Pneumologie 2012; 66(02): 59-66
DOI: 10.1055/s-0030-1256838
Historisches Kaleidoskop
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wie die Tuberkulose den Lauf der Geschichte beeinflusst hat – und umgekehrt

Beiträge zur Kulturgeschichte der TuberkuloseHow Tuberculosis Influenced History – and Vice VersaContributions to the Cultural History of Tuberculosis
Timo Ulrichs
Koch-Metschnikow-Forum, Berlin
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Dr. med. Dr. PH Timo Ulrichs
Koch-Metschnikow-Forum
Langenbeck-Virchow-Haus
Luisenstraße 59
10117 Berlin

Publication History

Publication Date:
17 October 2011 (online)

 

Vorbemerkung

Es gibt ein Standardwerk zur „Kulturgeschichte der Seuchen“, 2005 von Stefan Winkle (1911 – 2006) bei Artemis & Winkler in der 3. erweiterten Auflage veröffentlicht, das einen umfassenden Überblick über den Einfluss der großen Seuchen auf die Geschichte der Menschheit gibt. Das umfangreiche Werk ist leider etwas in Vergessenheit geraten. Obwohl viele Zusammenhänge durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse heute anders gesehen werden, ist es aufgrund seines umfangreichen Schatzes an Originalzitaten und -belegen zum Einfluss der Seuchen auf die Geschicke der Menschheit immer noch sehr lesenswert. Der folgende Übersichtsartikel bemüht sich, neues und altes Wissen zur Kulturgeschichte der Tuberkulose zusammenzuführen und ein möglichst anschauliches Bild der vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Tuberkuloseerreger und menschlichem Wirt im Laufe der Geschichte zu geben.


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Paläoepidemiologie und Vorgeschichte

Eine gängige Hypothese über den ersten Kontakt der Menschheit mit der Tuberkulose war die des Übergangs des Erregers vom Tier auf den Menschen. Mit der Neolithischen Revolution, also der Wandlung des Menschen vom Jäger und Sammler zum sesshaften Ackerbauern und Viehzüchter, ging einher, dass der Mensch eng mit domestizierten Tieren zusammenlebte. Hier sei der Erreger der Rindertuberkulose, Mycobacterium bovis, auf den Menschen übergesprungen, als Mycobacterium tuberculosis fortan ein ständiger Begleiter des Menschen, so die Hypothese.

Seit 1998 ist das Genom von Mycobacterium tuberculosis sequenziert [1], und so lassen sich zwischen verschiedenen Mykobakterienstämmen und -arten Vergleiche anstellen. Aufgrund von Deletionen im Genom konnten auch die Verwandtschaftsverhältnisse der einzelnen Mykobakterienarten untereinander charakterisiert werden. Dabei stellte sich eindeutig heraus, dass M. tuberculosis nicht aus M. bovis hervorgegangen sein kann, ein Übergang von Rinder- zu menschlicher Tuberkulose also nicht stattgefunden hat. Die Diversität der einzelnen Mykobakterienarten und -stämme kann mit dem Migrationsverhalten der frühen Menschheit abgeglichen werden. Dabei stellte sich heraus, dass auch bereits der Vorläufer sämtlicher heute bekannter Mykobakterienarten humanpathogen gewesen sein muss, so wie es seine Nachfahren M. tuberculosis und M. africanum auch heute noch sind. Tatsächlich verhält es sich so, dass diejenigen Mykobakterienarten, die dem gemeinsamen Vorläufer am ähnlichsten sind (also z. B. Mycobacterium canettii), human- und nicht tierpathogen sind ([Abb. 1], [2]).

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Abb. 1  Phylogenetischer Stammbaum von Mycobacterium tuberculosis. Auf der Grundlage genetischer Untersuchungen vorgeschlagener Stammbaum der Mykobakterien mit Verlust genetischen Materials während der Evolution der Mykobakterien; modifiziert nach Brosch et al., 2002, Abb. 2 [2].

Die Genomvergleiche von Mykobakterienstämmen aus verschiedenen Weltregionen ergaben gemäß vorhandener oder fehlender Genabschnitte auch eine Aufteilung in zwei Gruppen, eine phylogenetisch alte und eine neue [3]. Nach der geografischen Verbreitung der Vertreter dieser beiden Gruppen ergibt sich nunmehr folgendes Bild für die Ausbreitung der Tuberkulose. M. canettii und M. tuberculosis sind die phylogenetisch ältesten Mykobakterien (dem gemeinsamen Vorläufer am ähnlichsten; [Abb. 1]). Wahrscheinlich haben sich diese Mykobakterien zusammen mit den frühen Hominiden entwickelt und haben sich mit diesen auf dem Landweg von Afrika aus nach Europa und Asien ausgebreitet [4]. Dazu passt der Befund eines ca. 500 000 Jahre alten Fossils des Frühmenschen Homo erectus, das kürzlich in der Türkei gefunden wurde. Im Inneren der Schädelkalotte fanden sich typische (Knochen-)Spuren einer tuberkulösen Meningitis. Möglicherweise war der aus Afrika stammende Frühmensch (noch) dunkelhäutig und damit der verminderten Sonneneinstrahlung in nördlichen Breiten nicht gut angepasst, sodass eine verminderte Vitamin-D3-Produktion ihn anfälliger für Tuberkulose gemacht haben könnte (s. u., [5]). Im Inneren Afrikas finden sich folgerichtig v. a. die phylogenetisch älteren M. tuberculosis-Stämme (die dort wohl schon immer waren). An den Küsten Afrikas finden sich v. a. die phylogenetisch jüngeren Stämme, was nahelegt, dass diese erst mit den Entdeckungsfahrten von Griechen, Phöniziern und v. a. im Zuge der Entdeckungsreisen der Europäer um 1500 dorthin „re-importiert“ worden sein müssen. Auch in Amerika und an anderen Orten in der Welt finden sich an den Küsten v. a. die phylogenetisch jüngeren Stämme von M. tuberculosis. Soweit die Vorstellungen zur Tuberkulose im vorgeschichtlichen Menschen. Doch soll sich nun der Frage zugewendet werden, welche Zeugnisse über die Tuberkulose in frühester geschichtlicher Zeit erhalten geblieben sind und welchen Einfluss der Tuberkulose auf den Lauf der Geschichte diese verraten.


