Pneumologie 2010; 64(7): 453-455
DOI: 10.1055/s-0030-1255516
Workshop

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ausgewählte Veränderungen in den oberen Atemwegen des Pferdes – ein Überblick

K.  Fey1
  • 1Klinik für Pferde, Innere Medizin, der Justus-Liebig-Universität Gießen
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PD Dr. Kerstin Fey

Klinik für Pferde, Innere Medizin

Frankfurter Str. 126
35392 Gießen

Email: Kerstin.Fey@vetmed.uni-giessen.de

Publication History

Publication Date:
14 July 2010 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Pferde sind aufgrund ihrer obligaten Nasenatmung auf patente Nasengänge angewiesen.

Eine Vielzahl endoskopisch zu differenzierender dynamisch obstruktiver Veränderungen im pharyngealen und laryngealen Bereich kann verhindern, dass das Pferd als Athlet seine individuelle Höchstleistung erzielt.

Die anatomische Besonderheit der Luftsäcke prädisponiert zu speziesspezifischen Erkrankungen.

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Abstract

Horses are obligate nasal breathers and depend on patency of their nasal passages.

Several dynamic obstructive diseases in the pharyngeal and laryngeal area can be differentiated by high speed treadmill endoscopy and may be responsible for impaired exercise tolerance in the equine athlete.

The anatomical specialty of guttural pouches predisposes the horse to species-specific diseases.

Hinsichtlich der Funktion der oberen Atemwege des Pferdes sei zunächst betont, dass es sich bei Equiden um obligate Nasenatmer handelt. Ein langes Gaumensegel verhindert auch bei erheblicher Dyspnoe, dass diese Tiere durch die Mundhöhle atmen können. Daher ist die Durchgängigkeit der Nasengänge überlebensnotwendig.

Eine anatomische Besonderheit stellt das sogenannte falsche Nasenloch dar: als Verlängerung der ventralen Nasenmuschel bildet sich eine Flügelfalte aus, die medial zusammen mit der äußeren Haut eine ca. 8 – 10 cm lange, blind endende Nasentrompete des Pferdes formt. Als Schönheitsfehler, also ohne Verengung der Luftwege, kann es zu epithelialen Einschlusszysten kommen, die das kaudale Ende der Nasentrompete äußerlich vorwölben ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Erkennbares kaudales Ende (*) des falschen Nasenlochs eines Pferdes, da durch Atherom vorgewölbt.

Die in der Ruhe umgekehrt kommaförmigen Nüstern werden bei forcierter Atmung durch Kontraktion der Nasenmuskulatur fast kreisrund geweitet. Ist die Flügelfalte verdickt, verbreitert oder wird sie nicht richtig angehoben, so wird sie bei körperlicher Belastung in die rostralen Atemwege eingesogen und verursacht einen Stridor. Ihre chirurgische Entfernung kann die Leistungsfähigkeit solcher Pferde verbessern [1].

Eine als speziesspezifisch beschriebene Neoplasie, das sogenannte progressive Siebbeinhämatom, geht typischerweise von der Submukosa der stark vaskularisierten ethmoidalen Turbinalien aus. Diese nicht metastasierende und nicht infiltrativ wachsende – aber Nasengänge und teilweise Nebenhöhlen mechanisch verlegende – Umfangsvermehrung verursacht in ihrer Umgebung Drucknekrosen. Ein typisches klinisches Zeichen besteht in einem tröpfelnden blutigen Nasenausfluss. Es handelt sich nicht um einen soliden Tumor; nach chirurgischer Exzision entleert sich meist eine sero-sanguinöse Flüssigkeit. Da die Neoplasie aufgrund ihrer Lokalisation oft nur unvollständig entfernt werden kann, kommt es häufig zu Rezidiven. Eine Möglichkeit der chemischen Verödung besteht in der intratumoralen Injektion einer 4 %igen gepufferten Formalinlösung [2].

