Einleitung
Einleitung
Die Arbeitsplatzgrenzwerte (MAK-Werte) für Staub sind in Österreich weniger streng als in Deutschland. Beispielsweise betrug der MAK-Wert (8-Stunden-Mittelwert) für Gesamtstaub in Österreich 15 mg/m3, während in Deutschland bereits 4 mg/m3 galten. Erst mit der Grenzwerteverordnung 2007 wurde der Grenzwert in Österreich für die einatembare Fraktion auf 10 mg/m3, für die alveolengängige Fraktion auf 5 mg/m3 begrenzt, wobei aber bis 2009 noch zahlreiche Ausnahmen und Überschreitungen zulässig waren. Die vergleichbaren Werte für Deutschland sind mit 3 und 10 mg/m3 bezüglich der alveolengängigen Fraktion immer noch etwas niedriger. Quarzhaltiger Staub (mit mehr als 1 % Quarzanteil, alveolengängiger Anteil) wird laut Grenzwerteverordnung 2007 mit 4 mg/m3 beschränkt, für reinen Quarz einschl. Cristobalit und Tridymit (Alveolarstaub) gelten 0,15 mg/m3 als Grenze (während ein entsprechender Grenzwert in Deutschland derzeit ausgesetzt ist). Im Vergleich zur deutschen MAK-Kommission erlaubt Österreich daher selbst nach 2009 noch etwas höhere Belastungen an alveolengängigen Stäuben. Bis 2009 waren sogar erheblich höhere Belastungen zulässig. Da die politisch besetzte österreichische MAK-Kommission den Eindruck vermittelt, sich an den Empfehlungen der wissenschaftlichen deutschen MAK-Kommission zu orientieren, was für die meisten anderen Schadstoffe auch zutrifft, entzündete sich an der Diskrepanz zwischen deutscher Empfehlung und österreichischer Verordnungspraxis eine heftige Diskussion, die den Anlass für diese Untersuchung bildete.
Zwar fehlen flächendeckende Erhebungen der tatsächlichen Belastung, doch stichprobenartige Messungen belegen, dass insbesondere an Arbeitsplätzen der steinverarbeitenden Industrie diese alten hohen Grenzwerte auch ausgeschöpft, gelegentlich sogar überschritten wurden. Es stellte sich daher die Frage, ob an einem Kollektiv staubexponierter Arbeiter adverse Effekte der Staubbelastung feststellbar sind.
Das österreichische ArbeitnehmerInnenschutzgesetz schreibt vor (§ 49): „(1) Mit Tätigkeiten, bei denen die Gefahr einer Berufskrankheit besteht, und bei denen einer arbeitsmedizinischen Untersuchung im Hinblick auf die spezifische mit dieser Tätigkeit verbundene Gesundheitsgefährdung prophylaktische Bedeutung zukommt, dürfen Arbeitnehmer nur beschäftigt werden, wenn 1. vor Aufnahme der Tätigkeit eine solche Untersuchung durchgeführt wurde (Eignungsuntersuchung) und 2. bei Fortdauer der Tätigkeit solche Untersuchungen in regelmäßigen Zeitabständen durchgeführt werden (Folgeuntersuchungen).” In der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Gesundheitsüberwachung am Arbeitsplatz (VGÜ) sind für die meisten Folgeuntersuchungen im Zusammenhang mit der Exposition gegenüber diversen Stäuben als Intervall 2 Jahre (Lungenfunktion) bzw. 4 Jahre (Röntgen) vorgeschrieben. Diese Untersuchungen haben durch ermächtigte und einschlägig ausgebildete Ärzte zu erfolgen. Das Arbeitsmedizinische Zentrum Perg führt seit Jahren die gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen bei staubexponierten Arbeitnehmern durch. Das so aus Routineuntersuchungen gewonnene Material bot sich für eine Querschnittsstudie an.