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Antike

Schon den alten Ägyptern war die Tuberkulose nicht unbekannt. So wurden die Arbeiter auf den Baustellen der Pyramiden im Alten Reich in den Schriften oft als „Huster“ bezeichnet, ein Hinweis auf die möglicherweise große Verbreitung der Tuberkulose unter den Hunderten und Tausenden auf der Großbaustelle. Die Arbeiten wurden während der Überschwemmungszeit und der Trockenzeit ausgeführt, also wenn auf den Feldern entlang des Nils nichts zu tun war. Die Arbeiter lebten dann in Gemeinschaftsunterkünften unter provisorischen und mäßigen hygienischen Bedingungen auf engstem Raum zusammen, sodass sich die Tuberkulose leicht ausbreiten konnte.

Auch in schriftlichen Zeugnissen aus dem Mittleren und Neuen Reich finden sich indirekte Hinweise auf Tuberkulose. So werden bei den Arbeitern in den Goldminen des von Ägypten beherrschten Nubiens Symptome beschrieben, die auf eine Silikotuberkulose hindeuten, also eine Vorschädigung der Lunge durch Steinstaub, gefolgt von einer Lungentuberkuloseerkrankung. In Mumien aus dem Neuen Reich, die in Gräbern hochgestellter Persönlichkeiten Ägyptens gefunden wurden, konnten typische Tuberkuloseläsionen festgestellt werden. Meistens handelt es sich dabei um Knochentuberkulose (Pott’s disease), in einigen Fällen konnten sogar Läsionen an der Lunge identifiziert werden, die aufgrund von Verklebungen infolge exsudativer Pleuritis nicht durch den Mumifizierungsprozess zusammengefallen, sondern teilweise aufgespannt geblieben war ([Abb. 2]). Aus einigen dieser Läsionen konnte mykobakterielles Material isoliert werden, das in der Mehrzahl der Fälle von Mycobacterium africanum [6] und auch von Mycobacterium tuberculosis stammte (Beispiel der Mumie von Dr. Granville, Neues Reich, 26. Dynastie, ca. 600 v. Chr., [7]). Die Tuberkulosefälle in der Oberschicht des Mittleren und Neuen Reiches lassen vermuten, dass Häufigkeit und Erkrankungsschwere in der Unterschicht der Bauern und Fellachen noch wesentlich größer gewesen sein muss.

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Abb. 2  Befunde aus Mumien, Neues Reich. Die klinischen Befunde stammen von altägyptischen Mumien des Neuen Reiches; im linken Bild ein aufgeschnittener Thorax mit teilweise erhaltenem, mit der Pleura verklebten Lungengewebe infolge einer tuberkulösen Pleuritis exsudativa; im rechten Bild die im Sinne einer abszedierenden Knochentuberkulose veränderte Lendenwirbelsäule einer Mumie samt dazugehörigem Röntgenbild. Abdruck mit freundlicher Genehmigung durch A. R. Zink, vgl. Zink und Nerlich, 2004 [6].

Dass die Tuberkulose aber auch in der Führungselite des altägyptischen Reiches zu finden war, zeigt ein prominentes Beispiel aus der Zeit des Neuen Reiches. Von Amenophis IV. (18. Dynastie, ca. 1351 – 1334 v. Chr.), der während seiner Regierungszeit den Staatstempel des Amun in Karnak entmachtete und das altägyptische Pantheon durch die Verehrung eines einzigen Gottes, der Sonnenscheibe Aton, ersetzte, sind viele Darstellungen und Skulpturen[1] erhalten. Er nannte sich später folgerichtig Echnaton, „Der Aton dient“. Die Darstellungen Echnatons zeigen einen kachektischen, akromegalen Herrscher, von dem überliefert ist, dass er häufig krank gewesen sei ([Abb. 3], [8] [9]). Ca. 1334 v. Chr. ist er wahrscheinlich an Tuberkulose gestorben, seine Töchter wenig später auch. Sein Sohn (nach neuesten DNA-Untersuchungen als sicher angenommen) und Nachfolger Tutanchaton (1332 – 1323 v. Chr.) führte bald darauf die Verehrung sämtlicher ägyptischen Gottheiten wieder ein, auch die des Staatsgottes Amun (weshalb er sich später auch konsequenterweise Tutanchamun, „Lebendes Abbild des Amun", nannte). Die Annahme, dass auch Tutanchamun im Alter von ca. 18 bis 20 Jahren Opfer der Tuberkulose wurde, konnte jüngst widerlegt werden [10] [11]. Man nimmt heute einen Jagdunfall an und diskutiert auch einen Tod infolge einer Sichelzellanämie. Mit dem Tode Echnatons endete der erste Monotheismus der Menschheit. Erst Jahrhunderte später breitete sich unter dem Nachbarvolk der Hebräer die Verehrung eines einzigen Gottes aus.

