Pneumologie 2011; 65(4): 223-228
DOI: 10.1055/s-0030-1256275
Symposiumsbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Symposium: Pneumonie 2010 – State of the Art

4. – 5. 11. 2010, KasselSymposium: Pneumonia 2010 – State of the ArtG.  Barten1 , H.  Schütte1 , R.  Bals1 , M.  Pletz1 , G.  Rohde1
  • 1CAPNETZ STIFTUNG, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
Further Information

Grit BartenCAPNETZ STIFTUNG 

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover

Email: office@capnetz.de

Publication History

eingereicht 11. 2. 2011

akzeptiert 14. 2. 2011

Publication Date:
11 April 2011 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die ambulant erworbene Pneumonie (community-acquired pneumonia [CAP]) ist mit einer hohen Morbidität und Mortalität assoziiert – sie gehört in den westlichen Industrieländern noch immer zu den häufigsten Todesursachen. Während des Symposiums „Pneumonie 2010 – State of the Art” wurden daher neue Erkenntnisse zur Epidemiologie und Pathogenese sowie aktuelle Ansätze zur Diagnose, Risiko-Stratifizierung, Prävention und Therapie der CAP präsentiert und diskutiert. An dem Symposium, das von der CAPNETZ STIFTUNG ausgerichtet wurde und vom 4. – 5. November in Kassel stattfand, nahmen mehr als 70 Experten aus Klinik, Forschung und Industrie teil. Der vorliegende Bericht gibt einen Überblick über die wichtigsten Fakten und Erkenntnisse, die während des Symposiums erörtert wurden.

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Abstract

Community-acquired pneumonia (CAP) is associated with significant morbidity and mortality. It ranks as the fourth leading cause of death in the Western industrialized countries. New insights in the epidemiology and pathogenesis, recent developments in diagnosis and risk-stratification, and current recommendations on prevention and therapy were presented at the symposium „Pneumonie 2010 – State of the Art”, held in Kassel, Germany, on the 4. – 5. November 2010. This symposium was organized by the CAPNETZ STIFTUNG. More than 70 experts from medical research, academia, and industry participated. This report provides an overview of issues, insights, and conclusions that were discussed during the meeting.

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Einleitung

Die ambulant erworbene Pneumonie (community-acquired pneumonia [CAP]) stellt bei einer Sterblichkeit von 6 – 8 % die sechsthäufigste Todesursache in Deutschland dar. Bis zu 680 000 Menschen erkranken jedes Jahr allein in Deutschland an der CAP. Etwa ein Drittel muss stationär behandelt werden. Somit führt die CAP häufiger zu einem Krankenhausaufenthalt als der Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Um die Pathogenese einer CAP genauer zu untersuchen, neue diagnostische Standards, therapeutische Ansätze und präventive Konzepte zu entwickeln, wurde 2001 das vom BMBF geförderte Kompetenznetzwerk CAPNETZ gegründet. Im November 2010 zog die CAPNETZ STIFTUNG Bilanz: Während des zweitägigen Symposium „Pneumonie 2010 – State of the Art” präsentierten 70 Ärzte, klinische Forscher und Wissenschaftler den Stand der CAPNETZ-Forschung – und diskutierten aktuelle Entwicklungen in Diagnostik und Therapie.

In ihren Einführungsvorträgen betonten Gernot Rohde (Vorstand CAPNETZ STIFTUNG), Grit Barten (Geschäftsführung) und Barbara Junker (Projektträger DLR) die Bedeutung der durch die CAPNETZ STIFTUNG geschaffenen Infrastruktur: Denn die multizentrische Studienplattform sowie eine umfangreiche Daten- und Biomaterialbank war Grundlage vieler Forschungsprojekte, die sich in zahlreichen Publikationen widerspiegeln und deren Ergebnisse in die aktuellen Leitlinien zur CAP-Diagnostik und -Therapie eingingen.

