Hintergrund
Hintergrund
Die Sentinel-Lymphknoten-Biopsie (SLNB) ist eine etablierte Staging-Untersuchung zum Nachweis von Mikrometastasen in regionären Lymphknoten bei Patienten mit malignen Melanomen am Stamm und den Extremitäten, die eine Tumordicke von mehr als 1 mm aufweisen. Der Nachweis eines therapeutischen Nutzens steht noch aus, da sich in Studien bisher kein Überlebensvorteil durch eine komplettierende regionale Lymphknotendissektion bei vorhandenen Mikrometastasen zeigte. Der Befall eines Wächterlymphknotens besitzt allerdings eine hohe prognostische Relevanz [1 ]. Der Stellenwert der SLNB bei malignen Melanomen der Kopf-Hals-Region ist unklar. Die Kopf-Hals-Region weist mit einer Gesamtanzahl von ca. 300 Lymphknoten eine hohe Lymphknotendichte auf. Aufgrund der engen räumlichen Beziehung zwischen dem Primärtumor und dem erstdrainierenden Lymphknoten ist eine von der Streustrahlung der Primärinjektionsstelle ungestörte Zuordnung der gemessenen Strahlung zu den jeweiligen Einzellymphknoten nicht immer sicher möglich. Eine extrakorporale Kontrollmessung der Lymphknoten ist daher sinnvoll. Unterschiedliche Lymphabflussgebiete verlaufen in der Kopf-Hals-Region eng nebeneinander. Es besteht daher bei falscher Injektionstechnik die Gefahr, dass das Radiopharmakon in ein der Hauptabflussregion benachbartes Drainagegebiet abfließt [2 ]. Die Sicherheit der SLNB ist also wesentlich abhängig von der Erfahrung des Untersuchers. Die derzeit in Überarbeitung befindliche AWMF-Leitlinie „Malignes Melanom der Haut” empfiehlt gegenwärtig als Alternative zur SLNB die Durchführung einer selektiven Lymphknotendissektion [3 ]. Fehlt die operative Expertise zur Durchführung der SLNB bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich, wird mit der elektiven Lymphknotendissektion möglicherweise unnötig eine höhere Morbidität in Kauf genommen [4 ]. An der Hautklinik Ludwigshafen wurde deshalb ein interdisziplinärer Ansatz gewählt, indem die SNLB in der Kopf-Hals-Region in enger Kooperation von Haut- und HNO-Ärzten gemeinsam durchgeführt wird.
Methoden
Methoden
Die SLNB wurde empfohlen, wenn maligne Melanome eine Tumordicke von mehr als 1 mm aufwiesen. Ausschlusskriterien waren neben einer Schwangerschaft der klinische (Inspektion, Palpation) bzw. durch B-Sonografie erhobene Verdacht auf eine Lymphknotenmetastasierung. Am Tag vor der geplanten Operation wurde durch die Nuklearmedizin ein Radiokolloid eingespritzt. Zur Anwendung kam Tc-99m-Nanokolloid in einer Gesamtaktivität von maximal 150 MBq pro Patient, wobei etwa 25 % der Aktivität in dem Injektionssystem verblieben. Die Injektion erfolgte an 4 Stellen peritumoral. Nach 30 und 120 min wurde jeweils eine Lymphoszintigrafie durchgeführt („lymphatic mapping”). Die grobe Lokalisation des Wächterlymphknotens wurde mit einem wasserfesten Stift auf der Haut markiert ([Abb. 1 ]). Im Falle einer Projektion des Wächterlymphknotens in die Glandula parotidea wurde auf den operativen Eingriff verzichtet und im Verlauf sonografische Kontrollen durchgeführt. Die Exstirpation des Wächterlymphknotens erfolgte überwiegend in Intubationsnarkose. Nach Hautinzision wurde dieser unter Zuhilfenahme einer Gammasonde (Gammafinder® II) aufgesucht. Nach der Exstirpation aller radioaktiv markierten Lymphknoten wurden sowohl im Operationsgebiet als auch am entnommenen Präparat mit der Gammasonde eine Aktivitätsmessung durchgeführt ([Abb. 2 ]). Der Gewebeblock wurde in 4 %igem Formalin zur histopathologischen und immunhistologischen Untersuchung gegeben. Danach erfolgte der Defektverschluss ([Abb. 3 ], [4 ]). Der weitere Krankheitsverlauf wurde auf der Basis einer strukturierten Nachsorge beobachtet.