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Abb. 3  Kolossalbüste Echnatons im Ägyptischen Museum in Kairo. Die Büste wurde für eine Untersicht hergestellt, deshalb ist sie auch im Museum erhöht angebracht (Bild T. Ulrichs).

Im antiken Griechenland war die Tuberkulose bekannt. In den Schriften des Hippokrates (460 – 370 v. Chr.) finden sich detaillierte Beschreibungen der Symptome. Außerdem war bekannt, dass es sich um eine übertragbare Erkrankung handelte. Hippokrates beschreibt auch die typischen Auskultationsbefunde bei Lungentuberkulose: Das Knirschen eines neuen Lederbandes bei trockener und das Verstummen der Atemgeräusche bei feuchter (exsudativer) Pleuritis [12]. Bis zum heutigen Tage wird nach Lænnec (s. u.) das Auskultationsgeräusch einer tuberkulösen Lunge als „Succussio Hippokratis“[2] (Plätschergeräusch des Hippokrates) bezeichnet.

Drastischer als Hippokrates bezeichnete Titus Maccius Plautus (254 – 184 v. Chr.) die Symptome einer Lungentuberkulose: „pulmoneum vomitum vomere“ (die Lungen herauskotzen; Plaut. rud. 511). Galenus (130 – 200 n. Chr.) beschrieb die Tuberkulose später exakter als „phthisis et ulceratio pulmonis“ (φθίσις = griech. Schwund; Geschwür der Lunge). In größeren Ballungsgebieten wie der Stadt Rom, aber auch in kleineren Städten des Römischen Reiches breitete sich die Tuberkulose v. a. unter der ärmeren Bevölkerung aus, die unter oftmals sehr schlechten hygienischen und Wohnbedingungen leben musste (etwa in den „insulae“, antiken Mietskasernen).

Auch unter den Sklaven Roms war die Tuberkulose sehr verbreitet. Arbeitsausfälle oder gar Tod eines Sklaven bedeuteten für seinen Besitzer einen großen wirtschaftlichen Verlust, sodass bald nach Heilungsmöglichkeiten gesucht wurde. Es wurde festgestellt, dass viel frische Luft, ein Klimawechsel („mutatio coeli“), einer Genesung förderlich ist. Deshalb wurden Sanatorien für Sklaven (valetudinaria) an Orten mit besonders guter Luft eingerichtet, z. B. an der Küste des Golfes von Neapel ([Abb. 4]). Nicht nur Sklaven profitierten von der Einsicht der mutatio coeli. Auch andere Tuberkulosepatienten, v. a. Angehörige der römischen Legionen und diejenigen der römischen Oberschicht, hatten die Möglichkeit, sich in Sanatorien und Villen von der schlechteren urbanen Lebenssituation zu erholen [13].

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Abb. 4  Ansicht des Golfes von Neapel. Reiche Römer hatten hier ihre Villen und verbrachten hier oft die Sommermonate wegen des günstigen Klimas und um dem ungünstigen der Stadt Rom zu entfliehen. Auch valetudinaria wurden hier eingerichtet (Bild: T. Ulrichs).

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Frühes Christentum

Mit der Ausbreitung des Christentums in der antiken Welt entstanden auch neue Wege für die Ausbreitung der Tuberkulose. (Wunder-)Heilungen wurden oftmals unter Verwendung von Speichel durchgeführt, etwa um Blinde wieder sehend zu machen. Dieser kann jedoch auch die Übertragung der Tuberkulose vermitteln. Nicht nur bei Heilungen kam er zum Einsatz, es wurde auch sehr häufig ausgespuckt, um sich vor dem Bösen zu schützen (dem bösen Blick, mal occhio). Die Unsitte des Ausspuckens war aus verschiedenen Gründen bis ins 19. Jahrhundert hinein gegenwärtig, und häufig fand eine Tuberkuloseübertragung auf der Straße statt, da M. tuberculosis sehr umweltresistent ist (s. u.). Die Verehrung von Heiligen geschah und geschieht auch durch die Verehrung ihrer Reliquien, und diese wurden von den Pilgern häufig geküsst. Auch hier war eine Übertragung des Tuberkuloseerregers möglich. Ein anderer neuer Weg der Übertragung ist auch durch die Ohrenbeichte denkbar, denn im frühen Christentum geschah diese buchstäblich vom Mund des Beichtenden direkt ins Ohr des Seelsorgers [12].