Die wissenschaftlichen Fortschritte, die aus der CAPNETZ-Forschung resultierten, wurden im Rahmen des Symposiums „Pneumonie 2010 – State of the Art” präsentiert. Sie umfassen epidemiologische Daten, neue Erkenntnisse zur Prognostizierbarkeit und Diagnose der CAP sowie präventive und therapeutische Ansätze.

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CAP-Epidemiologie

Die detaillierte Erhebung epidemiologischer Daten zur CAP in Deutschland ist sicherlich eine der bedeutendsten Beiträge der CAPNETZ-Forschung. In seinem Eröffnungsvortrag stellte Gernot Rohde (Maastricht) die zentralen Erkenntnisse vor. Demnach liegt die CAP-Inzidenz in Deutschland zwischen 3,7 und 10 pro 1000 Einwohner; der Vergleich mit anderen Publikationen belegt die Repräsentativität der CAPNETZ-Daten [1]. Die Inzidenz steigt mit dem Alter an. Ältere Patienten (> 60 Jahre) bilden die größte Gruppe innerhalb der CAP-Patienten und weisen die höchste Mortalität auf [2]. Dabei besitzt die Anzahl der Komorbiditäten einen wesentlichen Einfluss: Ältere Patienten ohne Komorbiditäten überleben deutlich länger [3].

Doch auch bei Kindern ist die Inzidenz im Vergleich zu jungen Erwachsenen erhöht – eine Tatsache, die lange vernachlässigt wurde [4]. Bei der Altersabhängigkeit der CAP-Inzidenz scheinen jedoch „altersspezifische” Pathogene keine Rolle zu spielen, denn die meisten Pathogene verteilen sich etwa gleich über alle Altersgruppen. Ausnahmen bilden Influenza-Infektionen bei älteren sowie Mycoplasma pneumoniae-Infektionen bei jüngeren Patienten [5].

Aktuelle Ergebnisse zum Spektrum der CAP-assoziierten Pathogene stellte Heike von Baum (Universitätsklinik Ulm) in ihrem Vortrag über die Ergebnisse einer prospektiven Studie an mittlerweile 5400 Patienten vor. Demnach ist Streptococcus pneumoniae der häufigste Erreger (40 – 50 %), gefolgt von gelegentlich auftretenden Erregern wie Haemophilus influenzae, Mycoplasma pneumoniae, Enterobacteriaceae und respiratorischen Viren (5 – 10 %). Seltene Erreger (< 5 %) sind Legionella spp., Staphylococcus aureus und Chlamydophila pneumoniae. In 20 – 25 % der Fälle bleibt der Erreger unbekannt [6].

Wichtiger als die relative Häufigkeit, so Heike von Baum, sei jedoch die klinische Relevanz eines Erregers, die sich in der Hospitalisationsrate, der Dauer des Krankenhausaufenthaltes, der Antibiotika-Behandlung (bzw. Häufigkeit des Antibiotika-Wechsels) sowie der 30-Tage-Mortalität manifestiert. So führt die seltene Pseudomonas-assoziierte CAP in 100 % der Fälle zu einer stationären Aufnahme, in 80 % ist ein Wechsel der Antibiotika-Therapie angezeigt, in 30 % verläuft die Erkrankung letal [7]. Bei den sehr häufigen Pneumokokken beträgt die Hospitalisationsrate 80 %, Antibiotika-Wechsel erfolgt in 30 % der Fälle, 5,8 % der Patienten versterben innerhalb von 30 Tagen. Der zweithäufigste Erreger, M. pneumoniae, führt dagegen nur äußerst selten zur stationären Behandlung und ist nur sehr selten letal [8]. Weiterhin zeigen die CAPNETZ-Daten, dass die Influenza-assoziierte CAP in nur 3,8 % letal verläuft, dass aber eine gleichzeitige bakterielle Infektion die Prognose deutlich verschlechtert [9]. Problematische Keime wie PAN-resistente Pseudomonaden und Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) traten in dieser CAPNETZ-Studie so gut wie nicht auf. Die Inzidenz von Enterobakterien war mit 67 aus 5130 (1,3 %) sehr gering und ist vermutlich als Ergebnis einer veränderten Standortflora zu werten [7].

