Ergebnisse
1. Metaanalyse von Filippelli et al. [19]
Filippelli et al. [19] ([Tab. 1 a – c]) werteten in ihrer Metaanalyse 21 kontrollierte Studien mit insgesamt 24 832 asbestexponierten Personen aus. Im Vergleich zu Kontrollpersonen waren neben restriktiven Veränderungen im Gesamtkollektiv signifikante Reduktionen von FEV1/FVC, PEF, FEF50, FEF25 – 75, TGV und RV/TGV sowie ein signifikanter Anstieg der Resistance (R) festzustellen ([Tab. 1 a]). FEV1/FVC, FEF25 – 75, TGV, RV/TGV und Resistance zeigten gleichartige signifikante Abweichungen auch unter nichtrauchenden Asbestarbeitern ([Tab. 1 b]). FEF25 – 75, TGV und RV/TGV waren signifikant stärker unter rauchenden als unter nichtrauchenden Exponierten verändert ([Tab. 1 c]).
Tab. 1 a Metaanalyse zur Lungenfunktion unter Asbestarbeitern, Einzelheiten s. Text (aus: Filippelli et al. 2008) [19].
Alle Exponierten (exp.) vs. nichtexponierte Kontrollen (Kontr.).
Parameter | Gruppe | n | | | Metaanalyseindikatoren |
| | | Ergebn. | ES, Z | I2, % | REM/FEM | P |
TGV | exp. Kontr. | 1476 456 | ↑ | 15,034 | – | WMD 0,833 [0,725; 0,942] | < 0,001 |
RV/TGV | exp. Kontr. | 738 228 | ↑ | 3,856 | 92,983 | SMD 1,190 [0,585; 1,795] | < 0,001 |
FEV1/FVC | exp. Kontr. | 2615 1561 | ↓ | 2,924 | 94,119 | SMD –0,475 [–0,794; – 0,157] | = 0,003 |
PEF | exp. Kontr. | 233 215 | ↓ | 2,230 | 90,188 | SMD –0,979 [–1,838; – 0,119] | = 0,026 |
FEF50
| exp. Kontr. | 400 335 | ↓ | 2,251 | 90,256 | SMD –0,651 [–1,219; – 0,084] | = 0,024 |
FEF25 – 75
| exp. Kontr. | 2838 1242 | ↓ | 2,328 | 90,406 | SMD –0,281 [–0,517; – 0,044] | = 0,020 |
R | exp. Kontr. | 33 39 | ↑ | 3,465 | 3,954 | WMD 0,910 [0,395; 1,435] | = 0,001 |
↑: signifikant höher in der exponierten Gruppe; ↓: signifikant erniedrigt in der exponierten Gruppe; WMD: gewichtete mittlere Differenz; SMD: standardisierte mittlere Differenz; I2 = Inkonsistenzmaß, ES = Effektgröße, REM = Random-Effekt-Modell, FEM = fixiertes Effektmodell. |
Tab. 1 b Metaanalyse zur Lungenfunktion unter Asbestarbeitern, Einzelheiten s. Text (aus: Filippelli et al. 2008) [19].
Exponierte Nichtraucher vs. nichtexponierte Nichtraucher.
Parameter | Gruppe | n | | Metaanalyseindikatoren |
| | | Ergebn. | I2, % | REM/FEM | P |
TGV | exp. Kontr. | 310 134 | ↑ | – | WMD 0,701 [0,494; 0,909] | < 0,001 |
RV/TGV | exp. Kontr. | 155 67 | ↑ | – | WMD 0,843 [0,546; 1,140 | < 0,001 |
FEV1/FVC | exp. Kontr. | 264 403 | ↓ | 94,468 | SMD –1,451 [–2,406; – 0,496] | = 0,003 |
PEF | exp. Kontr. | 18 53 | n. s. | – | WMD –0,236 [–0,433; – 0,038] | = 0,562 |
FEF50
| exp. Kontr. | 49 57 | n. s. | 63,191 | SMD –0,334 [–0,946; 0,277] | = 0,284 |
FEF25 – 75
| exp. Kontr. | 318 155 | ↓ | – | WMD –0,158 [–0,694; – 0,377] | = 0,019 |
R | exp. Kontr. | 27 20 | ↑ | – | WMD 1,089 [0,470; 1,707] | = 0,001 |
↑: signifikant höher in der exponierten Gruppe; ↓: signifikant erniedrigt in der exponierten Gruppe; WMD: gewichtete mittlere Differenz; SMD: standardisierte mittlere Differenz; I2 = Inkonsistenzmaß, REM = Random-Effekt-Modell, FEM = fixiertes Effektmodell. |
Tab. 1 c Metaanalyse zur Lungenfunktion unter Asbestarbeitern, Einzelheiten s. Text (aus: Filippelli et al. 2008) [19].
