichbare Mortalitätsraten für PD und HD belegen. Als Ursache vermuteten sie den längeren Erhalt der Nierenrestfunktion bei PD-Patienten - eine wichtige Überlebensdeterminante.

Bei Patienten mit therapierefraktärer chronischer Herzinsuffizienz und fortgeschrittener Einschränkung der Nierenfunktion ist die Peritonealdialyse sogar das bevorzugte Nierenersatzverfahren - insbesondere bei hämodynamischer Instabilität und Aszites. Denn eine intermittierende Hämodialyse ist aus hämodynamischen Gründen oft nicht möglich. Sie führt aufgrund der zwischen den Behandlungen auftretenden Volumenschwankungen zu einer erheblichen hämodynamischen Belastung des Organismus, der Dialyseshunt erhöht zusätzlich das Herzschlagvolumen - 2 Begleit-erscheinungen, die gerade bei herzinsuffizienten Patienten die Komplikationsrate erhöhen [3], [4], [5], [6].

Jean Louis Clémendot hofft, dass andere Nierenpatienten von seiner Geschichte erfahren und die PD als Alternative zur zentrumsgebundenen Dialyse in Erwägung ziehen. "Die Peritonealdialyse bietet so viel Freiheit. Dank dieser Dialyseform kann ich mein Leben leben und meine Träume verwirklichen", sagt Clémendot. Der Segelfanatiker bereitet übrigens bereits seine nächste Segeltour vor und berichtet auf seiner Website (http://www.jeanlouisclemendot.fr, in englischer und französischer Sprache) von seinem ganz persönlichen Abenteuer.

Nina Middel, Köln

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Baxter Deutschland GmbH, Unterschleißheim.

Die Beitragsinhalte wurden nach Informationen der Baxter Deutschland GmbH, Unterschleißheim, zusammengestellt.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der FAI GmbH, Köln.

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Literatur

  • 01 Juergensen E , Wuerth D , Finkelstein S H, et al . Hemodialysis and peritoneal dialysis: patients? assessment of their satisfaction with therapy and the impact of the therapy on their lives.  Clin J Am Soc Nephrol. 2006;  1 1191-1196
  • 02 Kutner N G, Zhang R , Barnhart H , Collins A J. Health status and quality of life reported by incident patients after 1 year on haemodialysis or peritoneal dialysis.  Nephrol Dial Transplant. 2005;  20 2159-2167
  • 03 Heaf J G, Løkkegaard H , Madsen M . Initial survival advantage of peritoneal dialysis relative to haemodialysis.  Nephrol Dial Transplant. 2002;  17 112-117
  • 04 Canaud B , Leblanc M , Leray-Moragues H , et al . Slow continuous and daily ultrafiltration for refractory congestive heart failure.  Nephrol Dial Transplant. 1998;  13 (Suppl. 4) 51-55
  • 05 Sheppard R , Panyon J , Pohwani A , et al . Intermittent outpatient ultrafiltration for the treatment of severe refractory congestive heart failure.  J Card Fail. 2004;  10 380-383
  • 06 Iwashima Y , Horio T , Takami Y , et al . Effect of creation of arteriovenous fistula for hemodialysis on cardiac function and natriuretic peptide levels in CRF.  Am J Kidney Dis. 2002;  40 974-982
  • 07 Mendelssohn D C, Mujais S K, Soroka S D, et al . A prospective evaluation of renal replacement therapy modality eligibility.  Nephrol Dial Transplant. 2009;  24 555-561
  • 08 Frei U , Schober-Halstenberg H J. Nierenersatztherapie in Deutschland. Bericht über Dialysebehandlung und Nierentransplantation in Deutschland 2006/2007. Berlin; 2008
  • 09 Jager K J, Korevaar J C, Dekker F W, et al . The Effect of contraindications and patient preference on dialysis modality selection in ESRD patients in The Netherlands.  Am J Kidney Dis. 2004;  43 891-899
  • 10 Prichard S S. Treatment modality selection in 150 consecutive patients starting ESRD therapy.  Perit Dial Int. 1996;  16 69-72
  • 11 Aslam N , Bernardini J , Fried L , et al . Comparison of infectious complications between incident hemodialysis and peritoneal dialysis patients.  Clin J Am Soc Nephrol. 2006;  1 1226-1233
  • 12 Fußhöller A , et al . Diabetologe. 2009;  5 549-556
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Literatur

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Abb. 1 Bei der Dialyse gab es keine Probleme.