Material und Methoden
Material und Methoden
Die Lungenfunktionsergebnisse (FVC, FEV1, MEF50) aus den Untersuchungen der Jahre 2004 und 2005 wurden für diese Studie ausgewertet. Neben den Lungenfunktionswerten standen Daten zur Biometrie (Alter, Geschlecht, Größe und Gewicht), zur Art der Exposition und zur Raucheranamnese zur Verfügung. Untersuchungen und Anamneseerhebung erfolgten gemäß den Vorgaben BGBl. II Nr. 27/1997, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 221/2010 Anlage 2 „Richtlinien zur Durchführung der ärztlichen Untersuchungen”. Darin werden die verpflichtenden Spirometrieparameter (FVC, FEV1, MEF50 und FEV1 %FVC) sowie Untersuchungsmethode und Beurteilung festgelegt.
Die Spirometrie erfolgte jeweils durch das gleiche Untersucherteam mit dem gleichen Gerät (micro loop) nach den Standards der Österreichischen Gesellschaft für Lungenheilkunde, die den internationalen Standards äquivalent sind. In der gesetzlich vorgeschriebenen Anamnese (Fragebogen, Formblatt) wurden Vor- und Begleiterkrankungen, Atemwegssymptome sowie das Rauchverhalten (Nie-, Ex- und aktueller Raucher sowie aktuelle Zahl von Zigaretten pro Tag) abgefragt.
Aufgrund der Beobachtungen von Arbeitsplatzbegehungen war bekannt, dass Arbeitnehmer, die gegenüber quarzhaltigen Stäuben exponiert sind, zumeist den höchsten Staubmengen ausgesetzt sind. Zusätzlich legten die toxischen Eigenschaften von Quarz selbst eine gesonderte Betrachtung dieser Gruppe nahe. Als zweite größere Gruppe wurden Arbeitnehmer betrachtet, die gegenüber Schweißrauch exponiert sind. Alle anderen Untersuchten wurden unter „sonstige Stäube” zusammengefasst. Die statistische Analyse erfolgte in zweierlei Hinsicht:
Da ein studieninternes unbelastetes Vergleichskollektiv fehlte, wurden die Referenzwerte gemäß der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Gesundheitsüberwachung am Arbeitsplatz (VGÜ) (BGBl. II Nr. 27/1997) zum Vergleich herangezogen. Diese Referenzwerte wurden von der Österreichischen Gesellschaft für Lungenerkrankungen und Tuberkulose 1994 herausgegeben und basieren auf Untersuchungen an über 10 000 ÖsterreicherInnen. Diese Daten wurden in den 90er-Jahren von der Pulmologischen Klinik der Universität Graz (Prof. Forche) erhoben: Ein „Pneumobil” fuhr quer durch Österreich und bot allen Österreichern unter anderem die Untersuchung der Lungenfunktion als vorsorgemedizinische Leistung an. Die Werte gelten als repräsentativ für die österreichische Bevölkerung, wobei allerdings Raucher und Nichtraucher gleichermaßen erfasst wurden und die Werte für Nichtraucher daher eher etwas zu niedrig angesetzt sind. Die Regressionsgleichungen für diese österreichischen Sollwerte sind im Anhang dargestellt.
Der Vergleich mit den Normwerten erfolgte für alle Untersuchten sowie für die drei Expositionsgruppen getrennt mittels t-Test.
In einem zweiten Schritt wurde untersucht, ob sich eine Verschlechterung der Lungenfunktion im Vergleich zum Sollwert mit zunehmender Beschäftigungsdauer feststellen lässt. Da Alter und Beschäftigungsdauer miteinander hochsignifikant korreliert waren (R = 0,64) und das Alter den deutlichsten Einfluss auf die Lungenfunktion hat, waren Regressionsmodelle instabil, die sowohl Alter als auch Beschäftigungsdauer enthielten. Schon aus diesem Grund war es nicht möglich, die rohen Messwerte als abhängige Variablen eines Regressionsmodells heranzuziehen. Vielmehr diente die Differenz zum individuellen Normwert als abhängige Variable, wodurch der Einfluss des Alters (und der Körpergröße) ausreichend berücksichtigt war. Als weitere unabhängige Variable neben der Beschäftigungsdauer fand der Raucherstatus Eingang ins Modell. Da Exraucher sich nicht signifikant von Nierauchern unterschieden, wurden beide Gruppen zusammengefasst. Die Raucher wurden in „schwache” (weniger als 20 Zigaretten pro Tag) und „starke Raucher” (20 und mehr) unterteilt. Ergänzend wurde auf Interaktionen zwischen Raucherstatus und Staubart untersucht.
