Ergotherapie im häuslichen Kontext führt bei demenziell erkrankten Menschen zu einer
signifikant verbesserten Alltagsbewältigung und steigert die Betreuungskompetenzen
der Angehörigen. Dies zeigte bereits 2006 eine niederländische RCT-Studie der Ergotherapeutin
Maud Graff. Die darauf aufbauende WHEDA-Studie des Forschungsteams um den Ergotherapeuten
Sebastian Voigt-Radloff an der Universitätsklinik Freiburg untersucht nun, ob das
niederländische Interventionsprogramm auch in Deutschland zu ähnlichen Ergebnissen
führt.
An der multizentrischen Studie nehmen 140 Senioren im Alter von über 65 Jahren teil,
die an einer leichten bis moderaten Demenz erkrankt sind und zu Hause von einem Angehörigen
betreut werden. Die Forscher ordneten die Klienten zufällig zwei verschiedenen Gruppen
zu, wobei die Probanden der Experimentalgruppe ein fünfwöchiges ergotherapeutisches
Interventionsprogramm mit zehn Therapieeinheiten zu jeweils einer Stunde erhalten.
Neben dem gezielten Üben ausgewählter Alltagstätigkeiten beinhaltet es Umweltadaptionen
und Angehörigenberatung. Die Teilnehmer der Kontrollgruppe nehmen hingegen an einer
ergotherapeutischen Beratung teil, die auf Informationsmaterial der Deutschen Alzheimer
Gesellschaft e.V. beruht. Um die Auswirkungen beider Interventionen auf Alltagsfertigkeiten,
Lebensqualität und Betreuungskompetenzen zu ermitteln, setzen die Forscher vor und
nach dem Interventionszeitraum sowie 16, 26 und 52 Wochen später verschiedene Assessments
ein. Darunter die Performance Scale of the Interview for Deterioration in Daily Living
Activities in Dementi (IDDD) und das Perceive, Recall, Plan and Perform System (PRPP)
(ergopraxis 2/10, „Asessment: PRPP”).
Da die deutsche Studie vielfältige Anpassungen erfordert, rechnen die Forscher mit
vergleichsweise geringeren Effektgrößen. Ihnen steht beispielsweise deutlich weniger
Zeit zur Verfügung, und sie mussten das AMPS durch das PRPP ersetzen. Dennoch gehen
sie davon aus, dass die Ergebnisse der WHEDA-Studie wesentliche Impulse für eine effektive
ergotherapeutische Behandlung von demenziell erkrankten Menschen in Deutschland liefern
könnten.
fk
Kommentar
Diese Studie besitzt das Potenzial, die ergotherapeutische Behandlung von demenziell
erkrankten Menschen in Deutschland nachhaltig zu beeinflussen. Betrachtet man die
deutschsprachige Fachliteratur zu diesem Thema, so orientieren sich herkömmliche Behandlungsprogramme
überwiegend an Konzepten aus den Bezugswissenschaften wie der Geragogik oder der Pflegewissenschaft.
Versteht man das alltägliche Handeln jedoch als zentralen Gegenstand der Ergotherapie,
so sollte sich unsere Profession auch im Umgang mit demenziell erkrankten Menschen
möglichst handlungs- und alltagsorientiert ausrichten. Die niederländischen Kollegen
könnten dabei als Vorbild dienen, da sie über eine ergotherapeutische Leitlinie für
die Behandlung dieser Klientel verfügen. Das hier evaluierte Interventionsprogramm
basiert auf dieser Leitlinie und soll Menschen mit leichten und moderaten Demenzformen
darin unterstützen, für sie bedeutsame Handlungen wieder besser zu bewältigen. Falls
die Ergebnisse der WHEDA-Studie zeigen, dass dieses Programm auch in Deutschland zu
signifikanten Effekten führt, werden hoffentlich bald weitere Veröffentlichungen und
konkrete Weiterbildungsmöglichkeiten zu diesem Behandlungskonzept folgen.
Florence Kranz, Ergotherapeutin (bc.)
BMC Geriatrics 2009: 9: 44–59