Abb. 1 Präoperative Markierung der Lokalisation des Sentinel-Lymphknotens am Hals bei bereits mikrografisch kontrolliert exzidiertem malignen Melanom an der rechten Helix, Tumordicke 2,5 mm.
Abb. 2 Typischer Operationssitus nach Präparation und Entnahme der radioaktiv markierten Sentinel-Lymphknoten.
Abb. 3 Zustand nach Defektverschluss mittels Primärverschluss am Hals und Keilplastik an der rechten Helix.
Abb. 4 Wundverhältnisse am ersten postoperativen Tag.
Ergebnisse
Ergebnisse
Im Zeitraum Februar 2010 bis Juni 2011 wurden 13 SLNB durchgeführt. Die Tumordicke betrug zwischen 0,7 mm (< 1,0 mm, oder Ulzeration) und 7,8 mm. In den exstirpierten Gewebeproben fanden sich jeweils bis zu 14 Lymphknoten. In 3 Fällen stellte sich erst intraoperativ eine Lokalisation der Wächterlymphknoten in der Glandula parotidea heraus. In 2 von diesen 3 Fällen befanden sich die Lymphknoten weit im kaudalen Drüsenanteil, sodass dennoch die Exstirpation erfolgte. Bei 2 von 13 Patienten wurden nach histopathologischer und immunhistologischer Aufarbeitung Lymphknotenmetastasen festgestellt. Diese 2 Patienten erhielten eine funktionelle Lymphknotendissektion der betroffenen Seite. In den Lymphknotendissektions-Präparaten fanden sich bei diesen beiden Patienten jeweils keine weiteren Lymphknotenmetastasen. Bei einem der 9 Patienten ohne Nachweis von Metastasen manifestierte sich nach 10 Monaten eine zervikale Lymphknotenmetastase in derselben Region.
Diskussion
Diskussion
Über Jahrzehnte wurde bei Patienten mit malignem Melanom ohne klinisch nachgewiesene Lymphknotenmetastasen, bei denen jedoch von einem erhöhten Metastasierungsrisiko ausgegangen werden konnte, eine elektive (prophylaktische) Lymphknotendissektion durchgeführt. Mehrere prospektiv randomisierte Studien konnten jedoch keinen Überlebensvorteil für diese Patienten nachweisen im Vergleich zu Melanom-Patienten, bei denen keine Lymphknotendissektion durchgeführt wurde [5 ]. Dagegen werden heute Patienten nur bei einem nachgewiesenen Befall des Wächterlymphknotens (ca. 20 – 25 %) einer selektiven Lymphknotendissektion zugeführt. Die Fallzahl unserer Untersuchung ist derzeit noch gering. Die Häufigkeit positiver Wächterlymphknoten (ca. 15 %) sowie die Rezidivrate nach negativer SLNB (ca. 11 %) entsprechen aber annähernd den Ergebnissen der internationalen Literatur [6 ]. Komplikationen wie Hämatome, Serome, Wundinfektionen oder Nervenläsionen traten nicht auf. Ein häufig geäußerter Kritikpunkt an dem Konzept der SLNB in der Kopf-Hals-Region ist, dass ein Primärtumor aufgrund des komplizierten Lymphabstroms in mehr als einen isolierten Wächterlymphknoten drainieren könne und daher die Gefahr bestehe, okkulte Lymphknotenmetastasen zu übersehen. El-Sayed et al. berichteten aufgrund einer Literaturanalyse, dass der szintigrafisch dargestellte Lymphabfluss der Kopf- und Halshaut in 26 % bis 84 % der Fälle nicht der klassischen anatomischen Konzeption entsprach. Auch der Lymphabfluss in mehr als ein Lymphknotengebiet