Kleine mittlere Änderungen eines kontinuierlichen Messwertes, wie es die Lungenfunktionsparameter darstellen, sind oft wenig beeindruckend. Kleine Verschiebungen im Mittel können jedoch bedeutende Änderungen in der Anzahl extremer bzw. klinisch auffälliger Werte ergeben [1]. Alternativ wurde daher in logistischer Regression das Risiko erhoben, einen „auffälligen” spirometrischen Befund zu haben. Als „auffällig” wurden eine Vitalkapazität (FVC) und ein forcierter 1-Sekundenstoß (FEV1) von weniger als 80 % des Referenzwertes definiert. Dies entspricht den gesetzlichen Vorgaben, wonach bei Werten unter 80 % des Referenzwertes eine Beeinträchtigung der Lungenfunktion vorliegt und entsprechende Maßnahmen wie insbesondere eine vorzeitige Nachuntersuchung einzuleiten sind. Für den mittexpiratorischen Fluss (MEF50) wurde der Cut-off bei 60 % des Referenzwertes angesetzt. Dieser Cut-off ist etwas strenger als die gesetzliche Vorgabe von 50 %, entspricht aber ungefähr internationalen Konventionen [1]
[2]. Jeder Cut-Off ist natürlich willkürlich gewählt. Dies muss bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden.
Alle Berechnungen erfolgten mittels STATA (Vers. 9). Als Signifikanzniveau wurde 5 % angenommen.
Ergebnisse
Ergebnisse
In den Jahren 2004 und 2005 wurden vom Arbeitsmedizinischen Zentrum Perg 994 Personen (982 Männer und 12 Frauen) spirometrisch untersucht ([Tab. 1]). Die Dauer der exponierten Tätigkeit war von 991 Personen bekannt und betrug 0 bis 47, im Durchschnitt ca. 14 (± 10) Jahre. Bezüglich Rauchverhalten gaben 72 Personen keine Auskunft, 442 bezeichneten sich als Nichtraucher, 366 gaben an, weniger als 20 und 114 mehr als 20 Zigaretten pro Tag zu rauchen. 501 Personen waren gegenüber Quarz und quarzhaltigem Staub exponiert, 379 gegenüber Schweißrauch und die Expositionsarten der 114 „Sonstigen” umfassten Aluminiumstaub (77), Chrom-VI-Verbindungen (1), Hartmetallstaub (6) sowie Mischbelastungen (30). Die Untersuchten waren 15 bis 61 Jahre alt (Mittelwert und Standardabweichung: 38 ± 11 Jahre), wogen 49 bis 156 kg (83 ± 15) und waren 157 bis 196 cm groß (177 ± 7).
Tab. 1 Beschreibung des Untersuchungskollektivs.