Exponierte Raucher (AR) vs. exponierte Nichtraucher (NR.).
Parameter | Gruppe | n | | Metaanalyseindikatoren |
| | | Ergebn. | I2, % | REM/FEM | P |
TGV | AR NR. | 1166 620 | ↑ | 54,065 | SMD 0,267 [0,169; 0,365] | < 0,001 |
RV/TGV | AR NR. | 583 310 | ↑ | 93,599 | SMD 0,745 [0,180; 1,309] | = 0,010 |
FEV1/FVC | AR NR. | 841 361 | n. s. | 98,019 | SMD 1,118 [–0,039; 2,276] | = 0,058 |
PEF | AR NR. | 124 189 | n. s. | – | WMD 0,002 [–0,492; 0,497] | = 0,992 |
FEF50
| AR NR. | 209 26 | n. s. | 98,946 | SMD –3,102 [–9,212; 3,008] | = 0,320 |
FEF25 – 75
| AR NR. | 1251 628 | ↓ | 94,541 | SMD –0,281 [–0,517; –0,044] | = 0,001 |
R | AR NR. | 19 20 | n. s. | – | WMD 0,3154 [–0,574; 1,202] | = 0,488 |
↑: signifikant höher in der exponierten Gruppe; ↓: signifikant erniedrigt in der exponierten Gruppe; WMD: gewichtete mittlere Differenz; SMD: standardisierte mittlere Differenz; I2 = Inkonsistenzmaß, REM = Random-Effekt-Modell, FEM = fixiertes Effektmodell. |
Im Folgenden werden ergänzend Untersuchungen mit Angabe numerischer Lungenfunktionswerte und Berücksichtigung des radiologischen Befundes dargestellt, die in die vorgenannte Metaanalyse nicht eingingen.
2. FEV1/FVC einzelner Studien
In einer frühen Übersichtsarbeit [20] wurden bereits neben restriktiven Funktionseinschränkungen Befunde einer Obstruktion in asbestexponierten Kollektiven beschrieben (in den weitgehend linearen Dosis-Wirkungsbeziehungen der Nichtraucher und Raucher war die FEV1 stärker eingeschränkt als die FVC).
Die in [Abb. 1] wiedergegebenen neueren Literaturmitteilungen weisen konsistent und weitgehend unabhängig vom radiologischen Befund eine leichte, im Mittel vier- bis zwölf-prozentige Verminderung der FEV1/FVC aus.
Abb. 1 FEV1/VC- und FEF25 – 75-Mittelwerte*** in verschiedenen Studien von asbestexponierten Probanden in Abhängigkeit vom radiologischen Befund.