war häufig. Ein bilateraler oder kontralateraler Lymphabfluss fand sich bei 7 % bis 10 % der Patienten [7 ]. Dagegen ist einzuwenden, dass gerade die mitunter ungewöhnlichen Drainierungsmuster für eine Technik sprechen, die den Operateur zu einem Lymphknotengebiet führt, das am wahrscheinlichsten Mikrometastasen in sich birgt. Bei Kopf-Hals-Melanomen lassen sich durch „lymphatic mapping” in 19 % bis 44 % Wächterlymphknoten in der Glandula parotidea lokalisieren, wobei die Rate falsch-negativer Lymphknoten höher ist als in anderen Körperregionen [8 ]. Die Standardmaßnahme zur Abklärung einer intraparotidealen Raumforderung ist in Deutschland die partielle bzw. laterale Parotidektomie, in der Regel mit Darstellung des N. facialis. Bei hochgradigem Verdacht auf ein Malignom wird bereits eine totale Parotidektomie durchgeführt. Verschiedene US-amerikanische Arbeitsgruppen, die zum Teil auf hohe Fallzahlen verweisen konnten, empfahlen die Durchführung der SLNB in der Glandula parotidea ohne Identifikation und Monitoring des N. facialis. Die Gefahr einer Nervenverletzung wurde als gering angegeben. In bis zu 10 % kam es lediglich zu einer vorübergehenden Dysfunktion des N. facialis [9 ]
[10 ]. Die Identifikation eines intraparotidealen Lymphknotens ist wesentlich schwieriger und anspruchsvoller als in der Halsregion, da die meist nur wenige Millimeter messenden Lymphknoten von dem Drüsengewebe schlecht zu unterscheiden und von einer derben Drüsenkapsel umhüllt sind. Im gut durchbluteten Drüsenparenchym lassen sich die Gewebeschichten nicht – wie in den Halsweichteilen gewohnt – sorgfältig präparieren und auseinanderspreizen, sie werden direkt mit Schere oder Skalpell durchtrennt. Dadurch wird das Erkennen und Schonen der dünnen Nervenäste stark beeinträchtigt. Die Durchführung der SLNB in der Glandula parotidea sehen wir vor allem unter medikolegalen Aspekten kritisch, da im Falle einer Läsion des N. facialis die in den Leitlinien und Operationslehren geforderte Identifikation des Nervenverlaufs nicht erfolgte. Unter einer Nutzen-Risiko-Abwägung besteht nach unserer Ansicht derzeit keine ausreichende Indikation für eine SLNB bei Projektion des Wächterlymphknotens auf die Parotisregion.
Fazit
Fazit
Die elektive Lymphknotendissektion im Kopf-Hals-Bereich bei malignen Melanomen mit einer Tumordicke größer 1 mm gehört zu den derzeit noch leitliniengerechten Verfahren. Kann dieser mit einer höheren Morbidität behaftete Eingriff durch eine SLNB mit Ausschluss eines Lymphknotenbefalls vermieden werden, bleiben dem Patienten mögliche Nachteile erspart. Im Klinikum Ludwigshafen wurden die Kompetenzen der Dermatochirurgen in der Detektion von Wächterlymphknoten an Stamm und Extremitäten und die chirurgische Kompetenz der HNO-Heilkunde in Eingriffen an Kopf- und Halsweichteilen zusammengeführt und zum Nutzen der Patienten in Kooperation eingesetzt. Die erfolgreiche Zusammenarbeit wird fortgesetzt und die Ergebnisse werden kontinuierlich evaluiert.