Transnasal endoskopisch ist zuweilen eine sogenannte eingefangene Epiglottis auffällig. Dabei umfängt die physiologischerweise ventral des Kehldeckels liegende Schleimhaut diesen nach dorsal. Im endoskopischen Bild ist dann weder die knorpelige Umrandung noch die deutliche Gefäßzeichnung erkennbar, sondern ein wulstig erscheinender Schleimhautüberzug verdeckt zumindest die lateralen Anteile des Kehldeckels. Bei der Exspiration kann es zur Aufblähung dieser Schleimhautfalte und somit Verengung des Atemtraktes kommen. Häufiger verursacht die eingefangene Epiglottis allerdings eine Dysphagie mit Regurgitieren des Futters aus den Nüstern und die Futteraufnahme begleitende Hustenanfälle. Wichtigste Differenzialdiagnose stellt die Dorsalverlagerung des weichen Gaumens dar. Das lange Gaumensegel des Pferdes verdeckt dann die Epiglottis und es bildet sich eine V-förmige Falte. Diese Verlagerung kann intermittierend auftreten und wird häufig begleitend, z. B. bei den nicht seltenen entzündlichen Veränderungen in diesem Bereich, gesehen. Wie viele Einengungen im Bereich der oberen Atemwege wird die Dorsalverlagerung des Gaumensegels meist erst bei körperlicher Belastung symptomatisch. Vollblutpferde im Rennen erreichen Atemstromstärken von bis zu 75 l/s und inspiratorisch subatmosphärische Intrapleuraldrücke von – 30 cm H2O. Die nicht direkt Knorpel oder Knochen anliegenden pharyngealen und laryngealen Bereiche müssen aktiv weitgestellt bzw. unter Spannung gehalten werden, um eine optimale Luftpassage in die Trachea zu gewährleisten. Für die Diagnostik dynamischer Obstruktionen der oberen Atemwege werden Videos von Endoskopien genutzt, die während der körperlichen Belastung des Pferdes auf einem Laufband erstellt werden. Auch haben Endoskope, die während des Reitens am Kopf des Tieres fixiert sind und Bilder aus Rachen- und Kehlkopfbereichen liefern, Marktreife erlangt. Eine Reihe von Kollapszuständen kann so differenziert werden. Im Fall der Dorsalverlagerung des weichen Gaumens kann es durch die belastungsbedingten tieferen subatmosphärischen Drücke bei der Inspiration zu einem Ansaugen des verlagerten Gaumensegels bis unter das Pharynxdach kommen [3]. Dies führt zu einem kompletten Verschluss des Atemwegs und damit zur Leistungsverweigerung des betroffenen Pferdes.

Eine weitere häufige – und unter Umständen unter Belastung zu einem vollständigen Verschluss des Larynx führende – Veränderung ist nerval bedingt. Aus unbekannten Gründen verlieren dabei typischerweise die Axone des distalen Nervus laryngeus recurrens sinister ihre Myelinscheiden. Klinisch steht der Funktionsmangel des Musculus cricoarytenoideus dorsalis im Vordergrund: der wichtigste Abduktor des linksseitigen Aryknorpels atrophiert. Bereits in Ruhe kann dies zu einem in das Lumen der Rima glottis hängenden Aryknorpel führen. Oft sind solche Veränderungen aber nur unter forcierter Atmung zu erkennen – dann kann der spannungslose linke Aryknorpel während der Inspiration soweit nach rechts verlagert werden, dass ein vollständiger Verschluss der Rima glottis resultiert. Aufgrund des bei Belastung entstehenden, oft charakteristisch pfeifenden, inspiratorischen Atemgeräusches wird diese Erkrankung auch als Kehlkopfpfeifen des Pferdes bezeichnet.

Als weitere anatomische Besonderheit der Equiden sei die starke Ausweitung der Ohrtrompete genannt, die als Luftsack (Diverticulum tubae auditivae) bezeichnet wird. Diese bilateral symmetrisch ausgeprägten Höhlen haben bei erwachsenen Pferden ein Volumen von jeweils ca. 500 ml. Ihr Sinn wird darin gesehen, die Kopfbeweglichkeit zu verbessern. Zudem wird diskutiert ob sie dazu beitragen, die bei körperlicher Hochleistung auf über 40 ° C erhöhte Bluttemperatur zu mindern. Da die Carotiden direkt unter der Schleimhaut verlaufen bevor sie in die Schädelhöhle eintreten, würde die Abkühlung des in ihnen pulsierenden Blutes durch die umgebende Luft einen Schutz des Gehirns vor Überwärmung bewirken. A. carotis interna, A. carotis externa und A. maxillaris verlaufen endoskopisch deutlich sichtbar direkt unter der Mukosa, ebenso wie N. vagus und für den Schluckakt und die Kehlkopffunktion wichtige Kopfnerven ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Endoskopie eines linksseitigen Luftsacks eines Pferdes. S: Stylohyoid. A: Arteria carotis interna. N: Nervenfalte, in der u. a. N. vagus, N. glossopharyngeus und N. hypoglossus verlaufen.

Aufgrund ihrer Lokalisation sind diese Strukturen für Schädigungen infolge entzündlicher Erkrankungen der Schleimhaut prädisponiert. An erster Stelle steht hier die Luftsackmykose, bei der vorwiegend Aspergillen die Arterienwand infiltrieren und zu hochgradiger Epistaxis bis hin zum Verbluten führen können. Ligatur der betroffenen Arterien bzw. die Thrombosierung des geschädigten Arterienanteils über kathetergeleitete Platzierung von Embolisaten kann zur vollständigen Abheilung der Mykose führen [4]. Befallen die Pilze die subepithelial verlaufenden Nerven, so ist das klinische Zeichen meist eine Dysphagie.