Parameter | Einheit | Mittelwert (Standard-Abweichung) | Spanne |
alle Staubarbeiter (n = 994)
|
min
|
max
|
Alter | Jahre | 37,6 (10,7) | 15 | 61 |
Größe | cm | 176,6 (6,8) | 157 | 196 |
Gewicht | kg | 83,4 (14,6) | 49 | 156 |
Arbeitsdauer | Jahre | 13,9 (10,2) | 0 | 47 |
FVC | l | 4,76 (0,76) | 2,67 | 7,07 |
FEV1 | l | 3,89 (0,69) | 1,85 | 6,14 |
MEF50 | l/sek | 4,62 (1,44) | 0,86 | 9,28 |
exponiert gegenüber Quarzstaub (n = 501)
| | |
Alter | Jahre | 39,8 (9,9) | 15 | 60 |
Größe | cm | 176,0 (6,8) | 157 | 196 |
Gewicht | kg | 84,1 (14,5) | 53 | 145 |
Arbeitsdauer | Jahre | 14,4 (9,8) | 0 | 43 |
FVC | l | 4,65 (0,76) | 2,67 | 6,98 |
FEV1 | l | 3,76 (0,69) | 1,85 | 5,81 |
MEF50 | l/sek | 4,42 (1,45) | 0,86 | 9,28 |
exponiert gegenüber Schweißrauch (n = 379)
| | |
Alter | Jahre | 35,3 (11,3) | 16 | 61 |
Größe | cm | 177,4 (6,7) | 157 | 195 |
Gewicht | kg | 82,7 (14,9) | 49 | 156 |
Arbeitsdauer | Jahre | 15,1 (10,5) | 0 | 47 |
FVC | l | 4,89 (0,74) | 2,79 | 7,07 |
FEV1 | l | 4,03 (0,70) | 2,04 | 6,14 |
MEF50 | l/sek | 4,80 (1,44) | 1,17 | 8,64 |
exponiert gegenüber sonstigen Stäuben (n = 114)
| | |
Alter | Jahre | 36,1 (10,0) | 19 | 58 |
Größe | cm | 176,9 (6,4) | 158 | 190 |
Gewicht | kg | 82,6 (14,7) | 59 | 132 |
Arbeitsdauer | Jahre | 7,4 (8,1) | 0 | 30 |
FVC | l | 4,84 (0,72) | 2,90 | 6,86 |
FEV1 | l | 3,99 (0,60) | 2,28 | 5,32 |
MEF50 | l/sek | 4,87 (1,31) | 1,40 | 8,49 |
Bei allen drei untersuchten spirometrischen Parametern wiesen die Probanden signifikant schlechtere Werte auf als es ihrem alters-, geschlechts- und größenspezifischen Referenzwert entsprach ([Tab. 2]). Der Unterschied war für alle Expositionsarten signifikant, aber am ausgeprägtesten bei den Quarzstaubexponierten. Die höchsten Abweichungen vom Referenzwert wiesen die starken Raucher auf. Aber auch die Nichtraucher hatten noch signifikant schlechtere Werte als die Referenzpopulation. [Abb. 1] zeigt dies am Beispiel von MEF50.
Abb. 1 Differenz des MEF50 zum Referenzwert im gepaarten T-Test, aufgegliedert nach Rauchverhalten und Quarzexposition, Mittelwert und 95 %-Konfidenzintervall.
Tab. 2 Ergebnisse des gepaarten T-Test, Differenz zwischen Messwert und individuellem Referenzwert für alle Arbeiter sowie getrennt nach Staubart.
