Rofo 2010; 182(6): 541-542
DOI: 10.1055/s-0030-1255453
DRG-Mitteilungen
Radiologie und Recht
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Neue Strafbarkeitsrisiken für niedergelassene Radiologen - OLG Braunschweig hält Bestechung von Vertragsärzten für möglich

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Rechtsanwälte Wigge

RA Dr. Peter Wigge Fachanwalt für Medizinrecht
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Publication Date:
01 June 2010 (online)

 
Table of Contents #

Einleitung

Das OLG Braunschweig hat in einem Beschluss vom 23.02.2010 (Az.: Ws 17/10) festgestellt, dass sich niedergelassene Ärzte nach § 299 StGB wegen sogenannter Bestechung im geschäftlichen Verkehr strafbar machen können.

Schon vorher waren die Geschäftsbeziehungen unter Vertragsärzten, Apothekern und Medizinprodukteherstellern und -händlern Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. So hat der BGH Vertragsärzte wegen Untreue verurteilt, weil diese medizinisch nicht indizierte Leistungen verordnet hatten. Wer Privatpatienten bewusst ohne medizinische Indikation behandelt, macht sich mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Betrugs strafbar. Die Berufsordnungen verbieten die Zuweisung gegen Entgelt ausdrücklich, Verstöße können berufsgerichtlich geahndet werden. Im Vertragsarztrecht verbietet § 128 SGB V zahlreiche Formen der Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten. Bei Verstöß en kann der Leistungserbringer für bis zu 2 Jahre von der Versorgung ausgeschlossen werden.

Das Problem bei der Bestechung im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB besteht vor allem darin, dass die Vorschrift sehr unbestimmt ist. Da die Vorschrift den Wettbewerb schützt, ist nicht erforderlich, dass ein Schaden bei der Krankenkasse verursacht wird. Zudem erfasst die Vorschrift ihrem Wortlaut nach eine Vielzahl alltäglicher Gefälligkeiten zur geschäftlichen Kontaktpflege. Die Abgrenzung von zulässigen und unzulässigen Verhaltensweisen kann dem juristischen Laien einige Schwierigkeiten bereiten.

Der Beschluss des OLG Braunschweig hat ein breites Medienecho hervorgerufen. Dieser Artikel soll über die rechtlichen Hintergründe aufklären und auf mögliche Konsequenzen der Entscheidung hinweisen.

In der Sache ging es um eine Kooperation zwischen einer onkologischen Gemeinschaftspraxis und einem Apotheker. Die onkologisch tätigen Ärzte erhielten von dem Apotheker einen Mietkostenzuschuss von monatlich 2000,00 Euro. Als der Apotheker diesen Posten steuerlich geltend machte, informierte die Finanzverwaltung die Staatsanwaltschaft. Als Anklage erhoben wurde, lehnte das zuständige Gericht zunächst die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, da die Annahme von geldwerten Vorteilen durch niedergelassene Ärzte grundsätzlich nicht strafbar sei. In dem sich anschließenden Beschwerdeverfahren entschied das OLG Braunschweig allerdings anders.

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Der Wortlaut der Vorschrift:

§ 299 StGB

Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr

(1) Wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einem Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebes einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er ihn oder einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen in unlauterer Weise bevorzuge.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Handlungen im ausländischen Wettbewerb.

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Bestechung im geschäftlichen Verkehr

Eine Bestechung im geschäftlichen Verkehr kann nur dadurch begangen werden, dass einem Angestellten oder Beauftragten eines Geschäftsbetriebes Vorteile gewährt werden. Da ein niedergelassener Arzt in der Regel selbständig und damit selbst Betriebsinhaber ist, ist er weder Angestellter noch Beauftragter seiner eigenen Praxis. Anders sieht es bei angestellten Ärzten in Krankenhäusern aus. Hier war Bestechung im strafrechtlichen Sinne schon länger möglich. Auch der in einem MVZ angestellte Arzt oder der in einer Gemeinschaftspraxis mit bestimmten Aufgaben betraute Arzt konnte bereits vor der Entscheidung des OLG Braunschweig im Sinne des § 299 StGB bestochen werden. Damit ein selbstständiger Arzt wegen Bestechung belangt werden kann, müsste er daher Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes sein und nicht dessen Inhaber.

