Aktuelle Dermatologie 2011; 37(4): 119-120
DOI: 10.1055/s-0030-1256281
Kasuistik

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Disseminierte kutane Beteiligung bei Churg-Strauss-Syndrom unter Omalizumab-Therapie

Disseminated Cutaneous Involvement in Churg-Strauss Syndrome Occurring During Omalizumab TherapyL.  Kowalzick1 , E.  Schaarschmidt2 , A.-K.  Pfeiffer1 , S.  Ziebuhr3 , J.-M.  Pönnighaus1
  • 1Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie (Chefarzt: Prof. Dr. med. habil. L. Kowalzick), Plauen
  • 2Medizinisches Versorgungszentrum (Leiter: Dr. med. M. Gruber), HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen GmbH (Ärztl. Direktor: Prof. Dr. med. habil. L. Kowalzick)
  • 3Praxis für Innere Medizin und Pneumologie Ziebuhr & Richter, Plauen
Weitere Informationen

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick

Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen GmbH

Postfach 100153
08505 Plauen

eMail: lutz.kowalzick@helios-kliniken.de

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
19. April 2011 (online)

Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Wir berichten über eine 48-jährige Patientin mit schwerem, therapierefraktärem IgE-vermitteltem Asthma bronchiale, die 7 Wochen nach Einleitung einer Therapie mit Omalizumab, einem humanisierten monoklonalen Antikörper gegen IgE (Xolair®), ein Churg-Strauss-Syndrom mit prominenter, rasch progredienter Hautbeteiligung vom Typ des Erythema migrans entwickelte.

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Abstract

We report on a 48-years old caucasian female patient with severe recalcitrant IgE-mediated bronchial asthma who developed a Churg-Strauss syndrome with rapid progression of marked cutaneous involvement of the erythema migrans type 7 weeks after start of a therapy with omalizumab, a humanized monoclonal antibody directed against IgE (Xolair®).

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Einleitung

Das Churg-Strauss-Syndrom ist eine Multisystem-Vaskulitis mit möglicher Hautbeteiligung. Fälle des Neuauftretens von Churg-Strauss-Syndrom unter Omalizumab, einem in der Asthma-Therapie eingesetzten monoklonalen Antikörper gegen IgE-Rezeptor, wurden wiederholt beschrieben [1] [5] [6] [9] [10]. Präsentiert wird ein Fall mit Hautbeteiligung im Rahmen eines Churg-Strauss-Syndroms, das unter Omalizumab-Therapie erstmals auftrat.

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Kasuistik

Wir berichten über eine 48-jährige Patientin mit langjährigem extrinsischen, nicht saisonalen, IgE-vermittelten Asthma bronchiale. Ein Jahr zuvor wurde eine Polyposis der Nasennebenhöhlen-Schleimhäute operativ behandelt. Auch unter hohen systemischen (bis zu mindestens 40 mg Prednisolon tgl.) und inhalativen täglichen Kortikosteroid-Dosen sowie regelmäßigen langwirkenden inhalativen Beta2-Antagonisten kam es zuletzt wiederholt zu schweren Asthma-Attacken mit starker Atemnot. Daraufhin wurde eine Therapie mit Omalizumab, einem humanisierten monoklonalen Antikörper gegen IgE mit murinem variablen antigenbindenden Anteil (Xolair®) begonnen. Die Patientin erhielt im 14-tägigen Wechsel jeweils 300 mg bzw. 450 mg Omalizumab subkutan injiziert. Hierunter besserten sich die asthmatischen Beschwerden der Patientin drastisch. Sieben Wochen nach Therapiebeginn, also nach der vierten Injektion, bemerkte die bis dahin stets hautgesunde Patientin erstmals das Auftreten nicht juckender Hautveränderungen. Nach dreiwöchigem Verlauf unter fortgesetzter Omalizumab-Therapie kam es dann schubartig zu einer disseminierten Aussaat der Hautveränderungen mit gleichzeitiger deutlicher Größenzunahme der Herde.

Wir sahen am Stamm und den Extremitäten multiple, wenige Zentimeter durchmessende, erythematöse, papulöse Herde ohne epidermale Beteiligung, die sich im Verlauf zu bis zu 15 cm durchmessenden, z. T. polyzyklisch begrenzten Herden mit erythematösem, deutlich elevierten, ca. 5 bis 7 mm breiten Randsaum und zentraler, flacher, bräunlicher Pigmentierung ([Abb. 1]) entwickelten.

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Abb. 1 a Kutane Beteiligung bei Churg-Strauss-Syndrom. Herd vom Stamm, Zustand 9 Wochen nach Beginn einer Asthma-Therapie mit Omalizumab. b Detailaufnahme mit neuerem Herd und Randbereich eines älteren.

Die Histologie zeigt eine Kapillaritis und erhebliche und diffuse Infiltration des Dermis durch Eosinophile und herdförmig abgrenzbare Makrophagen. Riesenzellen oder Zeichen einer nekrotisierenden Vaskulitis fanden sich nicht. Im peripheren Blut fand sich eine Eosinophilie von 1,07 auf 5,05 Gpt/l (Normbereich bis 0,35 Gpt/l = Gigapartikel pro Liter) ansteigend. Im weiteren Verlauf nahmen die Hautveränderungen über weitere 2 Wochen bis zu einer Beteiligung von etwa 35 % der Körperoberfläche zu. Darüber hinaus entwickelte die Patientin akut eine Fußheberschwäche links und Parästhesien im Bereich beider Beine, die Neurologen diagnostizierten eine linksbetonte Pereneusparese. Ein Thorax-CT zeigte pulmonale Infiltrate. Entsprechend den Kriterien der Amerikanischen Rheuma Assoziation [4] wurde aufgrund der Asthma-Erkrankung, der Sinusitis, der Eosinophilie, der Neuropathie, der radiologisch nachweisbaren pulmonalen Infiltrationen und der eosinophilen Infiltration extravaskulären Gewebes die Diagnose eines Churg-Strauss-Syndroms gestellt. Die Hautbeteiligung würden wir vom Verlauf her klinisch als eine vom Typ des Erythema migrans einordnen wollen. Nach Diagnosestellung wurde die Therapie mit Omalizumab abgebrochen und eine Behandlung mit hohen systemischen Steroiddosen begonnen. Hierunter kam es binnen drei Wochen zu einer Abheilung der Hautveränderungen bis auf scharf begrenzte, großflächige, schwache homogene Hyperpigmentierungen.