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Mittelalter

Mit dem Ende des Weströmischen Reiches 476 n. Chr. ging neben vielem anderen Wissen auch dasjenige um städtische und Wohnhygiene verloren. Öffentliche Toiletten (deren Überreste immer noch z. B. in Ostia antica beeindrucken) waren jahrhundertelang unbekannt, großzügige Stadtanlagen auch. Im frühen Mittelalter war der Wohnraum in Städten sehr begrenzt, denn nur innerhalb der meistens sehr eng gezogenen Stadtmauern galt das Stadtrecht, und immer mehr Zuwanderer wollten in den Genuss desselben kommen. Die hygienischen Verhältnisse in mittelalterlichen Städten leisteten nicht nur der Tuberkulose, sondern auch vielen anderen übertragbaren Erkrankungen Vorschub – immer wieder brachen Seuchen aus. Besonders häufig wird in dieser Zeit vom Aussatz berichtet. Aber hinter der Diagnose Aussatz (Lepra, hervorgerufen durch Mycobacterium leprae) verbarg sich oftmals Hauttuberkulose (Lupus vulgaris), und diese war sehr viel weniger ansteckend als Lepra. Trotzdem wurden Hauttuberkulosepatienten zusammen mit Leprapatienten der Stadt verwiesen. Sie mussten außerhalb der Stadtmauern wohnen und durften sich Gesunden nicht nähern. So sollte eine Übertragung vermieden werden, aber auch der Umgang mit diesen Patienten, deren Leiden häufig als Strafe Gottes gesehen wurde. Zwei prominente Opfer der Hauttuberkulose aus dieser Zeit sind möglicherweise Franz von Assisi und Elisabeth von Thüringen. So ist überliefert, dass der Heilige Franz von Assisi mit den Wundmalen Christi versehen war. Diese könnten sichtbare Läsionen seiner Hauttuberkulose gewesen sein. Die Heilige Elisabeth pflegte während ihres Aufenthaltes in Marburg Kranke und Sieche in einem Spital vor der Stadt. Dort könnte sie mit (Haut-)Tuberkulösen in Berührung gekommen sein. Die Tuberkulose hatte mit ihrem ohnehin durch aufopferungsvollen Einsatz und Selbstkasteiung geschwächten Körper leichtes Spiel, und Elisabeth starb 1231 im Alter von 24 Jahren.

Eine weitere Form der Tuberkulose, die Skrofulose, also die Tuberkulose der Halslymphknoten, war ein im Mittelalter sehr verbreitetes Krankheitsbild. Besonders Kinder litten an dieser oftmals entstellenden Form der Tuberkulose. In England und Frankreich wurde diese Form der (Kinder-)Tuberkulose „king’s evil“ oder „mal du roi“ genannt. Es herrschte der Glauben vor, dass der König nach Besuch des Gottesdienstes dieses Übel durch Handauflegen heilen könne. Bis in die Neuzeit sind von vielen Königen Darstellungen überliefert, wie sie skrofulösen Kindern die Hand auflegen ([Abb. 5]).

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Abb. 5  Heinrich IV. berührt Skrofulöse. Heinrich IV. berührt skrofulöse Patienten (Heilung durch Handauflegen). Diese Prozedur diente u. a. der Legitimation seiner Königsmacht. Kupferstich von Pierre Firens, aus: André du Laurens, A Laurentis de strumis earum causis et curae, Paris 1609.

Auch Könige wurden übrigens nicht von der Tuberkulose verschont. So ist beispielsweise bekannt, dass allein unter den französischen Königen Karl IX. (1550 – 1574, französischer König von 1560 – 1574), Heinrich IV. (1553 – 1610, französischer König von 1589 – 1610) und Ludwig XIII. (1601 – 1643, französischer König von 1610 – 1643) an Tuberkulose litten.


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Renaissance

In der Zeit der Renaissance war die Tuberkulose wie in den Jahrhunderten zuvor allgegenwärtig. Die Mode dieser Zeit leistete ihrer Verbreitung Vorschub: Frauen trugen oftmals Korsagen, die zwar eine schlanke Taille machten, aber auch die Belüftung der Lungenflügel beeinträchtigten. Die Kleider waren mit langen Schleppen versehen, die Straßenschmutz und damit sehr häufig auch darin befindliches Sputum von Tuberkulosepatienten in die Wohnbereiche „einschleppten“. Denn die Unsitte des Ausspuckens war sehr verbreitet, sodass v. a. auf dem Boden spielende Kinder angesteckt werden konnten. M. tuberculosis ist sehr umweltresistent und kann längere Zeit im Sputum überleben. Eine Übertragung durch verschlepptes Sputum war also nicht ungewöhnlich.

1476 starb in Florenz eine junge Frau namens Simonetta Vespucci an Tuberkulose. Wir wüssten heute nichts von ihr, wenn sie nicht die Geliebte Guilano deʼ Medicis gewesen wäre. Dieser beauftragte Sandro Botticelli, Simonetta post mortem in einem Gemälde zu verewigen. Und Botticelli fertigte daraufhin „Die Geburt der Venus“ (1485 /86, Uffizien in Florenz, [Abb. 6]). Die Schaumgeborene trägt die Züge Simonettas, ebenso ihre Körpergestalt, und es ist auffällig, wie zartgliedrig und blass sie ist. Es ist die typische Gestalt einer Schwindsüchtigen, und durch die Gemälde Botticellis, v. a. die Venus, aber auch der Frühling, wurde diese zerbrechliche, melancholische Schönheit zum weiblichen Schönheitsideal der Renaissance. Viele Künstler eiferten Botticelli nach, und an schwindsüchtigen Modellen dürfte weder in Florenz noch andernorts zu dieser Zeit großer Mangel geherrscht haben.

