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DOI: 10.1055/s-0030-1255017
CRPS I – Therapieschmerzen ignorieren
Publication History
Publication Date:
21 May 2010 (online)
Helga Nolte (hebe), BSc, ist Physiotherapeutin und lebt in Paderborn. Seit ihrem Praktikum bei physio praxis schreibt sie regelmäßig für die Rubrik physiowissenschaft.
Patienten mit einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (Complex Regional Pain Syndrome, CRPS) vom Typ I können ihre Funktion in der betroffenen Extremität verbessern, wenn sie während der Therapie auftretende Schmerzen ignorieren.
Das ist das Ergebnis einer Fallstudie von Jan-Willem Ek und seinem Team vom Bethesda Hospital Hoogeveen, Niederlande. Die Forscher untersuchten 106 Patienten, die seit mehr als neun Monaten an einem CRPS Typ I der oberen oder unteren Extremität litten. Sämtliche Therapien waren bisher erfolglos geblieben. Zu Beginn der Fallstudie klärte der Arzt zusammen mit dem Physiotherapeuten den Patienten und seinen Angehörigen darüber auf, dass der bei der Therapie auftretende, generalisierte Schmerz ein falsches Warnsignal sei – im Gegensatz zu den lokalen Schmerzen, die vor Verletzung schützen. Diese Dysregulation des Nervensystems sei jedoch reversibel. Nachdem der Therapeut das aktive und passive Bewegungsausmaß der betroffenen Gelenke gemessen hatte, vereinbarte er mit dem Patienten, den Schmerz während der Therapie zu ignorieren. Zu Beginn der Behandlung wurden die betroffenen Gelenke mit Traktionen und Translationen mobilisiert. Dann folgten assistive und aktive Bewegungen, die der Therapeut mit Stretching und, wenn nötig, mit intensiven Friktionen von Tenderpoints kombinierte. Die Probanden sollten außerdem zu Hause üben und die betroffene Extremität funktionell einsetzen. Die gesamte Intervention dauerte fünfmal 45 Minuten und fand in einem Zeitraum von maximal drei Monaten statt. Die Veränderungen der Hand- und Armfunktion ermittelten die Autoren mit dem Radboud Skills Test, die bei der Bein- und Fußfunktion mit Gehtests.
Bei 50 % der Patienten war die Funktion der betroffenen Extremität nach der Intervention wieder voll hergestellt. Bei insgesamt fünf Teilnehmern veränderte sich nichts. Die übrigen Patienten gesundeten partiell. Auch die Schmerzen in den betroffenen Extremitäten, gemessen mit einer visuellen Analogskala, nahmen bei 75 % der Patienten ab. 14 % der Teilnehmer hatten mehr Schmerzen als zu Beginn der Studie. Die restlichen Teilnehmer spürten keine Veränderung.
Die Wissenschaftler schlussfolgern, dass ihre Studienergebnisse zu einem neuen Therapieansatz in der Behandlung von CRPS führen könnten.
hebe
#Kommentar
Jan-Willem Ek und seine Kollegen beschreiben ihre therapeutischen Interventionen bei der Behandlung von CRPS I sehr detailliert. Sie orientieren sich mit ihrem Konzept der „Schmerzhaften Therapie” (pain exposure physical therapy) am zeitkontingenten Üben. Dabei trainieren die Patienten über einen bestimmten Zeitraum – auch wenn sie dabei Schmerzen haben. Im Gegensatz dazu steht das schmerzkontingente Üben, bei dem der Schmerz das Signal zum Pausieren setzt. Schmerzkontingentes Üben verstärkt jedoch gelerntes Schmerz- und Schonverhalten. Vermeidet der Therapeut die Schmerzen während der Therapie, bestärkt er den Patienten in dessen Angst, dass sie die Erkrankung verschlimmern könnten.
Die Forscher betonen, dass umfassende Aufklärung, Motivation und die Unterstützung der Patienten durch einen Partner wichtige Voraussetzungen dafür sind, dass die „pain exposure physical therapy” erfolgreich wird.