* Lungenfunktionsbezugswerte:
01. Crapo 1981
03. Quanjer 1993 [Cave: Diese FEV1- und FVC-Bezugswerte sind > 10 % zu niedrig (Roberts, MacRae et al. 1991; Baur, Isringhausen-Bley et al. 1999; Hankinson, Odencrantz et al. 1999; Koch, Schaper et al. 2009)]
04. Paoletti 1985
05. Cotes 1979
09. Brändli 1996
10. Goldman und Becklake 1959
11. Knudson 1983
13. Miller 1980
15. Boren 1966
16. Schmidt 1973
17. Viljanen 1982
18. Hedenström 1986
19. Miller 1986
** Berücksichtigung des Raucherstatus:
a) Adjustierung des Raucherstatus
b) nur Nieraucher
c) nicht differenziert, aber mit Informationen über den Raucherstatus
x = Inkludiert auch PP ohne DPF (geht nicht in die Berechnung des gewichteten Mittels ein)
xx = Inkludiert je 1x ILO 1 / 0 und ILO 1 / 1
Hier konnten mehrere asbestexponierte Kollektive wegen fehlender Bezüge auf Sollwerte nicht integriert werden. Dazu zählen Ohar et al. [8] (in 31,4 % FEV1/FVC < 70 %), Rosenstock et al. [21] (in 21,7 % FEV1/FVC unter dem Grenzwert), Chien et al. [22] (in 35 % FEV1/FVC < 70 %), Glencross et al. [23] (21 % obstruktive Ventilationsstörung) und Kennedy et al. [24], die in 21 % (unauffälliger Röntgenthorax), 33 % (Pleurafibrose) bzw. 19 % (Asbestose) eine Obstruktion und in jeweils in 8 bis 12 % zusätzlich eine kombinierte Ventilationsstörung beobachteten. Für eine Obstruktion bei freiem kostophrenischen Winkel ergab sich eine OR von 2,59 (95 % CI 0,7 – 10), bei verschwartetem kostophrenischen Winkel betrug die OR 5,31 (95 % CI 1 – 28). Auch Schwartz et al. [25], Bourbeau et al. [26] und Ameille et al. [27] fanden eine ausgeprägtere Obstruktion, wenn der kostophrenische Winkel einbezogen war; letztere Autoren beschrieben in Kollektiven mit unterschiedlichen pleuralen Befunden eine Belastungsdyspnoe in 34,5 – 54,6 % und eine chronische Bronchitis in 14,4 – 21,2 %. Nach Tonori et al. [28] nimmt die Häufigkeit obstruktiver Ventilationsstörungen bei zunehmendem Asbestosegrad ab (Grad 1 = 15,2 %, Grad 2 = 10 %, Grad 3 = 0 %).
Niebecker et al. [14] beschrieben ebenfalls signifikante Verminderungen der FEV1/FVC im Kollektiv mit Asbestose und/oder asbestbedingten Pleuraveränderungen. Dagegen war die FEV1/FVC-Abnahme bei Begin et al. [29] mit ca. 90 % des Sollmittelwertes nicht signifikant.
Bagatin et al. [30] fanden eine signifikante Assoziation zwischen Asbestose und/oder asbestbedingten Pleuraveränderungen einerseits und obstruktiver Ventilationsstörung (FEV1/FVC < 70 %) andererseits (OR 2,2, 95 % CI 1,55 – 3,11), 18 – 26 % waren obstruktiv.
Demers et al. [31] ermittelten nach mehr als 20-jähriger Asbestexposition eine Abnahme der FEV1/FVC auf 93,4 % des Sollmittelwertes.
Des Weiteren lassen sich aus ergänzenden Angaben, insbesondere aus den z. T. nur numerisch ausgewiesenen, relativ stärkeren FEV1- als FVC-Reduktionen auch ohne explizite Angaben der FEV1/FVC-Sollwertabweichungen, in weiteren Veröffentlichungen leichte obstruktive Ventilationsstörungen in asbestexponierten Kollektiven ableiten [10]
[13]
[32]
[33]
[34]
[35]
[36]
[37]
[38]
[39]
[40]
[41]
[42]
[43]
[44]
[45]. Dement et al. [6] stellten unter asbestexponierten Bauarbeitern/Isolierern von US amerikanischen Nuklearwaffenbasen eine Prävalenz der COPD von 18,7 % (OR 2,66; 95 % CI 1,46 – 4,97) fest (Vergleichskollektiv 6,7 %); bei Nachweis von Pleuraveränderungen wurde in 23 % und bei Nachweis von Pleura- und Parenchymveränderungen in 32,5 % in dem auch gegenüber anderen Stäuben belasteten Gesamtkollektiv eine COPD diagnostiziert. Ausnahmen hiervon stellen bei überwiegender Verwendung nicht zeitgemäßer Lungenfunktionssollwerte die Arbeiten von Begin et al. [46], Van Cleemput et al. [47], Schwartz et al. [25]
[48], Ameille et al. 2010 [49], Peric et al. [50] und Petrovic et al. [51] dar. Schwartz et al. [52] und Shih et al. [53] beschrieben lediglich bei Pleurafibrose (alle Grade zusammengefasst) bzw. bei diffuser Pleurafibrose eine reduzierte FEV1/FVC.