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CAP-Diagnostik & Prognose

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Diagnostik

Die deskriptiven Daten zur Erregerepidemiologie beruhen vorwiegend auf einer konventionellen, mikrobiologischen Methodik. Im klinischen Alltag stößt diese traditionell phänotypische Diagnostik an ihre Grenzen, da sie zunächst die Anzucht eines Erregers voraussetzt, was bei langsam wachsenden oder unbekannten Erregern oder nach antimikrobieller Vortherapie oft schwierig und langwierig ist.

Wie Trinad Chakraborty (Universitätsklinik Gießen) in seinem Vortag erläuterte, eröffnen molekulare Methoden neue Perspektiven für den Erregernachweis, können aber auch helfen, Art und Qualität einer Infektion zu beurteilen. So kann mittels MALDI-TOF-Massenspektroskopie auch aus geringen Mengen Kulturmaterials der charakteristische „Fingerprint” eines Erregers dargestellt werden. Dies ermöglicht eine schnelle und eindeutige Identifikation der Erreger-Spezies und Subspezies [10]. Eine weitere Technik, die Nukleinsäure-Diagnostik, stützt sich auf die bakterielle 16 S rRNA, die zunächst mithilfe von Konsensus-PCR-Primern amplifiziert wird, um die Sensitivität des Verfahrens zu erhöhen. Spezifische Primer oder Sonden ermöglichen dann sowohl den spezifischen Nachweis des pathogenen Stammes als auch die Bestimmung der Erregerkonzentration in einer Probe [11]. Gerd Lüdke (Curetis AG, Holzgerlingen) präsentierte in diesem Zusammenhang ein auf PCR- und DNA-Hybridisierungsmethoden beruhendes Test-System, welches in einer Messung sowohl Erreger identifizieren als auch etwaige Resistenzen detektieren kann. Pneumonie-relevante Erreger werden anhand 18 spezifischer Marker identifiziert; für Resistenz-Gene stehen 23 Marker zur Verfügung. Molekulare Methoden zur Erregeridentifikation aus Probenmaterial oder Kultur stellen zumindest eine wertvolle Ergänzung der kulturellen Verfahren dar. Da sie eine raschere Diagnostik gewährleisten und sich meist auch zum direkten Nachweis von Pathogenen in Proben von Patienten unter Antibiotika-Vortherapie eignen, wird ihre Bedeutung weiter zunehmen.

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Prognose

Um in kurzer Zeit die optimale Behandlungsstrategie – also die angemessene Art und Intensität der Therapie sowie die richtige Wahl des Behandlungsortes – bestimmen zu können, müssen möglichst genaue Vorhersagen über die Erkrankungsschwere und das Letalitätsrisiko getroffen werden. In seinem Vortrag stellte Torsten Bauer (HELIOS Klinikum Emil v. Behring, Berlin) die Werkzeuge (Scores) vor, die zur Risikostratifizierung einer CAP entwickelt wurden: der Pneumonia Severity Index (PSI) [12], der CURB-Index bzw. der CRB-65-Index [13].

Der ursprüngliche PSI nach Fine et al. konnte zwar leichte CAP-Fälle gut identifizieren, jedoch umfasst dieser Score etwa 25 Parameter, die unter klinischen Bedingungen meist nicht vollständig erhoben werden können, sodass eine fundierte Risikobeurteilung nur eingeschränkt möglich ist [12]. Aus diesem Grund wurde aus einem Teil dieser Parameter der CURB-Index abgeleitet. Dieser basiert auf den klinischen Variablen Verwirrtheit (Verwirrtheit, Desorientiertheit zu Person, Ort oder Zeit), Atemfrequenz (≥ 30/min), Blutdruck (diast. ≤ 60 mmHg oder syst. < 90 mmHg) und Harnstoff-N im Serum (> 7 mmol/l). Klinische Daten belegen, dass der CURB-Index trotz der reduzierten Anzahl klinischer Parameter auch stärkeren statistischen Analysen standhält [14].