Das OLG Braunschweig ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Vertragsarzt Beauftragter der Krankenkassen, also jeder einzelnen Kasse, ist. Dies wird vor allem damit begründet, dass er eine Schlüsselfigur in der Arzneimittelversorgung einnimmt und für die Krankenkasse handeln darf und muss. Er nehme durch die Art und Menge der verordneten Arzneimittel erheblichen Einfluss auf die betrieblichen Entscheidungen der Krankenkassen. Zudem erfülle der Vertragsarzt den Anspruch der Versicherten auf Krankenbehandlung aus § 27, 31 SGB V, den diese gegen ihre Krankenkasse geltend machen können. Im Grundsatz wird daher die Rechtsauffassung mit der Verordnungsbefugnis des Vertragsarztes zu Lasten der Kostenträger begründet. Ob sich die Rechtsauffassung des OLG Braunschweig durchsetzt, ist jedoch alles andere als sicher. Denn es gibt gute Gegenargumente. So wird der Vertragsarzt nicht von der jeweiligen Krankenkasse, sondern von den Zulassungsausschüssen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Anders als bei der vom BGH anerkannten Vermögensbetreuungspflicht im Bereich der Untreue, die der Vertragsarzt aufgrund seiner Schlüsselstellung im Bereich der Verordnung von medizinischen Leistungen zu Lasten der Krankenkassen innehat, ist es für § 299 StGB demgegenüber erforderlich, dass der "Beauftragte" tatsächlich im Geschäftsbetrieb tätig ist. Im Geschäftsbetrieb der Krankenkassen wird der Vertragsarzt jedoch bereits deshalb nicht tätig, da er in wirtschaftlicher Hinsicht unabhängig und freiberuflich tätig ist. Wenn man überhaupt die Stellung eines Beauftragten in diesem Sinne annehmen möchte, dann eher im Verhältnis zur jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung, der der Vertragsarzt kraft der ihm erteilten Zulassung als Zwangsmitglied angehört. Auch dies dürfte jedoch in strafrechtlicher Hinsicht kaum ausreichend sein, da unter Begriffen wie "geschäftlichem Betrieb" und "geschäftlichem Verkehr" tatsächliche Geschäftsbeziehungen auf zivilrechtlicher Vertragsgrundlage oder gesellschaftsrechtliche Beteiligungsverhältnisse und keine öffentlich-rechtlichen Leistungsbeziehungen und Zwangsmitgliedschaften verstanden werden können.

Der Beschluss des OLG betrifft jeden Vertragsarzt und auch diejenigen, die mit Vertragsärzten in Geschäftsbeziehungen stehen. Damit sind nicht nur Apotheker, sondern auch andere Vertragsärzte und Leistungserbringer denkbare Tatbeteiligte. Wenn ein Radiologe einem Orthopäden zur Pflege der Zusammenarbeit daher Geschenke macht oder sonstige Vorteile gewährt, so kann dies bereits die Aufmerksamkeit der Staatsanwaltschaft erregen. Ebenso sind damit Vorteilsgewährungen der pharmazeutischen Industrie und des Großhandels, z.B. im Bereich des Kontrastmittel-und Radionuklideinkaufs, aber auch der Medizinprodukteindustrie im Bereich radiologischer Geräte kritisch zu beurteilen. Entscheidend ist, dass es anders als bei Betrug und Untreue, nicht darauf ankommt, dass den Krankenkassen durch das betreffende Verhalten ein Schaden entstanden ist.

Eine Bestechung setzt voraus, dass dem Bestochenen ein Vermögensvorteil gewährt wird. Im vorliegenden Fall ist die Vorteilsgewährung unproblematisch - ein monatlicher Mietkostenzuschuss von 2000,00 Euro an den Vertragsarzt ist ein Vorteil im Sinne des Gesetzes. Es wird aber darauf hingewiesen, dass die Vorschrift auch immaterielle Vorteile erfasst, und dies auch, wenn sie an Dritte gewährt werden. Dritter kann grundsätzlich jeder sein, nicht nur, beispielsweise, Verwandte des Vertragsarztes.

