Aktuelle Dermatologie 2011; 37(1/02): 57
DOI: 10.1055/s-0030-1256208
Interview

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Jedes Mal, wenn ich die Praxis betrete, befällt mich ein Glücksgefühl

Working as a Dermatologist is a Source of HappinessProf. Dr. med. Hans Meffert im Gespräch mit Niels  Sönnichsen1
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Prof. Dr. med. Niels Sönnichsen

Arzt für Dermatologie

Kurfürstendamm 45
10719 Berlin

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. Februar 2011 (online)

Inhaltsübersicht
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H. Meffert: Herr Professor Sönnichsen, Ihre Sprechstunde hat heute wieder weitaus länger als gedacht gedauert. Geziemt sich das für einen Achtzigjährigen? Jetzt stehen Sie an der Praxistür, frisch, hellwach und liebenswürdig, ganz so wie vor 40 Jahren. Konkret gefragt: Was würden Sie anders machen, wenn Sie heute noch einmal anfangen müssten?

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Abb. 1 Prof. Dr. med. Niels Sönnichsen

N. Sönnichsen: Damals, als ich ein in einem Mecklenburger Pfarrhaus aufwachsendes Kind vom Lande war, hegte ich zwei Berufswünsche – Landwirt oder Arzt.

Als jungen Mitarbeiter am Biochemischen Institut der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald begeisterte ich mich für die Dermatologie als einem Fach mit vielen offenen Fragen und allerbesten Voraussetzungen, deren Lösung mit naturwissenschaftlichen Methoden anzugehen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Dann faszinierte mich die Humboldtsche Trias von Wissenschaft, studentischer Ausbildung und medizinischer Praxis. Das ist eine wunderbare Kombination, die Ideen und Erfahrung generiert, Wissen fordert und einen immer wieder auf den Boden der realen Welt zurück bringt. Später musste ich noch etwas über Management und Berufspolitik lernen. Beides kann dem Fach und seinen Klienten sehr nützen, wenn man sich nicht von fachfremden Interessenten vereinnahmen lässt.

Um Ihre Frage frank und frei zu beantworten: Ich würde wieder Dermatologe werden wollen.

H. Meffert: Welchen Zeitraum betrachten Sie heute als Ihren besten Lebensabschnitt?

N. Sönnichsen: Unbeschwert und sehr aktiv lebte ich in den Jahren 1966 – 1970, als ich mit 35 Jahren die Leitung der Hautklinik und Poliklinik der Friedrich-Schiller-Universität Jena übernommen hatte. Junge Ärzte wurden eingestellt und wir alle waren voller Tatendrang. Wir hatten die Vorstellung und den Willen, die damals weitgehend beschreibend-morphologische Dermatologie naturwissenschaftlich zu fundieren. Und so war unser erster Forschungsschwerpunkt der Lupus erythematodes (L. e.). Die Beschäftigung mit dem L. e. wurde damals als etwas recht Exotisches angesehen. Es war ja auch erst zu Beginn der klinischen Immunologie. Zunächst arbeiteten wir mit einem Tiermodell des L. e. (NZB/NZW-Maus), um bei kurzer Lebensdauer die Abläufe von Pathogenese und Klinik studieren zu können. Später haben wir uns auf klinische Prozesse konzentriert und dabei die pathogenetischen Mechanismen sowie Beziehungen zwischen Antikörperprofilen und Klinik studiert. Anfangs war wirklich nicht erkennbar, welch große Bedeutung Autoimmunprozesse auch für andere dermatologische Erkrankungen haben würden. Denken Sie nur an unsere heutigen Erkenntnisse zum atopischen Ekzem oder zur Psoriasis.

H. Meffert: Ihr persönlicher Stil im Umgang mit Assistenten und Oberärzten hat viel zu Ihrem Ansehen in den von Ihnen geleiteten Kliniken beigetragen. Für welche Gebiete konnten Sie Ihre Mitarbeiter besonders motivieren?

N. Sönnichsen: Erwähnen möchte ich hier nur die HIV-Frage. Gemeinsam mit einer Reihe weiterer Kollegen hatten wir die Problematik früh aufgegriffen und für die DDR ein Betreuungskonzept entwickelt, das nicht nur wirksam war, sondern auch international Anerkennung gefunden hat. In einer nüchternen Rückschau hat der auf diesem Gebiet besonders kritische „Spiegel” formuliert: „Das Konzept zur Verhütung und Bekämpfung der HIV-Infektion ist die einzige Disziplin, in der die ehemalige DDR eine Goldmedaille ohne Doping verdient hat.” Im Prozess der Vereinigung Deutschlands war ich mitverantwortlich für die Zusammenführung dieser Aufgaben. Auf deutscher Ebene lief es komplikationslos. In Berlin gestaltete sich der Prozess etwas holprig, da sich einige westberliner Verantwortliche eher ideologie- als sachbezogen verhielten.

H. Meffert: Sie waren 23 Jahre Chef der Hautklinik der Berliner Charité. Worin sehen Sie Ihre besondere persönliche Leistung?

N. Sönnichsen: Dazu muss ich mich unbedingt auf Edmund Lesser beziehen, der im Jahre 1896 als Extraordinarius an die Charité berufen wurde. Er entwickelte die hiesige Dermatologie zu einem anerkannten akademischen Fach mit internationaler Ausstrahlung. Als ich 1970 nach Berlin berufen wurde, war es meine Aufgabe, aufbauend auf den Leistungen meiner prominenten Vorgänger und den modernen naturwissenschaftlichen und medizinischen Erkenntnissen folgend, für die Hautklinik strukturelle Weichen zu stellen und dabei wissenschaftlich fundierte Spezialgebiete wie zum Beispiel Immundermatologie, Fotodermatologie, Dermatochirurgie, medizinische Mykologie oder Kinderdermatologie zu entwickeln. Ich habe das große Glück gehabt, immer mit begabten und engagierten Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten zu dürfen, mit denen solche Aufgaben zu bewältigen waren. Meine eigene Philosophie von der Dermatologie hat stets darin bestanden, die Dermatologie als eigene Wissenschaftsdisziplin zu bewerten, der man neben der Klinik auch eine experimentelle Grundlage geben muss.

H. Meffert: Sie sind jetzt in einer privatärztlichen Praxis am Kurfürstendamm tätig. Dumm gefragt: Warum?

N. Sönnichsen: Ursprünglich bin ich für die Diagnostik und Therapie von Hautkrankheiten ausgebildet worden. Im Laufe des Lebens sind viele Aufgaben dazu gekommen. Ich habe das Privileg mit zwei erstklassigen Kollegen und einem ausgezeichneten Praxisteam tätig zu sein. Jedes Mal, wenn ich die Praxis betrete, befällt mich ein Glücksgefühl.

Prof. Dr. med. Niels Sönnichsen

Arzt für Dermatologie

Kurfürstendamm 45
10719 Berlin

Prof. Dr. med. Niels Sönnichsen

Arzt für Dermatologie

Kurfürstendamm 45
10719 Berlin

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Abb. 1 Prof. Dr. med. Niels Sönnichsen