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Diskussion

Das Churg-Strauss-Syndrom oder die Allergische Granulomatose Churg-Strauss ist eine Multisystem-Vaskulitis, die bei Asthma-Patienten mit Eosinophilie auftritt. In etwa 40 % der Fälle treten Hautveränderungen auf, hiervon in ca. 18 % als erste Manifestation [3]. Die Hautbeteiligung kann in Form von Purpura, Erythemen, Knoten, Nekrosen und Ulzera aber auch Erythemata migrantes (Neutrophile und palisadenförmige granulomatöse Dermatitis) auftreten [2] [7]. In einer Fallstudie an 37 Patienten wurden unter anderem 9 knotige, 7 papulöse und 2 plaqueförmige Hautveränderungen sowie 8 Fälle palpabler Purpura oder Petechien und 7 von Nekrosen beobachtet [3]. Ursprünglich hatten Strauss, Churg und Zak [8] drei klinische Formen unterschieden: Erythema multiforme-artige makulopapulöse Erytheme, hämorrhagische Läsionen von Petechien bis zu Ekchymosen sowie kutane und subkutane Knoten. In unserem Fall ähnelten die Hautveränderungen klinisch initial einem Erythema exsudativum multiforme, später einem Granuloma anulare, insgesamt im Verlauf einem Erythema migrans.

In mehreren Fällen [1] [5] [6] [9] [10] wurde das Auftreten eines Churg-Strauss-Syndrom nach 5-wöchiger bis 11-monatiger Omalizumab-Therapie beschrieben. Eine Hautbeteiligung wurde in drei von insgesamt neun Fällen angegeben [1] [9] [10].

Prinzipiell werden zumindest zwei mögliche Mechanismen der Auslösung eines Churg-Strauss-Syndroms durch die Omalizumab-Therapie diskutiert:

  • Zum einen könnte es sich um einen paradoxen spezifischen Effekt der IgE-Rezeptor-Blockade durch den Antikörper handeln, dessen Mechanismus gegenwärtig noch unklar ist.

  • Zum anderen ist es denkbar, dass infolge der Reduktion der systemischen und inhalativen Kortikosteroid-Medikation infolge des guten Ansprechens des Asthmas eine Demaskierung einer unterliegenden Churg-Strauss-Syndrom-Erkrankung erfolgt.

Weitere Fallbeobachtungen von Hautveränderungen bei neu auftretendem Churg-Strauss-Syndrom unter Therapie mit Omalizumab wären wünschenswert, um weitere Schlüsse auf die klinischen und histologischen kutanen Erscheinungsformen hierbei ziehen zu können.

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Literatur

  • 1 Bargagli E, Rottoli P. Omalizumab treatment associated with Churg-Strauss vasculitis.  Int Arch Allergy Immunol. 2008;  145 268
  • 2 Barham K L, Jorizzo J L, Grattan B, Cox N H. Vasculitis and neutrophilic vascular reactions.. In: Burns T, Breathnatch S, Cox N, Griffiths C, Hrsg. Rook's Textbook of Dermatology.. Malden: Blackwell; 2004: 49.26-49.27
  • 3 Davis M DP, Daoud M S, McEvoy M T, Su W PD. Cutaneous manifestations of Churg-Strauss syndrome: A clinicopathologic correlation.  J Am Acad Dermatol. 1997;  37 199-203
  • 4 Masi A T, Hunder G G, Lie J T et al. The American College for Rheumatology, 1990 Criteria for the classification of Churg-Strauss syndrome.  Arthritis Rheum. 1990;  33 1094-1100
  • 5 Pucheal X, Rivereaux P, Vinchon F. Churg-Strauss syndrome associated with omalizumab.  Eur J Intern Med. 2008;  19 364-366
  • 6 Ruppert A M, Averous G, Stanciu D et al. Development of Churg-Strauss syndrome with controlled asthma during omalizumab therapy.  J Allergy Clin Imminol. 2008;  121 253-254
  • 7 Sepp N. Vaskulitis.. In: Braun-Falco O, Plewig G, Wolff H H, Burgdorf W HC, Landthaler M, Hrsg. Dermatologie und Venerologie.. Heidelberg: Springer; 2005: 790-791
  • 8 Strauss L, Churg J, Zak F G. Cutaneous lesions of allergic granulomatosis. Histopatologic study.  J Invet Dermatol. 1951;  17 349-359
  • 9 Wechsler E M, Wong D A, Miller M K et al. Churg-Strauss syndrome in patients treated with omalizumab.  Chest. 2009;  136 507-518
  • 10 Winchester D E, Jacob A, Murphy T. Omalizumab for asthma.  New Engl J Med. 2006;  355 1281-1282

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick

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Literatur

  • 1 Bargagli E, Rottoli P. Omalizumab treatment associated with Churg-Strauss vasculitis.  Int Arch Allergy Immunol. 2008;  145 268
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