Um die praktische Anwendbarkeit zu verbessern, wurde der CURB-Index zusätzlich modifiziert. Anstelle des Serum-Harnstoffs wurde das Kriterium Alter (≥ 65 Jahre) hinzugezogen, sodass der CRB-65-Score meist auf der Grundlage vollständiger Daten berechnet werden kann. Eine prospektive CAPNETZ-Beobachtungsstudie dokumentiert die gute Vorhersagekraft des CRB-65-Scores [15]. Torsten Bauer fügte hinzu, dass die Vorhersagekraft des CRB-65 zusätzlich gesteigert werden kann, wenn er durch den inflammatorischen Biomarker Procalcitonin (PCT) ergänzt wird [16].

PCT, das Vorläufermolekül des hormonell aktiven Calcitonins, ist bei gesunden Personen in nur sehr geringen Konzentrationen nachweisbar, da es ausschließlich in der Schilddrüse gebildet und sofort in das reife Hormon umgewandelt wird. Bei bakteriellen – jedoch nicht bei viralen – Infektionen bilden nahezu alle Zellsysteme PCT, was zu entsprechend hohen Blutkonzentrationen führt. Stefan Krüger (Universitätsklinikum RWTH Aachen) präsentierte in seinem Vortrag Studienergebnisse, die zeigen, dass sich PCT nicht nur zur Differenzierung der Infektionsätiologie eignet, sondern auch der Beurteilung des CAP-Schweregrades dienen kann [16]. Konsequenterweise kann mittels PCT-Bestimmung auch die Dauer einer Antibiotika-Therapie gesteuert werden. Dabei kann die Dauer der Antibiotika-Therapie reduziert werden, ohne Heilungs- oder Komplikationsrate zu beeinflussen [17].

Stefan Krüger befasste sich dann mit der Frage, welche zusätzlichen Biomarker zur CAP-Risikoabschätzung herangezogen werden sollten. Der inflammatorische Biomarker PCT ist zwar ein guter Prädiktor der Kurzzeit-Mortalität (28 Tage) [16]. Besonderes Augenmerk, so Stefan Krüger, sollte jedoch auf der Langzeitmortalität (180 Tage) liegen, die etwa doppelt so hoch wie die Kurzzeit-Mortalität ist. Zu ihrer Beurteilung scheinen sich kardiovaskuläre Biomarker besser zu eignen: Stefan Krüger demonstrierte an aktuellen Daten, dass vor allem Pro-Adrenomedullin (proADM) als guter Prädiktor der Langzeitmortalität die Vorhersagekraft des CRB-65 steigern kann [18].

Norbert Suttorp (Charité, Universitätsmedizin Berlin) wies in seinem Vortrag darauf hin, dass die Prognose einer schweren Pneumonie nicht nur von Erregern, Resistenzen oder Komorbiditäten abhängt, sondern gerade auch von genetischen Faktoren. Denn im Allgemeinen haben Todesfälle mit infektiöser oder vaskulärer Ursache einen starken genetischen Background [19]. Ebenso können genetische Determinanten den Übergang von einer unkomplizierten (uCAP) zu einer schweren CAP (sCAP) bis hin zum septischen Schock (ssCAP) bestimmen.

In diesem Zusammenhang stellte Norbert Suttorp eine laufende Studie des Forschungsprojektes PROGRESS (Pneumonia Research Network on Genetic Resistance and Susceptibility for the Evolution of Severe Sepsis) vor. PROGRESS bündelt die Aktivitäten von CAPNETZ, SepNet (Kompetenznetzwerk Sepsis) und NGFN (Nationales Genomforschungsnetz „Infektion und Entzündung”). In der prospektiven, multizentrischen Beobachtungsstudie werden seit August 2009 Patienten mit einer CAP verschiedener Schweregrade (uCAP, sCAP, ssCAP) rekrutiert. Ziel der Studie ist die Identifikation von Transkriptom- und Proteom-basierten Signaturen, Biomarkern und genetische Polymorphismen, die einen besonders schweren Krankheitsverlauf vorhersagen können. Das Projekt soll dazu beitragen, diagnostische Werkzeuge zu schaffen, die helfen, die Versorgung von Hochrisiko-Patienten zu optimieren.