Multiple lineare Regressionsanalysen zeigen, dass asbestbedingte Pleuraveränderungen mit einer Reduktion der FEV1/FVC assoziiert sind [24]
[54]
[55]
[56]
[57]; (Ausnahme: [47]). Entsprechendes gilt für das Vorliegen einer Asbestose [24]
[30]
[54]
[55]
[56]
[58]. In etwa der Hälfte dieser Untersuchungen liegen signifikante Ergebnisse auf Basis von (HR)CT-Befunden vor. Glencross et al. 1997 [23] beschrieben signifikante Assoziationen zwischen der asbestbelastenden Tätigkeit im Schiffsbau und dem FEV1-Abfall unter Rauchern sowie zwischen der Dauer der Asbestexposition und dem FEV1-Abfall unter Nichtrauchern.
3. Flussvolumenwerte
Auch die FEF25 – 75 zeigt weitgehend unabhängig von Röntgenbefunden im Mittel leichte Einschränkungen in asbestexponierten Kollektiven. Moshammer und Neuberger [59] beschrieben zusätzlich eine signifikante Korrelation zwischen Asbestfaserdosis und FEF75-Abnahme (Koeffizient: – 0,05; 95 % CI 0,10 – 0,005).
a) Asbestexponierte ohne radiologisch fassbare Pleura- und Lungenveränderungen
Eine Reihe von Autoren beschrieben signifikante oder zumindest trendmäßige Verminderungen von FEF25 – 75, so Delpierre et al. [60] (signifikant), Wang et al. [61] (signifikant, dabei auch signifikanter jährlicher Abfall), Fischbein et al. [54] (Reduktion auf 88,2 ± 32,5 %), Jodoin et al. [62] (n. s.; Abnahme der FEF-Werte um 11 – 20 %), Kennedy et al.[24], Kilburn und Warshaw [13] (Nichtraucherkollektiv 89,9 %, Exraucher 78,2 % und aktuelle Raucher 71,8 %, in letzteren beiden Kollektiven signifikant erniedrigt; außerdem signifikante FEF75 – 85-Verminderungen), Begin et al. [63] (n. s.), Lebedova et al. [38] (82,6 ± 27,1 %, pathologische Werte in 32,2 % sowie von FEF75 69,8 ± 29,6 %, pathologische Werte in 53,8 %), Wang et al. [61] (signifikant), Neri et al. [40] (92,5 ± 30,2 %), Begin et al. [64] (nicht signifikant).
Im Kollektiv ohne radiologisch fassbare Veränderungen identifizierten Van Cleemput et al. [47] eine auf 80,9 % reduzierte FEF25. Oldenburg et al. [65] fanden eine Verminderung von FEF75, diskret auch von FEF50, ähnlich Rösler und Woitowitz [66] in Bezug auf die FEF50. Von Rosenstock et al. [21] wurde in 21,7 % eine Obstruktion (isoliert oder kombiniert) mitgeteilt.
Die nach langjähriger Asbestexposition feststellbaren Veränderungen im Sinne einer restriktiven Ventilationseinschränkung besitzen typischerweise auch eine obstruktive Komponente, welche durch erhöhte Isoflow-Werte (Zunahme der Atemflüsse unter Atmung mit einem Helium-Sauerstoffgemisch, d. h. geringerer Dichte) und einem erhöhten endexspiratorischen Atemwegswiderstand gekennzeichnet sind [67]. Begin et al. [64] beschreiben einen verminderten Isoflow unter Asbest-Arbeitern (n. s.).
Kennedy et al. [24] beobachteten im Gesamtkollektiv und bei Obliteration des kostophrenischen Winkels signifikante FEV1/FVC- und FEF25 – 75-Erniedrigungen; die Unterschiede waren nicht signifikant bei fehlender Beteiligung des kostophrenischen Winkels.
b) Asbestexponierte mit Pleurafibrose
Lebedova et al. [38] fanden signifikante FEF25 – 75-Verminderungen (50,5 % der Probanden der letzteren Autoren hatten pathologische Werte, wobei auch die FEF75 signifikant erniedrigt war).