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Abb. 6  Die Geburt der Venus von Sandro Botticelli, 1485 /86, Uffizien Florenz (Quelle: Wikipedia Commons).

Nicht nur Botticelli, auch viele andere Künstler wurden durch die Tuberkulose in ihrem Werk beeinflusst. Ein besonders eindrückliches Beispiel ist Rembrandt, der durch die Tuberkulose nicht nur alle seine Kinder, sondern auch seine geliebte Frau Saskia van Uylenburg verlor (1642). Diese tragischen Verluste, die ihn Jahr für Jahr trafen, beeinflussten insbesondere die Wahl von biblischen Themen in seinen Gemälden jener Zeit. Als auch der Großauftrag einer militärischen Darstellung „Die Kompanie des Frans Banning Cocq“ mit der Darstellung einer von siegreichem Kampfe heimkehrenden Schützengilde wegen Rembrandts verzweifelter Stimmung zu düster ausfiel (sein Schüler Samuel van Hoogstraten äußerte sich über das später als „Nachtwache“ bezeichnete Werk: „Doch hätte ich es besser gefunden, wenn er sie heller ausgeführt hätte.“ [14], [Abb. 7]) und infolgedessen von seinem Auftraggeber Cocq abgelehnt wurde, leitete dies Rembrandts finanziellen Ruin ein, und er starb verarmt und fast vergessen (Eine ausführliche Beschreibung von Rembrandt und der Tuberkulose findet sich in Pneumologie 2008; 62: 200 – 203; [15]).

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Abb. 7  Rembrandts „Nachtwache“, Rijks-Museum Amsterdam (Quelle: Wikipedia Commons).

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17. bis 19. Jahrhundert

Die Tuberkulose in all ihren Erscheinungsformen blieb auch in den folgenden Jahrhunderten eine der wichtigsten Krankheiten, deren Bekämpfung weithin als vordringlich angesehen wurde. Deshalb war eine wissenschaftliche Untersuchung der Ursachen und der Behandlungsmöglichkeiten von herausragender Bedeutung. 1650 beschrieb der holländische Neuroanatom Franciscus Sylvius (1614 – 1672) zum ersten Mal ein morphologisch-pathologisches Korrelat der Erkrankung, den Tuberkel (Höcker, knotige Schwellung). Er schätzte ihn ein als Sitz der Erkrankung und legte damit die Grundlage einer morphologischen Beschreibung der Tuberkulose. Tatsächlich sollte seine Umschreibung der knotig erscheinenden granulomatösen Veränderungen (Tuberkel) der Tuberkulose den Namen geben. 1689 wurde von Richard Morton (1637 – 1698) in London der Tuberkel mit der Phthisis (Schwindsucht) in Zusammenhang gebracht[3]. Insgesamt wurden 14 verschiedene Formen der Phthisis beschrieben. Jedoch erst Johann Lukas Schönlein (1793 – 1864) erkannte schließlich die Tuberkulose als eigenständiges Krankheitsbild und gab ihr ihren Namen[16].

Hippokrates hatte in seinen Beschreibungen bereits plastische Beschreibungen des Auskulationsbefundes einer tuberkulösen Lunge geliefert (s. o.). Zusätzlich zu diesen Befunden kam im 18. Jahrhundert noch der Perkussionsbefund (also das Abklopfen der Lunge), 1761 beschrieben durch Joseph Leopold Auenbrugger (1722 – 1809) und perfektioniert durch Jean-Nicolas Corvisart (1755 – 1821), den Leibarzt Napoleons I. Auch die Auskultation wurde im 18. und 19. Jahrhundert perfektioniert. Gaspard-Laurent Bayle (1774 – 1816) erfand die direkte Auskultation; René Theophile Lænnec (1781 – 1826) die indirekte Auskultation. Mit diesen Methoden und der exakten Beschreibung von Auskultations- und Perkussionsbefund wurde die Diagnose einer Lungentuberkulose sicherer.

Auch wenn sie nun genauer diagnostiziert werden konnte, von einer ursächlichen Heilung der Tuberkulose war man in dieser Zeit noch sehr weit entfernt. Das Unvermögen der Ärzte seiner Zeit hat Molière (Jean Baptiste Poquelin, 1622 – 1673) in seinem Stück „Le malade imaginaire“ treffend dargestellt („Der [nur] eingebildet Kranke“, 1673). Nach Aufführung dieses Stückes, in dem Molière selbst die Titelrolle spielte, starb er infolge eines Blutsturzes am 17. Februar 1673, sehr wahrscheinlich hervorgerufen durch seine Tuberkuloseerkrankung.