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Pathogen-Wirt-Interaktion

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Virulenzfaktoren

Was macht den bedeutendsten CAP-Erreger S. pneumoniae eigentlich so erfolgreich? Der Vortrag von Sven Hammerschmidt (Universität Greifswald) zeigte, dass die Antwort nicht nur in den bekannten Virulenzfaktoren des S. pneumoniae, der Polysaccharidschicht und den intrazellulären Faktoren zu finden ist. Vielmehr sind es Oberflächenproteine wie die Adhäsine PspC und PavA, die zu einer effektiven Interaktion mit der Wirtszelle, zur Zell-Invasion sowie zur Immun-Evasion beitragen.

So interagiert das Pneumococcal surface Protein C (PspC) mit einem spezifischen mukosalen Epithelzell-Rezeptor und nutzt Moleküle der zellulären Signaltransduktion zur Zell-Invasion [20] [21]. Außerdem interagiert es mit dem zellulären Faktor H, einer Komponente des Komplementsystems, um der Immunabwehr zu entgehen [22] [23]. Der Pneumococcal adherence and virulence factor A (PavA) ermöglicht es dem Erreger, die Gewebe-Blut-Barriere zu überwinden und trägt so zur Sepsis bei [24]. Weiterhin schützt PavA Pneumokokken vor der Phagozytose durch humane dendritische Zellen und verhindert die optimale Zytokinexpression des Immunsystems [25].

Virulenz ist ein multifaktorieller Prozess. Eine besondere Herausforderung wird also darin bestehen aufzuklären, wie die verschiedenen molekularen Ursachen einer Infektion zusammenwirken, um sie in Zukunft besser beeinflussen zu können.

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Natürliche Abwehr

Die zellulären und molekularen Ereignisse auf der Wirtsseite bildeten den Schwerpunkt der Vorträge von Christoph Beisswenger (Universitätsklinikum des Saarlandes), Stefan Hippenstiel (Charité, Universitätsmedizin Berlin) und Martin Witzenrath (Charité, Universitätsmedizin Berlin).

Christoph Beisswenger erläuterte, dass Atemwegsepithelzellen nicht nur eine physische Barrierefunktion besitzen, die das Eindringen von Erregern in den Organismus verhindert. Vielmehr sind Epithelzellen aktiv an der angeborenen Immunantwort beteiligt. So werden Atemwegsepithelzellen Toll-like-Rezeptor-abhängig durch Bakterien aktiviert, was zur Expression von Faktoren des angeborenen Immunsystems wie z. B. dem antimikrobiellen Peptid β-Defensin-2, dem Zytokin IP-10 oder dem Interleukin IL-8 führt. In der unteren Lunge erhöhen darüber hinaus Makrophagen die Sensitivität von Atemwegsepithelzellen gegenüber bakteriellen Pathogenen, was z. B. zu einer erhöhten Abgabe von Entzündungsmediatoren führt [26].

Des Weiteren führte Christoph Beisswenger aus, dass eine allergische Entzündung der Lunge und Umwelteinflüsse wie Zigarettenrauch das angeborene Immunsystem der Lunge schwächen. Er konnte zeigen, dass eine allergische Entzündung der Atemwege zu einem Abwehrdefekt bei bakteriellen Infektionen führt [27]. Mit einer in vitro Studie konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass Zigarettenrauch die angeborene Immunantwort von Epithelzellen bei bakteriellen Infektionen hemmt. Dies ist im Einklang mit einer CAPNETZ-Studie, in der gezeigt wurde, dass bei CAP-Patienten, die rauchen, geringere Konzentrationen von epithelialen antimikrobiellen Peptiden nachgewiesen werden können als bei den Nichtrauchern unter den CAP-Patienten [28].