Parameter | Einheit | Differenz zum Referenzwert | 95 %-Konfindenzintervall |
alle Staubarbeiter (n = 994)
|
|
|
FVC | l | – 0,42 | – 0,46 | – 0,39 |
FEV1 | l | – 0,46 | – 0,5 | – 0,43 |
MEF50 | l/sek | – 0,95 | – 1,03 | – 0,86 |
exponiert gegenüber Quarzstaub (n = 501)
|
|
FVC | l | – 0,45 | – 0,5 | – 0,4 |
FEV1 | l | – 0,51 | – 0,55 | – 0,46 |
MEF50 | l/sek | – 1,1 | – 1,22 | – 0,97 |
exponiert gegenüber Schweißrauch (n = 379)
|
FVC | l | – 0,4 | – 0,46 | – 0,34 |
FEV1 | l | – 0,42 | – 0,48 | – 0,37 |
MEF50 | l/sek | – 0,83 | – 0,96 | – 0,69 |
exponiert gegenüber sonstigen Stäuben (n = 114)
|
FVC | l | – 0,38 | – 0,49 | – 0,27 |
FEV1 | l | – 0,4 | – 0,49 | – 0,31 |
MEF50 | l/sek | – 0,69 | – 0,93 | – 0,45 |
Die Differenz zum jeweiligen Referenzwert nahm für alle drei Parameter mit zunehmender Expositionsdauer zu. Signifikant war diese Zunahme jedoch nur für MEF50 (Zunahme der Differenz je 10 Jahre: 0,13 l/s, p = 0,003). Zum Vergleich bewirkte Rauchen von weniger als 20 Zigaretten pro Tag eine Abnahme um 0,19 l/s (p = 0,042) und von mehr als 20 Zigaretten um 0,79 l/s (p < 0,001). Bei Untersuchung der Effekte auf den MEF50, getrennt nach Expositionsgruppen, war der Effekt wiederum nur bei der Quarzgruppe signifikant: Pro 10 Jahre Exposition nahm der Unterschied zum Referenzwert um 0,17 l/s zu (p = 0,008). Rauchen von weniger als 20 Zigaretten pro Tag führte in diesem Modell zu einer knapp nicht mehr signifikanten (p = 0,053) Abnahme um 0,26 l/s und von mehr als 20 Zigaretten um 1,04 l/s (p < 0,001). Der Effekt des Rauchens imponierte somit in der Quarzgruppe stärker als in der Gesamtpopulation, auch wenn der Effekt schwachen Rauchens (wohl auch wegen der geringeren Fallzahl) nicht das vorgegebene Signifikanzniveau erreichte. Es wurde daher in einem weiteren Modell formal auf Interaktion zwischen Rauchen und Quarzstaub untersucht. Unter den Quarzexponierten (50,4 % der Gesamtpopulation) überwogen etwas die stärkeren Raucher (66 der 114 starken Raucher oder 57,9 % kamen aus dieser Gruppe). Doch auch bei den Nichtrauchern (232 von 442 oder 52,5 %) waren die Quarzarbeiter leicht überrepräsentiert. Unterrepräsentiert waren sie hingegen bei den mäßigen Rauchern (weniger als 20 Zigaretten pro Tag, 46,3 %). Im Regressionsmodell mit Interaktionsterm ([Tab. 3]) blieb der Effekt der Expositionsdauer praktisch unverändert und signifikant wirksam. Rauchen und Quarzbelastung erhöhten die Differenz zum Referenzwert (MEF50), aber nur der Interaktionsterm zwischen starkem Rauchen und Quarzexposition war signifikant (p = 0,034).
Tab. 3 Ergebnis der linearen Regression: Einflussfaktoren auf die Differenz von MEF50 (l/sek) zum Referenzwert (signifikante Ergebnisse fett).
MEF50 (Differenz) | Koeffizient | 95 %-Konfidenzintervall |
10 Jahre Staubarbeit
|
– 0,13
|
– 0,22
|
– 0,05
|
schwaches Rauchen (< 20 Zig./Tag) | – 0,17 | – 0,42 | 0,09 |
starkes Rauchen (20 Zig. und mehr)
|
– 0,42
|
– 0,85
|
0
|
Quarz (exponiert gegen Quarzstaub) | – 0,17 | – 0,42 | 0,09 |
Quarz X schwaches Rauchen | – 0,07 | – 0,43 | 0,28 |
Quarz X starkes Rauchen
|
– 0,61
|
– 1,17
|
– 0,05
|
Konstante | – 0,51 | – 0,74 | – 0,28 |
Nach den gewählten Kriterien (weniger als 80 % des Referenzwertes bei FVC und FEV1, weniger als 60 % beim MEF50) hatten 11,9 % der Untersuchten einen auffälligen FVC, 17,6 % einen auffälligen FEV1 und 18,2 % einen auffälligen MEF50. Der Anteil der Auffälligen nahm für alle drei Parameter mit der Expositionsdauer, bei Quarzexposition und mit dem Rauchen zu. Wiederum zeigte sich eine Interaktion zwischen Rauchen und Quarzbelastung, die allerdings nur für MEF50 und starkes Rauchen signifikant war ([Tab. 4] u. [5]).