In der Studie von Mohsenifar et al. [16] betrug die FEF25 – 75 91 ± 29 % des Sollmittelwertes. Entsprechende Befunde erhoben Van Cleemput et al. [47] (FEF75 84,8 %), Hedenstierna et al. [68] (signifikant erniedrigte FEF50 und FEF75), Hillerdal et al. [69] (FEF50 im Teilkollektiv mit bilateraler diffuser Pleurafibrose auf 50 % signifikant vermindert; FEF50 bei unilateraler diffuser Pleurafibrose und Pleuraplaques jeweils 85 %).
c) Asbestexponierte mit Asbestose
Angaben zu FEF25 – 75 finden sich bei Kennedy et al. [24], Prince et al. [70] (in beiden Arbeiten signifikant vermindert), Kilburn und Warshaw [13] (82,9 % bei Nichtrauchern, 71 % bei Exrauchern und 70 % bei aktuellen Rauchern, letztere jeweils signifikant; ebenfalls war FEF75 – 85 sowohl bei Nichtrauchern, Exrauchern und aktuellen Rauchern signifikant erniedrigt), Begin et al. [63] (n. s.), Begin et al. [64] (ca. 70 %; n. s.) sowie Neri et al. [40] (83,7 ± 33,4 %; n. s.).
Einschränkungen der FEF50 werden von Paris et al. [71], (80,7 ± 30 %) sowie Rösler und Woitowitz [66], (70,6 ± 5,9 %; signifikant) beschrieben.
d) Asbestexponierte mit Asbestose und/oder Pleuraveränderungen
In den Untersuchungen von Delpierre et al. [60] war FEF25 – 75 auf 65 ± 58 % signifikant erniedrigt und die Resistance auf 0,292 ± 0,023 kPa/l/s signifikant erhöht, wobei in 43 % eine Reversibilität der Obstruktion bestand.
Niebecker et al. [14] zeigten, dass die Resistance bei höherwertigen Asbestose- und Pleurabefunden signifikant erhöht war, wobei auch signifikante Unterschiede zwischen Nichtrauchern und Rauchern (ähnlich wie bei der FEV1/FVC) bestanden.
4. Synergistische Wirkung der Asbestbelastung und des Rauchens
Die bereits erwähnte Metaanalyse von Filipelli et al. [19] weist auf signifikante synergistische Effekte des Rauchens in asbestexponierten Kollektiven hin (sowohl bzgl. FEF25 – 75 als auch TGV, RV/TGV und Resistance), wobei die Effekte des Rauchens auf die exspiratorischen Flüsse und die der Asbestexposition auf die Parameter der großen Atemwege dominieren (vgl. [Tab. 1 b] und [Tab. 1 c]).
Entsprechende Ergebnisse werden in weiteren Arbeiten mitgeteilt, so von McDonald et al. [20], Dement et al. [6], Meldrum et al. [72], Chien et al. [22], Glencross et al. [23], Alfonso et al. [73], Begin et al. [74] (letztere mit einer Dosis-Wirkungsbeziehung hinsichtlich der FEV1-Abnahme).
Auch Bagatin et al. [30] konnten eine signifikante Assoziation zwischen obstruktiver Ventilationsstörung (FEV1/FVC < 70 %) und Rauchen unter Asbestarbeitern nachweisen (OR 1,56; 95 % CI 1,30 – 1,86); diese war bemerkenswerterweise aber schwächer ausgeprägt als die Assoziation der Obstruktion mit Asbestose und asbestbedingten Pleuraveränderungen.
Ähnlich beschrieben Niebecker et al. [14] bei Vorliegen von mittel- und v. a. höhergradigen Pleura- und/oder Lungenbefunden unter Rauchern eine signifikant verminderte FEV1/FVC und eine signifikant erhöhte Resistance.
Sue et al. [15] zeigten, dass sowohl die FEV1/FVC- als auch FEF25 – 75-Einschränkungen unter rauchenden Asbestarbeitern (86,5 % bzw. 69,7 %) signifikant stärker ausgeprägt waren als unter nichtrauchenden (95,3 % bzw. 97 %).
Neri et al. [40] wiesen im Gesamtkollektiv und auch im Teilkollektiv der Nichtraucher leichte Verminderungen von FEF25 – 75 (im Mittel von 11 bzw. 8 %) nach. Lebedova et al. [38] stellten eine signifikante FEF75- und eine nicht ganz signifikante FEF25 – 75-Abnahme unter rauchenden Asbestarbeitern fest.
Oldenburg et al. [65] fanden in dem Kollektiv mit Pleuraveränderungen nur unter Rauchern und Exrauchern Einschränkungen der FEV1/FVC und FEF50 (beide n. s.). Nieraucher hatten überdurchschnittlich gute Werte; dieses spricht für einen Healthy-worker-Effekt und damit eine Unterschätzung des Risikos.