Die Aktivierung von Epithelzellen durch Pathogene war auch das Thema des Vortrags von Stefan Hippenstiel. Er führte aus, wie die transmembranösen und zytosolischen Rezeptoren der Epithelzellen Pathogene erkennen und komplexe Signalkaskaden auslösen, die zur Zellaktivierung führen. Diese Aktivierung hat einen entscheidenden Anteil an der Initiierung und Steuerung der Immunantwort.

Pathogene werden dabei durch sogenannte Pattern Recognition Rezeptoren (PRR) wie etwa Toll-like-Rezeptoren erkannt (TLR). TLR sind transmembranöse PRR, die eine große Anzahl konservierter, Pathogen-assoziierter Muster erkennen und die Expression wichtiger Immunmediatoren induzieren. S. pneumoniae aktiviert beispielsweise TLR1 und 2. Diese Aktivierung initiiert eine Signalkaskade, wodurch in Folge der Transkriptionsfaktor NF-Kappa B an den Promotor des Il-8-Gens rekrutiert wird [29].

Stefan Hippenstiel erläuterte in seinem Vortrag, wie dieses proinflammatorische Netzwerk kontrolliert wird, um eine überschießende Entzündungsantwort zu verhindern: So regulieren bestimmte Transkriptionsfaktoren wie die Krüppel-like-Faktoren das Entzündungsgeschehen nach einer Pneumokokken-Infektion. Dabei blockieren sie die inflammatorische Genexpression und können so eine Lungen-Hyperinflammation mit anschließendem Organversagen verhindern [30].

Martin Witzenrath nahm dieses Thema auf und berichtete über neue therapeutische Ansätze, die helfen können, eine überschießende Inflammation und den daraus resultierenden Verlust der vaskulären Integrität zu kontrollieren. So könnte etwa die Beeinflussung der Balance zwischen Angiopoietin-1 und -2 (Ang1, Ang2) eine übermäßige Inflammation verhindern: Ang2 funktioniert als autokriner Regulator und verstärkt die Aktivität proinflammatorischer Zytokine, während Ang1 die Inflammation inhibiert [31]. In experimentellen Untersuchungen in vitro, ex vivo und in vivo konnte außerdem gezeigt werden, dass die selektive Inhibition der Phosphodiesterase 2 mittels synthetischer Inhibitoren die mikrovaskuläre Instabilität bei einer Pneumokokken-Pneumonie vermindern kann [32].

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Prävention-Therapie-Management

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Prävention

Am Beispiel der Pneumokokkenimpfung demonstrierte Mathias Pletz (MH Hannover), wie neue Impfstrategien das CAP-Risiko reduzieren können. Die konventionelle nicht-konjugierte Vakzine, die 23 Serotypen umfasst, induziert primär eine B-Zell-Antwort. Im Jahr 2000 wurde in den USA ein Impfprogramm mit einer neuen Konjugat-Vakzine gestartet. Die Konjugation mit einem hoch-immunogenen Protein induziert sowohl eine B- als auch eine T-Zell-Antwort. Sie schützt daher effektiv gegen die Serotypen, die eine invasive Pneumokokken-Infektion zur Folge haben [33]. Gleichzeitig reduziert die Konjugat-Vakzine die Pneumokokken-Trägerraten (60 % Kolonisation bei Kindern). Die Keimeliminierung der Serotypen in der Bevölkerung resultiert dann in einer Herdenimmunität. Das heißt: Die Häufigkeit invasiver Pneumokokken-Infektionen wird sowohl bei geimpften als auch bei nicht geimpften Personen vermindert. Das Risiko, dass Serotypen, die durch die Impfung eliminiert wurden, durch andere Pneumokokken-Serotypen ersetzt werden (Replacement), konnte für Deutschland bislang nicht bestätigt werden [34].

Weiterhin zeigte Ruprecht Schmidt-Ott (GlaxoSmithKline) am Beispiel der Influenza-Impfstoffe den Nutzen moderner Adjuvantien, die das Einwandern von Immunzellen, die Antigenbeladung von Antigen präsentierenden Zellen verbessern und Kreuzprotektion von Erregervarianten vermitteln können. Darüber hinaus kann durch Adjuvantien die notwendige Antigenmenge reduziert werden, was im Falle einer Influenza-Pandemie von Bedeutung ist [35].