Tab. 4 Ergebnisse der logistischen Regression. Einflüsse auf das Risiko einer auffallend schlechten Lungenfunktion, einfaches Modell (signifikante Ergebnisse fett).
| OR | 95 % KI |
schlechte FVC (< 80 % des Sollwertes) schwaches Rauchen (< 20 Zig./Tag)
starkes Rauchen (20 Zig. und mehr) Quarz (exponiert gegen Quarzstaub)
10 Jahre Staubarbeit
|
1,24
1,81
1,37
1,37
|
0,8
1,02
0,93
1,13
|
1,92
3,21
2,04
1,65
|
schlechtes FEV1 (< 80 % des Sollwertes) schwaches Rauchen (< 20 Zig./Tag)
starkes Rauchen (20 Zig. und mehr)
Quarz (exponiert gegen Quarzstaub)
10 Jahre Staubarbeit
|
1,27
1,92 1,55 1,33
|
0,87
1,17 1,11 1,13
|
1,83
3,15 2,17 1,56
|
schlechter MEF50 (< 60 % des Sollwertes)
schwaches Rauchen (< 20 Zig./Tag)
starkes Rauchen (20 Zig. und mehr)
Quarz (exponiert gegen Quarzstaub)
10 Jahre Staubarbeit
|
1,56 3,36 1,87 1,48
|
1,07 2,08 1,33 1,25
|
2,29 5,42 2,64 1,74
|
Tab. 5 Ergebnisse der logistischen Regression. Einflüsse auf das Risiko einer auffallend schlechten Lungenfunktion, Modell mit Interaktionsterm (signifikante Ergebnisse fett).
| OR | 95 % KI |
schlechte FVC (< 80 % des Sollwertes) schwaches Rauchen (< 20 Zig./Tag) starkes Rauchen (20 Zig. und mehr) Quarz (exponiert gegen Quarzstaub) Quarz X schwaches R Quarz X starkes R
10 Jahre Staubarbeit
|
1,01 1,23 1,07 1,45 1,86
1,37
|
0,53 0,47 0,58 0,62 0,56
1,13
|
1,92 3,25 1,95 3,41 6,26
1,65
|
schlechtes FEV1 (< 80 % des Sollwertes) schwaches Rauchen (< 20 Zig./Tag) starkes Rauchen (20 Zig. und mehr) Quarz (exponiert gegen Quarzstaub) Quarz X schwaches R Quarz X starkes R
10 Jahre Staubarbeit
|
1 1,35 1,19 1,52 1,77
1,33
|
0,57 0,59 0,71 0,74 0,63
1,13
|
1,73 3,09 1,99 3,14 5
1,56
|
schlechter MEF50 (< 60 % des Sollwertes) schwaches Rauchen (< 20 Zig./Tag) starkes Rauchen (20 Zig. und mehr) Quarz (exponiert gegen Quarzstaub) Quarz X schwaches R
Quarz X starkes R 10 Jahre Staubarbeit
|
1,37 1,66 1,42 1,24
2,98 1,49
|
0,77 0,71 0,83 0,59
1,05 1,27
|
2,44 3,88 2,45 2,61
8,44 1,76
|
Diskussion
Diskussion
Umweltbedingte Lungenerkrankungen, unter anderem auch die chronisch obstruktive Bronchitis, sind von hoher gesundheitlicher Relevanz und in ihrer Ätiologie noch immer nicht vollständig aufgeklärt [3]. Neben Lebensstilfaktoren (Rauchen) und genetischen Faktoren sind Belastungen am Arbeitsplatz für Entstehung und Prognose dieser Krankheit von Bedeutung. Dass Quarzstaub nicht nur chronisch entzündliche Veränderungen im Lungeninterstitium (Silikose) verursacht, sondern auch zu obstruktiven Veränderungen im Sinne einer chronischen Bronchitis führt, wurde in der letzten Zeit wiederholt gezeigt [4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]. Dies gilt im Prinzip nicht nur für Quarz, sondern auch für andere Stäube am Arbeitsplatz sowie andere respiratorische Irritantien [11]
[12]
[13]
[14].