Damit eine strafbare Bestechung vorliegt, muss eine Unrechtsvereinbarung zwischen dem Beauftragten (also dem Kassenarzt) und demjenigen, der den Vorteil gewährt, vorliegen. Dies ist der Fall, wenn der Vorteil als Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung gewährt wird. Die Gegenleistung muss nicht klar bestimmt sein. Andererseits liegt keine Bestechung vor, wenn die Zuwendung nur der Herbeiführung allgemeinen Wohlwollens dient. Auch ist allgemein anerkannt, dass nicht jede geldwerte Gefälligkeit eine Bestechung ist. Je nach Umfang und Häufigkeit der Zuwendungen dürfte es allerdings schwierig sein, Staatsanwalt und Strafrichter davon zu überzeugen, dass bestimmte Gegenleistungen nicht zumindest beabsichtigt waren, denn dies genügt bereits für eine Strafbarkeit. Die Vorteilsgewährung muss zudem unlauter und nicht sozialadäquat sein.

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Folgen der Entscheidung

Sollte sich die Auffassung des OLG Braunschweig durchsetzen, ist mit einer Ausweitung der zunächst auf Abrechnungsbetrug ausgerichteten staatsanwaltlichen Ermittlungen auf Bestechungen im Sinne von § 299 StGB zu rechnen. Die Staatsanwaltschaft ist zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens verpflichtet, wenn ihr Tatsachen bekannt werden, die es möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt. Bereits ab diesem Punkt ist die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen des Tatverdächtigen möglich. Ärzte genießen hier etwas mehr Schutz als andere Tatverdächtige. Bei der Anordnung einer Durchsuchung ist zu berücksichtigen, dass in einer Arztpraxis eine Vielzahl sensibler Patientendaten gelagert werden. Die Rechte der Patienten auf Datenschutz sind bei der Anordnung einer Durchsuchung zu berücksichtigen. Allerdings werden Untersuchungen häufig ohne eingehende Prüfung angeordnet, da die zuständigen Ermittlungsrichter nicht genug Zeit für eine sorgfältige Prüfung haben. Im Falle eines Freispruchs oder einer Einstellung des Strafverfahrens kann der Geschädigte auf Entschädigung hoffen - der Schaden am Ruf des Betroffenen wird indes nicht ersetzt. Auch führt die Rechtswidrigkeit einer Hausdurchsuchung in der Regel nicht zu einem Beweisverwertungsverbot im Prozess.

Wenn sogenannte "Zufallsfunde" bei einer Hausdurchsuchung den Verdacht auf weitere Straftaten begründen, können diese für weitere Ermittlungen verwendet werden.

Die Staatsanwaltschaft ist zudem gesetzlich verpflichtet, die Ärztekammer über die Erhebung einer Anklage oder etwa den Erlass eines Haftbefehls zu informieren. Bereits vor der Erhebung der Anklage ist die StA allerdings nach ihrem Ermessen befugt, Mitteilung an die KV oder an die Kammer zu machen. Dies kann erhebliche berufs-und vertragsarztrechtliche Folgen, wie berufsgerichtliche, disziplinarrechtliche Verfahren und nicht zuletzt den Entzug der Approbation und der vertragsärztlichen Zulassung zur Folge haben. Zudem ist nicht gewährleistet, dass die zuständigen Stellen das Verfahren und einen eventuellen Abschluss desselben, etwa bei einer Einstellung gegen Auflage, mit der gebotenen Unvoreingenommenheit bewerten.

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Ergebnis

Der Beschluss des OLG Braunschweig kann Grundlage für die Ausweitung von Ermittlungsverfahren gegen niedergelassene Ärzte und damit auch gegen Radiologen sein. Ob die Rechtsauffassung des OLG Braunschweig mit den gesetzlichen Vorgaben in § 299 StGB im Einklang steht, wird voraussichtlich jedoch erst durch den Bundesgerichtshof geklärt werden. Sollte sich die Rechtsauffassung des OLG jedoch durchsetzen, dürfte dies erhebliche Auswirkungen auf das unternehmerische Handeln niedergelassener Radiologen haben. Während sich ärztliche Strafbarkeitsrisiken bislang auf evidentes Fehlverhalten - wie Abrechnungsbetrug und Untreue zu Lasten der Krankenkassen - beschränkten, muss ein niedergelassener Arzt dann befürchten, auch wegen berufsrechtlich relevanter Verstöße in das Visier der Staatsanwaltschaft zu geraten.

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