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Therapie

Zum Thema Management und Therapie der CAP präsentierte Martin Kolditz (Universitätsklinikum Dresden) das Update 2009 der S3-Leitlinie zum Management von erwachsenen Patienten mit CAP [6]. Die stationär zu behandelnde CAP ist mit einem signifikanten Risiko eines septischen Schocks und einer respiratorischen Insuffizienz sowie mit einer hohen Letalitätsrate assoziiert. Besonders der Beginn des stationären Aufenthaltes ist kritisch: Gerade während der ersten 2 – 5 Tage könnte also die direkte Pneumonie-assoziierte Letalität reduziert werden [2]; beim septischen Schock führt jede Stunde Zeitverlust zu einem Letalitätszuwachs [36]. Die Therapie muss jedoch nicht nur schnell, sondern auch adäquat erfolgen, denn eine inadäquate antimikrobielle Therapie ist ebenfalls mit einer erhöhten Letalität assoziiert [37].

Das Behandlungsprinzip für schwer erkrankte CAP-Patienten lautet daher „Hit hard and early”: Es erfordert eine ausreichende Dosis, intravenöse Applikation und ein adäquates, risikoadaptiertes Antibiotika-Spektrum. Dieses sollte immer eine gute Wirksamkeit gegen Pneumokokken gewährleisten; als Standardtherapie für stationär behandelte Patienten mit CAP wird eine Kombination aus einem Betalaktam mit einem Makrolid empfohlen [6]. Die Behandlung sollte ohne diagnostische Verzögerungen erfolgen. Nach diesem initial aggressiven Vorgehen sollte dann wieder deeskaliert werden und je nach Kulturergebnis bzw. klinischer Besserung auf ein schmaleres Spektrum bzw. Monotherapie reduziert werden. Die Behandlungslänge sollte sich an der klinischen Stabilität orientieren. Martin Kolditz präsentierte die aktuellen Therapieempfehlungen im Detail – sie können der entsprechenden Leitlinie entnommen werden [6].

Mathias Pletz wandte sich dann der Frage zu, wie real eine Bedrohung durch Fluorochinolon (FQ)-resistente Pneumokokken ist. Sein Vortrag zeigte, dass eine klonale Ausbreitung resistenter Stämme, wie sie für Penicillin- und Makrolid-resistente Pneumokokken beobachtet wurde, bei FQ-Resistenz bislang nicht auftrat [38]. Hierfür nannte Mathias Pletz folgende Gründe: Eine FQ-Resistenz wird nur durch Mutationen in beiden FQ-Zielmolekülen, 7DNA-Gyrase und Topoisomerase IV, vermittelt. Die Zahl der Erstmutanten ist jedoch sehr gering, horizontaler Gentransfer selten [39]. Zwar können bakterielle Transportproteine bestimmte FQs aktiv aus den Zellen entfernen, was wiederum in einer erhöhten Mutationsrate resultieren könnte. Dieser Effekt wurde jedoch nicht für das in Deutschland vorwiegend verordnete Moxifloxacin beobachtet [40].

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Management

Das medizinische Management einer CAP umfasst die Einschätzung des individuellen Risikos für bestimmte Erreger, die Beurteilung des Letalitäts- und Komplikationsrisikos sowie die Festsetzung der Dauer und Art der Therapie sowie der Dauer des Krankenhausaufenthaltes. Um der Situation alter und schwerkranker Pneumonie-Patienten und ihrem womöglich spezifischen Erregerspektrum gerecht zu werden, wurden unlängst Management-Empfehlungen für einen neuen CAP-Subtyp, der HCAP (Health Care associated Pneumonia), publiziert.