Ähnliche Befunde erhoben Kilburn et al. [75] (FEV1/VC 75,6 %, 70,2 %, 67,8 %; FEF25 – 75 89,1 %, 78,2 % 71,8 %; FEF75 – 85 95,4 %, 67,5 %, 81,5 %; jeweils Nichtraucher, Exraucher, aktive Raucher in Bezug auf die Sollmittelwerte).
Auch Kilburn und Warshaw [13] beschrieben nur unter früher rauchenden Asbestarbeitern mit Pleuraveränderungen oder Asbestose FEV1/FVC-Einschränkungen; FEF75 – 85 war im Vergleich zu Nierauchern fünfmal stärker unter Exrauchern und viermal stärker unter aktuellen Rauchern reduziert.
Gleichartige Befunde erhoben Ohlson et al. [41]: Die FVC-Abnahmen betrugen 8,53 % bzw. 3,79 %, die FEV1-Abnahmen 9,41 % bzw. 3,66 % (jeweils Raucher bzw. Nichtraucher).
Diese vorgenannten Aussagen werden auch von Ohar et al. [8] bestätigt: Die FEV1/FVC betrug 76,8 ± 8,9 % unter Nichtrauchern, 71,0 ± 12,3 % unter Exrauchern und 68,7 ± 12,7 % unter aktiven Rauchern (p < 0,001).
5. Dosis-Wirkungsbeziehungen und Latenzzeit
Bagatin et al. [30] fanden in einer der umfangreichsten Studien an 3634 brasilianischen Chrysotil-Minenarbeitern, die zwischen 1940 und 1996 beschäftigt waren, eine signifikante Zunahme obstruktiver Ventilationsstörungen bei Vorliegen parenchymatöser oder pleuraler Veränderungen (neben einer Zunahme restriktiver Ventilationsstörungen). Dabei waren FEV1/FVC und FEF25 – 75 umso mehr eingeschränkt, je höher die Asbestdosis der einzelnen Gruppe war; allerdings ergab die multiple Regressionsanalyse keine signifikante Korrelation mit der kumulativen Asbestfaserbelastung.
6. Dosis-Wirkungsbeziehungen
Mehrere weitere Autoren fanden signifikante Dosis-Wirkungsbeziehungen [23]
[31].
Chien et al. [22] eruierten in einem 20-jährigen Follow-up eine signifikante Assoziation zwischen initialer FEV1/FVC-Einschränkung und einer raschen weiteren Verschlechterung.
Moshammer und Neuberger [59] ermittelten eine signifikante Korrelation zwischen Asbestfaserdosis und FEF75-Abnahme.
Über eine Abhängigkeit von der Expositionsdauer (Dosis) berichten auch Ohlson et al. 1985 [41] (stärkerer Abfall der FEV1 als der FVC in den Teilkollektiven mit einer Belastung von > 15 Faserjahren). Hunting und Welch [76] beschreiben eine Zunahme obstruktiver Atemwegserkrankungen nach mindestens 10jähriger Expositionszeit (OR 1,36, 95 % CI 0,43 – 4,28).
Diskussion
Mehrere bevölkerungsbezogene Studien weisen auf Überhäufigkeiten der COPD unter asbestexponierten Kollektiven hin, wobei allerdings meist keine detaillierten Angaben über die stattgefundene Belastung vorliegen [5]
[6]
[77]
[78].
Diese Literaturaus- und -bewertung belegt, dass die langjährige Asbestexposition mit einer offensichtlich von der Asbestfaser-Dosis, wahrscheinlich auch von der Latenzzeit abhängigen, überwiegend leichten obstruktiven Ventilationseinschränkung einhergeht. Entsprechende Befunde werden bereits bei normalem Röntgenthoraxbefund beobachtet (vgl. Kapitel 3 a, ferner Ohar et al. [8], Chien et al. [22], Demers et al. [31], Garcia-Closas et al. [55], Kouris et al. [79].