Es gibt an den betroffenen Arbeitsplätzen kaum personenbezogene Messungen der Staubbelastung, sondern nur eine stichprobenartige Überwachung der Einhaltung der Grenzwerte. Die individuelle Belastung der einzelnen Studienteilnehmer war daher nicht bekannt, weshalb nur eine Unterscheidung nach der Qualität des Staubes, nicht aber der Staubmenge erfolgen konnte. Aufgrund der Stichproben ist allerdings bekannt, dass die höchsten Belastungen in der steinverarbeitenden Industrie zu beobachten sind.
Die vorliegende Arbeit kann daher nicht unterscheiden, ob Quarzstaub per se ein besonders hohes Potenzial zur Förderung obstruktiver Lungenveränderungen hat, da die gegenüber Quarz und anderem mineralischen Staub exponierten Arbeiter auch gleichzeitig im Durchschnitt die Gruppe mit der höchsten Staubbelastung überhaupt in der Studie darstellten. Dies sowie das Fehlen einer internen unbelasteten Vergleichsgruppe sind die beiden Schwachpunkte dieser Studie. Des Weiteren handelt es sich um eine Querschnittsstudie, in der jeder Teilnehmer nur ein einziges Mal untersucht wurde. Dabei ist bekannt, dass die Verlaufsbeobachtung der Lungenfunktion weitaus sensitiver ist als der bloße Vergleich mit den jeweiligen Referenzwerten [15]. Als Pluspunkt der Studie ist jedoch die große Zahl der mit einheitlicher Methodik untersuchten Probanden zu nennen. Die Teilnehmer decken ein weites Feld unterschiedlicher Berufe mit unterschiedlichen Belastungen ab und wiesen ein breites Altersspektrum mit sehr unterschiedlichen Expositionszeiten auf. So konnte auch sehr deutlich gezeigt werden, dass die Verschlechterung der Lungenfunktion im Vergleich zu den Referenzwerten signifikant mit der Expositionsdauer zunimmt. Dies galt im Prinzip für alle Stäube, war aber bei mineralischen Stäuben mit Quarzstaub am stärksten ausgeprägt. Eine Einschränkung ist allerdings, dass fast ausschließlich Männer untersucht wurden, sodass die Ergebnisse nicht sicher auf beide Geschlechter verallgemeinert werden können. So fanden beispielsweise Harber et al. [12] nur bei Männern, aber nicht bei Frauen Effekte der Arbeitsbelastung (gegenüber gas- und rauchförmigen Irritantien) auf die Lungenfunktion. Ob dies auf je nach Geschlecht biologisch unterschiedliche Reaktivität der Atemwege hindeutet oder einfach Ausdruck einer in der Regel geringeren Belastung weiblicher Arbeitnehmerinnen ist, kann nicht endgültig beantwortet werden.
Die meisten der zitierten früheren Arbeiten kontrollierten auch den Einfluss des Rauchens, indem sie entweder nur Nichtraucher untersuchten [13] oder das Rauchen als Störvariable ins Modell aufnahmen. Einige Studien untersuchten auch eine mögliche Interaktion zwischen Rauchen und Staubbelastung, jedoch ohne eine solche zu finden [7]
[11]. Dieser Gegensatz zur vorliegenden Studie könnte darin begründet sein, dass dort ein anderes Kollektiv (Textilarbeiter bei [11]) untersucht wurde oder die Power der Studien zu gering war (weniger als 250 Exponierte bei [11], insgesamt nur 185 COPD-Patienten bei [7]).