Santiago Ewig (Thoraxzentrum Ruhrgebiet, Herne und Bochum) setzte sich in seinem Vortrag kritisch mit dem HCAP-Konzept auseinander, denn die HCAP-Definitionen sind sehr heterogen: Manche schließen etwa Parameter wie die Immunsuppression ein, andere nicht [41] [42] [43]. Mitunter beruhen die zugrunde liegenden Arbeiten auf nur wenig validierten mikrobiologischen Daten. Seinem Vortrag zufolge wurde zwar die Inzidenz der HCAP für Deutschland nicht erfasst, CAPNETZ-Daten ergaben jedoch keinen Hinweis, dass hier eine besondere HCAP-Patientengruppe existiert, die gesondert behandelt werden sollte [5].

Santiago Ewig schlug daher vor, die HCAP-Risikofaktoren der „CAP-Triade” zuzuordnen (1 – 3): Die HCAP-Risikofaktoren „Seniorenheim” oder „Heimbehandlung” wären demnach der CAP zuzuordnen (1), eine vorausgegangene Hospitalisation der Hospital acquired pneumonia (2). Immunsupprimierte Patienten verdienten in jedem Fall eine gesonderte Beachtung (3). Santiago Ewig schlug vor, CAP-Patienten stattdessen in folgende Untergruppen zu differenzieren: a) jüngere Patienten (18 – 64 Jahre), b) ältere Patienten (≥ 65 Jahre) mit gutem (ADL < 14) und c) ältere Patienten mit schlechtem funktionellen Status (ADL ≥ 14). Diese Unterteilung könnte den unterschiedlichen Behandlungsanforderungen sowie den Risikofaktor-assoziierten Erregerspektren gerecht werden [44].

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Ausblick

Die verschiedenen Beiträge zum CAP-Erregerspektrum, zur CAP-Diagnostik und Prognose, zu den molekularen Grundlagen der Pathogen-Wirt-Interaktionen sowie zu den neuen Erkenntnissen zu Prävention und Therapie der CAP haben neue Impulse gesetzt. Diese Impulse, so Gernot Rohde in seinem Schlusswort, skizzieren die zukünftigen Forschungsschwerpunkte der CAPNETZ STIFTUNG: So sollen die verbesserten Scores, Biomarker und molekularen Fingerprints eingesetzt werden, um Hochrisiko-Patienten zu identifizieren. In Zukunft soll vor allem die Frage beantwortet werden, wie die Mortalität etwa durch neue Leitlinien oder optimierte Impfstrategien reduziert werden kann. Neue Themen wie die chronische Inflammation sowie Aspekte der Suszeptibilität werden hinzukommen. Gernot Rohde kündigte weiterhin an, dass sich die Stiftung künftig wissenschaftlich neben dem Thema „Ambulant erworbene Pneumonie” auch mit anderen Infektionen des unteren Respirationstraktes, wie zum Beispiel der infektexazerbierten COPD beschäftigen wird.

Mit Blick auf das fast 10-jährige Bestehen von CAPNETZ betonte Gernot Rohde die Bedeutung der zahlreichen und erfolgreichen Kooperationen zwischen universitären und industriellen Partnern. In diesem Zusammenhang wies er auf die Möglichkeit hin, über ein Online-Tool neue Projektideen an den Vorstand der CAPNETZ STIFTUNG heranzutragen [45].

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Danksagung

Die Autoren danken Herrn Dr. Stefan Lang (www.scientific-medical-writing.de) für die redaktionelle Unterstützung.

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Interessenkonflikt

G. Barten, H. Schütte und R. Bals geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
M. Pletz ist Mitglied im Advisory Board von Pfizer und hat Vortragshonorare von Pfizer, Bayer, MSD und Brahms erhalten.
G. Rohde ist Mitglied in Advisory Boards der Firmen Pfizer und Grünenthal und hat Vortragshonorare von den Firmen Pfizer, GSK, Boehringer Ingelheim und MSD bekommen. Zudem hat er Reisemittel für die Teilnahme an internationalen Kongressen von den Firmen GSK, Novartis, Pfizer und Astra-Zeneca bezogen.

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Grit BartenCAPNETZ STIFTUNG 

Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover

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