In der Mehrzahl der Veröffentlichungen wird eine leichte Zunahme der Obstruktionsparameter bei Vorliegen pleuraler Fibrosierungen mitgeteilt (vgl. Kapitel 2 und 3), teilweise mit positiven Assoziationen zwischen den Ausmaßen der radiologisch und funktionell erfassbaren Veränderungen (s. z. B. Fischbein et al. [54], Hillerdal et al. [69], Kouris et al. [79], Ohlson et al. [41], Piirilä et al. [80], Schwartz et al. [25], Shih et al. [53], Cotes und King [81], Robins und Green [82].
In den Kollektiven mit Asbestose zeigen sich im Mittel ähnliche Befunde wie im Kollektiv mit pleuralen Veränderungen, allerdings sind die Daten heterogener (vgl. Kapitel 2 und 3).
Ohar et al. [8] beschrieben ohne Bezug zum radiologischen Befund in einer 3383 ehemalige Asbestarbeiter umfassenden Kohorte mit einer Latenzzeit von 41±10 Jahren in 25,4 % eine obstruktive und in 6 % eine kombinierte Ventilationsstörung. Diese Arbeit, die allerdings einige Inkonsistenzen aufweist [12], betont ebenso wie jene von Harber et al. [83] die Unterschätzung der Obstruktion in Folge der Lungenblähung.
Delpierre et al. [60] werteten in einer retrospektiven Studie Bronchodilatationsdaten aus. Dabei ergab sich in 43 % der Asbestexponierten, die zu 65 % eine reduzierte FEV1 und FEV1/FVC aufwiesen (unabhängig davon, ob röntgenologisch fassbare Veränderungen vorlagen), ein mehr als 10 %iger FEV1-Anstieg oder ein mindestens 50 %iger Raw-Abfall.
Hinzuweisen ist auf z. T. normale Obstruktionsparameter bei Vorliegen einer Asbestose [27]
[46]
[48]
[52]. Entsprechendes gilt für einige Veröffentlichungen, die sich auf Kollektive mit Pleurafibrosen beziehen [47]
[50]
[51]. Die meisten der vorgenannten Autoren verwendeten allerdings die nicht zeitgemäßen Lungenfunktionssollwerte von Quanjer [84] (basieren auf Studien der 1960er- und 1970er-Jahre mit mindestens 10 % zu niedrigen FVC- und FEV1-Sollwerten) [85]
[86]
[87]
[88]
[89]
[90] bzw. von Goldman und Becklake [91]; Entsprechendes trifft auch zu für Schwartz et al. [25]
[48]
[52] und Shih et al. [53].
Jones et al. [11] beschreiben in dem von Kilburn und Warshaw [13] untersuchten Kollektiv unter Bezug auf die Referenzwerte von Morris et al. [92] deutlich geringere Abweichungen der Lungenfunktionsdaten als die Orginalarbeit. Smith [12] weist in einem Leserbrief hinsichtlich der Arbeit von Ohar et al. [8] auf Fehlermöglichkeiten der zu Grunde gelegten statistischen Verfahren hin.
Daneben können Healthy-worker-Effekte und unterschiedliche Grade der peribronchialen und interstitiellen Fibrosierung in den untersuchten Kollektiven sowie Confounder (andere intensive berufliche Staubbelastungen, unterschiedliches Rauchverhalten) für abweichende Befunde verantwortlich sein.
Nicht auszuschließen sind ferner Diskrepanzen zwischen den einzelnen Studien infolge unterschiedlicher Qualifikation des untersuchenden Personals sowie methodisch und gerätetechnisch bedingte Abweichungen.
Schließlich ergeben sich in mehreren Arbeiten Hinweise auf einen biphasischen Verlauf der Obstruktionsparameter mit einem frühen Beginn, aber anschließend bzw. dann bei höhergradigen radiologischen Befunden beobachtbarer rückläufiger Obstruktion. So fiel in den Untersuchungen von Dujic et al. [93] im Verlauf von 10 Jahren FEF25 – 75 von 100 % auf 90 % des Sollmittelwertes ab und stieg dann wieder in den folgenden 10 Jahren auf 100 % an. Dies kann, ebenso wie ein ähnlicher Befund weiterer Autoren [28]
[41]
[50]
[51]
[94], durch eine fibrosebedingte Stabilisierung der Atemwege bedingt sein.
Weder in den hier dargestellten Studien noch in einer früheren Übersichtsarbeit [17] unterschied sich die Funktionseinschränkung grundsätzlich zwischen den Diagnosen auf konventionell-radiologischer Basis und jenen, die mittels (HR)CT ermittelt wurden.