Immerhin wurde im 18. und 19. Jahrhundert offensichtlich, dass eine Klimaveränderung der Heilung der Tuberkulose förderlich sein kann. Und war es zunächst nur begüterten oder adligen Reiselustigen vorbehalten, im Rahmen einer „Grand tour“ nach Italien und Griechenland zu reisen, so taten es ihnen bald viele Tuberkulosepatienten auf der Suche nach Linderung oder gar Heilung ihrer Schwindsucht nach. Viele davon kamen aus nord- und mitteleuropäischen Ländern, v. a. aus Großbritannien. Ihre Reisen nach Süditalien hatten mehrere Konsequenzen: Zum einen wurde die Tuberkulose in bisher niedrigendemischen Gebieten Südeuropas verbreitet. Zum anderen starben viele dieser Patienten fern ihrer Heimat in Italien oder woanders in der Mittelmeerregion: „Vedi Napoli et poi muori“[4] bekam für die Tuberkulosepatienten dieser Zeit eine ganz eigene Bedeutung ([Abb. 4]). John Keats (1795 – 1821) reiste krank nach Italien und starb an Tuberkulose in Rom. Frédéric Chopin (1810 – 1849) litt ebenfalls an Tuberkulose, reiste zu verschiedenen Orten in Südeuropa, verbrachte sogar einige Zeit in einem verlassenen Kloster auf Mallorca zusammen mit George Sand und starb wenig später in Paris an Tuberkulose.


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Romantik im 19. Jahrhundert

In der Zeit der Romantik wurde die Tuberkulose als eine die Schaffenskraft förderliche Erkrankung aufgefasst. Programmatisch war das Gedicht von Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1772 – 1801) „Hymnen an die Nacht“ (1800, entstanden nach dem [Tuberkulose-]Tod seiner Verlobten), in denen Novalis in einem Dreischritt das glückliche Leben, danach die schmerzhafte Entfremdung und schließlich die Befreiung in der ewigen Nacht (= Tod) beschreibt. Tuberkulose, der „weiße Tod“[5], deren Auftreten und Verlauf nicht vorhergesagt oder nennenswert beeinflusst werden konnte, bekam in der Romantik endgültig etwas Mystisches. Novalis selbst bezeichnete die Dichtkunst als „die große Kunst der Konstruktion der transzendentalen Gesundheit. Der Poet ist also der transzendentale Arzt.“ [17]. Nur ein leidender Künstler könne Großes hervorbringen, war eine weit verbreitete Auffassung der Romantik, auch in der bildenden Kunst. Dem Ideal des schwindsüchtigen Künstlers, der erst durch sein Leiden zu Höherem und zu tieferen Einsichten befähigt werde, wurde nachgeeifert. Novalis selbst starb im Alter von 29 Jahren an Tuberkulose[6] – wahrscheinlich hatte er sich zuvor bei Schiller[7] infiziert.

Im 19. Jahrhundert konnte die Tuberkulose/Schwindsucht zwar eindeutig als solche identifiziert werden, eine Heilung war jedoch nach wie vor nicht in Sicht. Zu dem in der Romantik beschworenen Mystischen des Zustandes der Schwindsucht kam auch das Unberechenbare und Schicksalhafte des „weißen Todes“. Jeden konnte es treffen, unabhängig von Stand und Beruf (wobei natürlich die ärmeren Bevölkerungsschichten häufiger betroffen waren).

So finden sich in zahlreichen Werken von Künstlern des 19. Jahrhunderts Hinweise auf die Tuberkulose; in einigen Werken spielt die Tuberkulose selbst eine (entscheidende) Rolle, so z. B. in Verdis Oper La Traviata (Uraufführung 1853 in Venedig), die auf dem Roman „Die Kameliendame“ von Alexandre Dumas beruht, oder in Puccinis Oper La Bohème (Uraufführung 1896 in Turin). In Thomas Manns „Der Zauberberg“ (erschienen 1924) spielt die Tuberkulose sogar die Hauptrolle. An ihr leiden (oder bilden sich ein zu leiden) die Protagonisten des Romans in Davos, dem berühmtesten aller Sanatorien zur Behandlung der Tuberkulose.

Das erste Sanatorium wurde 1854 /55 von Hermann Brehmer (1826 – 1889) in Görbersdorf in Schlesien gegründet. Brehmer litt selbst an Tuberkulose und beschloss, die ihm verbleibende Lebenszeit mit Reisen zu verbringen. Ein Aufenthalt im Himalaya führte zur Heilung seiner Lungentuberkulose. Daraus schloss Brehmer, dass Sonnenlicht[8] und Höhenluft einer Heilung der Tuberkulose förderlich sein müssten, kehrte nach Deutschland zurück und initiierte die Sanatoriumsbewegung, die erste systematische Behandlungsmöglichkeit der Tuberkulose[9]. Vor allem in Bergregionen wie im Schweizer Davos entstanden in der Folgezeit Tuberkulosesanatorien, und viele Tuberkulosekranke pilgerten dorthin, um Heilung zu erlangen. Auch hier wurde also das Prinzip der mutatio coeli angewendet, wie zuvor von den Römern in der Antike oder den Neapelreisenden im 18. und 19. Jahrhundert. Die Heilungsquote war jedoch gering (ca. 75 % der Patienten verstarben innerhalb von fünf Jahren).