Da die in den Nasopharynx mündenden Luftsackklappen oberhalb des tiefsten Punktes der Luftsacklumina liegen, sammelt sich entzündliches Sekret hier oftmals an. Ein Luftsackempyem bildet sich aufgrund fortgeleiteter bakterieller Infekte der respiratorischen Mukosa des Nasopharynx oder nach Abszedierung des retropharyngealen Lymphknotens in den Luftsack hinein. Für diese Lymphadenitis ist meist Streptococcus equi subspezies equi verantwortlich, der Erreger der Druse des Pferdes. Bei Fütterung vom Boden wird die Entleerung des Luftsackes erleichtert, da bei tiefer Kopfposition die Luftsacköffnung relativ zum Luftsackboden günstiger liegt und sich beim Schluckakt die Luftsackklappen öffnen. Verbleibt ein Empyem über längere Zeit, so können Konkremente entstehen, die endoskopisch mittels Körbchen oder offen chirurgisch entfernt werden müssen.

Bei der Luftsacktympanie kommt es infolge einer genetischen Disposition [5] zu einer fehlerhaften Ausprägung der Luftsackklappe. Bei dieser Erkrankung kann die Luft den Luftsack aber nicht mehr verlassen, und er bläht sich nach außen sichtbar immer mehr auf. Meist zeigt sich dann bereits im Fohlenalter äußerlich eine prall luftgefüllte Umfangsvermehrung zwischen Unterkiefer und Hals, die durch innere Kompression des Pharynx und der oberen Trachea zu hochgradiger Dyspnoe führen kann. Da die Klappen meist unterschiedlich stark verändert sind, ist das klinische Bild oft einseitig ausgeprägt. Eine elegante Therapie besteht in der Laser-endoskopischen Fensterung der medianen Lamelle zwischen den beiden Luftsäcken, so dass die Luft über die nicht oder weniger betroffene Seite entweichen kann [6].

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Literatur

  • 1 Hawkins J F, Tulleners E P, Evans L H, Orsini J A. Alar fold resection in horses: 24 cases (1979 – 1992).  J Am Vet Med Assoc. 1995;  206 1913-1916
  • 2 Conti M B, Marchesi M C, Rueca F, Puccetti M. Diagnosis and treatment of Progressive Ethmoidal Haematoma (PEH) in horses.  Vet Res Commun. 2003;  27 Suppl. 1 739-743
  • 3 Holcombe S J, Ducharme N G. Disorders of the nasopharynx and soft palate. In: McGorum BC, Dixon PM, Robinson NE, Schumacher J, eds. Equine Respiratory Medicine and Surgery. Philadelphia; Saunders Elsevier 2007: 437-457
  • 4 Schneider M, Fey K, Tellhelm B. et al . Perkutaner Verschluss arterieller Gefäße durch permanente Embolisate zur Therapie einer Luftsackblutung beim Pferd.  Tierärztliche Praxis. 1998;  26 (G) 211-215
  • 5 Zeitz A, Spötter A, Blazyczek I. et al . Whole-genome scan for guttural pouch tympany in Arabian and German warmblood horses.  Anim Genet. , (epub) PMID 19703122. 2009; 
  • 6 Blacyczek I, Hamann H, Deegen E. et al . Retrospective analysis of 50 cases of guttural pouch tympany in foals.  Vet Rec. 2004;  154 261-264

PD Dr. Kerstin Fey

Klinik für Pferde, Innere Medizin

Frankfurter Str. 126
35392 Gießen

Email: Kerstin.Fey@vetmed.uni-giessen.de

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Literatur

  • 1 Hawkins J F, Tulleners E P, Evans L H, Orsini J A. Alar fold resection in horses: 24 cases (1979 – 1992).  J Am Vet Med Assoc. 1995;  206 1913-1916
  • 2 Conti M B, Marchesi M C, Rueca F, Puccetti M. Diagnosis and treatment of Progressive Ethmoidal Haematoma (PEH) in horses.  Vet Res Commun. 2003;  27 Suppl. 1 739-743
  • 3 Holcombe S J, Ducharme N G. Disorders of the nasopharynx and soft palate. In: McGorum BC, Dixon PM, Robinson NE, Schumacher J, eds. Equine Respiratory Medicine and Surgery. Philadelphia; Saunders Elsevier 2007: 437-457
  • 4 Schneider M, Fey K, Tellhelm B. et al . Perkutaner Verschluss arterieller Gefäße durch permanente Embolisate zur Therapie einer Luftsackblutung beim Pferd.  Tierärztliche Praxis. 1998;  26 (G) 211-215
  • 5 Zeitz A, Spötter A, Blazyczek I. et al . Whole-genome scan for guttural pouch tympany in Arabian and German warmblood horses.  Anim Genet. , (epub) PMID 19703122. 2009; 
  • 6 Blacyczek I, Hamann H, Deegen E. et al . Retrospective analysis of 50 cases of guttural pouch tympany in foals.  Vet Rec. 2004;  154 261-264

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Abb. 1 Erkennbares kaudales Ende (*) des falschen Nasenlochs eines Pferdes, da durch Atherom vorgewölbt.

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Abb. 2 Endoskopie eines linksseitigen Luftsacks eines Pferdes. S: Stylohyoid. A: Arteria carotis interna. N: Nervenfalte, in der u. a. N. vagus, N. glossopharyngeus und N. hypoglossus verlaufen.