Auch fanden wir keinen Hinweis darauf, dass zwischen den verschiedenen Berufsgruppen mit Asbestexposition wesentliche Abweichungen in den Funktionseinschränkungen vorliegen.
Das Ergebnis unserer Literaturaus- und -bewertung wird in der Metaanalyse von Filippelli et al. [19] bestätigt; diese berücksichtigt allerdings nicht den radiologischen Befund und die Expositionsangaben. Die asbestexponierten Kollektive zeigen signifikante Abweichungen von FEV1/FVC (p = 0,003), FEF25 – 75 (p = 0,002), RV/TGV (p < 0,001) und Resistance (p = 0,001), wobei die mittlere Differenz von FEV1/FVC und Resistance unter den Asbestexponierten relativ stark durch die Asbestexposition und nicht eindeutig durch das Rauchen abweicht, andererseits die mittlere Differenz von FEF25 – 75 und v. a. von FEV75 [38]
[74] stärker durch das Rauchen als die Asbestexposition vermindert wurde.
Im Mittel bewegen sich die Sollwertabweichungen der einzelnen Lungenfunktionsparameter im unteren Norm- bzw. Grenzbereich. Im Einzelfall sind die stattgefundene Belastungsdosis, die synergistischen Effekte des Rauchens und die individuelle Suszeptibilität (vgl. die Streuung in den Kollektiven) zu berücksichtigen. Es bestätigt sich, dass jeder Einzelfall einer eingehenden Prüfung inklusive einer umfassenden Lungenfunktionsdiagnostik bedarf, deren Ergebnis im Verlauf (vgl. Voruntersuchungen) beurteilt werden sollte [95].
Der adverse Effekt der Asbestexposition auf die Lungenfunktion ist pathophysiologisch nicht ausschließlich als Folge einer unspezifischen allgemeinen staubinduzierten Atemwegsinflammation darzustellen. Hinzu kommen komplexe interstitielle Prozesse, die mit multiplen Zytokinfreisetzungen, Bildung von Sauerstoffradikalen und peribronchialer und interstitieller Fibrose, konsekutiven, bereits früh einsetzenden Beeinträchtigungen der Diffusion und Atemmechanik im Sinne einer kombinierten Ventilationsstörung mit Gasaustauschstörung einhergehen.
Rauchen weist nach den übereinstimmenden Daten der Metaanalyse von Filippelli et al. [19] und Ergebnissen weiterer Autoren synergistische Effekte zum Asbest auf und steht hierbei teilweise im Vordergrund [8]
[14]
[23]
[74]. Die in den meisten Untersuchungen ausgeprägtere Einschränkung der mittel- und endexpiratorischen Atemflüsse im Vergleich zur FEV1/FVC-Reduktion findet ein Korrelat in den pathologisch-anatomisch objektivierten Veränderungen i. S. eines Small airways diseases [96]. Bemerkenswerterweise geht Rauchen nach Untersuchungen von Churg and Stevens [97] mit einer 6 – 50fach höheren Asbestfaserdeposition im Bereich der Bronchioli respiratorii und der Alveolen einher.
Zusammenfassend ergibt diese auch in unserer ergänzenden Metaanalyse [98] bestätigte Literaturauswertung, dass die langjährige intensive Exposition gegenüber asbesthaltigen Stäuben nicht nur eine restriktive, sondern auch eine obstruktive Ventilationseinschränkung bewirkt. Dabei ergeben sich bzgl. der Letzteren synergistische Einflüsse durch das Rauchen, Irritanzien und nicht-asbesthaltige Staubanteile, die praktisch immer zusätzlich einwirken und sich in ihrer Wirkung oft kaum abgrenzen lassen. Die Reduktion aller Lungenfunktionsparameter ist in der überwiegenden Mehrzahl der Studien bereits ohne pathologischen Pleura- und Lungenparenchymbefund im konventionellen Röntgenbild und im CT festzustellen; im Allgemeinen nimmt die Funktionseinschränkung mit zunehmendem radiologischen Befund zu. Bourbeau et al. [26] stellen treffend fest: „Isolated pleural plaques are associated with a significant reduction in FEV1 und FVC, which cannot be attributed to the presence of radiographic and subradiographic pulmonary fibrosis”.