In den Sanatorien und in den in der Nähe größerer Städte entstehenden Heilstätten[10] ([Abb. 8]) wurden weitere Behandlungsmöglichkeiten der Tuberkulose ausprobiert, so z. B. der Pneumothorax zur Abschottung infizierter Lungenbezirke von der Sauerstoffzufuhr[11] oder die direkte UV-Lichtbehandlung von Hauttuberkulose[12]. Der erste Nobelpreis für Tuberkuloseforschung wurde 1903 Niels Ryberg Finsen (1860 – 1904) verliehen für die Entdeckung der heilenden Wirkung von UV-Strahlen bei Hauttuberkulose.

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Abb. 8  Die ehemalige Tuberkulose-Heilanstalt Beelitz-Heilstätten südwestlich von Berlin vor 100 Jahren. Mit freundlicher Genehmigung des Fördervereins Heiz-Kraft-Werk Beelitz-Heilstätten e. V. (G. Ohligschläger).

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Mikrobiologie im 19. Jahrhundert

Am 24. März 1882 hielt Robert Koch in Berlin seinen berühmten Vortrag „Ueber Tuberculose“. In ihm wies er schlüssig nach, dass M. tuberculosis ursächlich für die Lungentuberkulose und alle anderen Tuberkuloseformen ist ([Abb. 9], [18]). Er zeigte auch, wie der Erreger nachzuweisen ist und forderte gleichzeitig Bemühungen, ihn medikamentös behandeln oder eine Infektion durch vorherige Impfung sicher verhindern zu können. Mit dem wissenschaftlichen Nachweis der Ätiologie der Tuberkulose wurde die Erkrankung entmystifiziert. Nach dem „goldenen Zeitalter der Bakteriologie“ finden sich nur noch wenige Darstellungen oder Verwendungen der Tuberkulose in Dichtkunst, bildender Kunst oder Musik. Bekanntlich scheiterte Robert Koch mit dem Versuch, einen Impfstoff gegen Tuberkulose zu entwickeln. Sein Tuberkulin wird heute allerdings immer noch als Hauttest eingesetzt zum Nachweis eines stattgehabten Kontaktes mit Mykobakterien. Und erst noch einmal sehr viel später wurde mit dem Streptomycin durch Salman Abraham Waksman das erste gegen M. tuberculosis wirksame Antibiotikum gefunden [19]. Später folgten weitere nach, die als Kombinationstherapie noch heute angewendet werden. Robert Koch erhielt für seine bahnbrechenden Arbeiten zur Tuberkulose den Medizinnobelpreis im Jahre 1905.

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Abb. 9  Gedenkplatte am Haus Luisenstraße Nr. 57, Berlin, in dem Robert Koch seine Experimente zum Nachweis von Mycobacterium tuberculosis als Erreger der Tuberkulose durchführte (Bild: T. Ulrichs).

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Tuberkulose heute

Beeinflusst die Tuberkulose auch heute noch den Lauf der Geschichte? Sie ist immer noch die bakterielle Infektionskrankheit mit den meisten Todesopfern weltweit und gehört damit neben Malaria und HIV/AIDS zu den drei großen Killern der Menschheit. Immer noch sterben jedes Jahr ca. 1,6 Millionen Menschen an Tuberkulose. Koinfektionen mit HIV v. a. im südlichen Afrika und eine zunehmende Medikamentenresistenz v. a. in Osteuropa und Zentralasien machen eine Behandlung von Tuberkulosepatienten und eine Eindämmung der Seuche Tuberkulose immer schwieriger. Glaubte man mit Einführung der Kombinationstherapie noch in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts, dass eine Ausrottung der Tuberkulose nun nur noch eine Frage der Zeit sei, wurde bereits 1993 die Tuberkulose von der WHO zum globalen Gesundheitsnotfall (global health emergency) erklärt. Schreitet die Ausbreitung multiresistenter Stämme immer weiter voran, werden die Tuberkulosemedikamente gänzlich wirkungslos. Es droht uns, dass wir auf den Stand der Tuberkulosekontrolle vor Einführung der Antibiotika zurückgeworfen werden, dass nur noch gute Luft und Sonnenschein als Behandlungsmittel übrigbleiben. Tuberkulose ist eine armutsassoziierte Erkrankung. Armutsbekämpfung ist auch gleich eine wirksame Bekämpfung der Tuberkulose. Ein Impfstoff ist auf absehbare Zeit nicht in Sicht, und erst langsam werden neue Tuberkulosemedikamente zur Marktreife gebracht. Ob wir wollen oder nicht, die Tuberkulose wird die Menschheit noch lange begleiten und damit auch den Gang ihrer Geschichte beeinflussen.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

1 u. a. die Kolossalstatuen aus Karnak, 1925 /26 gefunden, heute im Ägyptischen Museum in Kairo. Weitere Darstellungen Echnatons wurden hauptsächlich bei Ausgrabungen von Flinders Petrie und der Deutschen Orientgesellschaft unter Ludwig Borchardt (Ausgrabungskampagnen 1911 – 14) in Echnatons neugegründeter Hauptstadt Achetaton (beim heutigen Amarna) gefunden (wie übrigens auch die Büste seiner Frau Nofretete, in der Werkstatt des Bildhauers Thutmosis in Amarna).