Die interindividuelle Variabilität der spirometrischen Parameter ist bekanntlich hoch. In der untersuchten Gruppe konnten so nur etwa 10 % der Variabilität (R2) in linearer Regression durch Körpermaße (Geschlecht, Alter, Größe und Gewicht) erklärt werden. Auch dies ist ein Grund, weshalb zum Vergleich die österreichische Referenzbevölkerung herangezogen wurde. Die Arbeitsplatzbedingungen (Qualität und Dauer der Exposition) erklärten etwa 5 % der Variabilität der Differenz zum jeweiligen individuellen Normwert.
Das Fehlen einer unbelasteten Vergleichsgruppe, deren Lungenfunktion mit der gleichen Methodik, dem gleichen Gerät und vom gleichen Untersucher erhoben wurde, erschwert die Bewertung der gefundenen Unterschiede. Ein systematischer Messunterschied kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Es gibt jedoch Hinweise, dass die gesetzlich vorgegebenen Sollwerte eher „großzügig” sind. Die Zunahme der Unterschiede mit der Beschäftigungsdauer sowie die Abhängigkeit von der Staubart lassen sich jedoch nicht durch systematische Messfehler erklären und unterstreichen somit die arbeitsmedizinische Bedeutung der Befunde.
Schlussfolgerung
Schlussfolgerung
Die Beobachtung einer multiplikativen Wirkung von Quarzstaub und Rauchen vor allem auf den mittleren expiratorischen Fluss, der ein besserer Indikator für Schäden an den kleinen Atemwegen ist als die forcierte Vitalkapazität, ist demnach die wesentliche neue Erkenntnis dieser Arbeit. Diese Beobachtung hat insbesondere auch Implikationen für die sekundäre Prävention und kann als Fundament für eine intensivierte Raucherberatung bei entsprechender Arbeitsplatz-Exposition dienen. Dennoch ist besonders hervorzuheben, dass selbst die Nichtraucher unter den Arbeitern schlechtere Werte als die Referenzpopulation aufwiesen, obwohl letztere sich aus Rauchern und Nichtrauchern zusammensetzte.
Diese Studie wurde im Zusammenhang mit der Diskussion um die Verschärfung der Grenzwerte in Österreich initiiert. In der Zwischenzeit wurden die Grenzwerte verschärft und auch die Übergangsregeln sind unlängst (September 2009) ausgelaufen. Spätere Nachfolgeuntersuchungen werden zeigen, ob und wie rasch die neuen Grenzwerte zu einer Verbesserung der Lungenfunktion betroffener Arbeitnehmer führen.
Anhang:
Die Sollwerteformeln nach BGBI. II Nr. 27/1997
Anhang:
Die Sollwerteformeln nach BGBI. II Nr. 27/1997
Männer: n = 4,928, 18 – 90 Jahre, 1,44 – 2,00 m.
FVC | = – 11,606 + 8172 H – 0,0339 A × H + 1,2869 ln(A) | r2 = 0,594 |
FEV1 | = – 8,125 + 6,212 H – 0,0300 A × H + 0.970 ln(A) | r2 = 0,611 |
SQR(MEF50) | = 1,490 + 1,290 ln(H) + 0,0125 A – 0,000218 A2
| r2 = 0,206 |
H = Größe in m; A = Alter in Jahren. |
Frauen: n = 6,633, 16 – 90 Jahre, 1,40 – 1,90 m.
FVC | = – 10,818 + 6,640 H – 0,0408 A × H + 1,7293 ln(A) | r2 = 0,658 |
FEV1 | = – 6,995 + 5,174 H – 0,0314 A × H + 1,0251 ln(A) | r2 = 0,711 |
SQR(MEF50) | = 1,561 + 1,177 ln(H) + 0,0045 A – 0,000140 A2
| r2 = 0,304 |
H = Größe in m; A = Alter in Jahren. |
Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.