2 Die Succusio Hippokratis ist typisch für einen Hämato- oder Seropneumothorax, wie er auch bei Lungentuberkulose auftreten kann.


3 Auf Lateinisch veröffentlicht: Phthisiologica, seu exercitationes de phthisi libris comprehensae. Totumque opus variis histories illustratum; die englische Übersetzung erschien 1694.


4 Neapel sehen und sterben; Goethe zugeordneter Ausspruch des Entzückens über diesen Ort, eigentlich aber ein Wortspiel im Italienischen, da Muori auch ein kleiner Ort in der Nähe Neapels ist, also kann es auch heißen: „Neapel sehen und danach Muori“.


5 Die Tuberkulose wurde als Weißer Tod bezeichnet, in Abgrenzung zum Schwarzen Tod, der Pest. Weiß bezeichnet die Blässe der Schwindsüchtigen, Schwarz die Hautläsionen der Pestkranken.


6 Neuere Untersuchungen nennen auch eine Zystische Fibrose (Mukoviszidose) als Todesursache. Dafür sprechen häufige Lungenentzündungen und eine allgemeine Körperschwäche, von denen in einigen schriftlichen Zeugnissen über Novalis berichtet wird.


7 Schiller starb am 9. Mai 1805 an den Folgen seiner langjährigen Tuberkuloseerkrankung.


8 Neuere Studien belegen in der Tat eine Wirkung des Sonnenlichtes auf die Heilung einer Tuberkuloseerkrankung: So wird Vitamin-D-3 aktiviert, das über den spezifischen Rezeptor die Aktivierung von Phagozyten steigert, die zuvor über Toll-like-Rezeptoren aktiviert wurden, intrazelluläre Mykobakterien abzutöten [Lui PT, Stenger S et al. Toll-like receptor triggering of a vitamin D-mediated human antimicrobial response. Science. 2006 Mar 24; 311 (5768): 1770 – 1773].


9 Edward Livingston Trudeau (1848 – 1915) litt ebenfalls an Tuberkulose und beschloss, die verbleibende Lebenszeit mit Jagen bei den Adirondack-Seen im Norden des US-Bundesstaates New York zu verbringen. Dort genas er, gründete 1884 am Saranac-See das erste Sanatorium in den USA und forschte zur Tuberkulose in Tiermodellen. Nach ihm ist das Tuberkuloseinstitut dortselbst benannt.


10 Ein bekanntes Beispiel sind die Heilstätten in Beelitz in der Nähe von Berlin, zur Zeit des Zweiten Deutschen Kaiserreiches eine der größten Lungen-Heilstätten in Deutschland. In den beiden Weltkriegen diente es als Lazarett. Nach 1945 wurde das Gelände von der Roten Armee als Militärkrankenhaus genutzt. Nach 1990 wurden Teile der weitläufigen Anlage mit Kliniken genutzt. Heute ist es ein denkmalgeschütztes Ensemble.


11 M. tuberculosis ist ein aerobes Bakterium, ein Abschneiden der Sauerstoffzufuhr sollte den Erreger in den infizierten (und größtenteils zerstörten) Lungenabschnitten abtöten.


12 M. tuberculosis lässt sich durch UV-Licht abtöten.


  • Literatur

  • 1 Cole ST, Brosch R, Parkhill J et al. Deciphering the biology of Mycobacterium tuberculosis from the complete genome sequence. Nature 1998; 393: 537-544
  • 2 Brosch R, Gordon SV, Marmiesse MP et al. A new evolutionary scenario for the Mycobacterium tuberculosis complex. Proc Natl Acad Sci U S A 2002; 99: 3684-3689
  • 3 Hershberg R, Lipatov M, Small PM et al. High Functional Diversity in Mycobacterium tuberculosis Driven by Genetic Drift and Human Demography. PLoS Biol 2008; 6: e311
  • 4 Gutierrez MC, Brisse S, Brosch R et al. Ancient Origin and Gene Mosaicism of the Progenitor of Mycobacterium tuberculosis. PLoS Pathog 2005; 1: e5
  • 5 Kappelman J, Alçiçek MC, Kazancı N et al. First Homo erectus from Turkey and implications for migrations into temperate Eurasia. Am J Phys Anthropol 2008; 135: 110-116
  • 6 Zink AR, Nerlich AG. Molecular strain identification of the Mycobacterium tuberculosis complex in archival tissue samples. J Clin Pathol 2004; 57: 1185-1192
  • 7 Donoghue HD, Lee OYC, Minnikin DE et al. Tuberculosis in Dr Granville's mummy: a molecular re-examination of the earliest known Egyptian mummy to be scientifically examined and given a medical diagnosis. Proc Biol Sci 2010; 277: 51-56
  • 8 Farsen P. Die Amarnakunst. Statuen und Reliefs aus der Zeit der ausgehenden 18. Dynastie.. München: Akademische Verlagsgemeinschaft, AVM; 2010
  • 9 Winckler H. Die Tontafeln von Tell-el-Amarna. In: Schrader E, et al. Hrsg. Keilschriftliche Bibliothek 5. Berlin: 1896
  • 10 El Mahdy C. Tutanchamun. Leben und Sterben des jungen Pharao.. München: Goldmann; 2004
  • 11 Sullivan R. A brief journey into medical care and disease in ancient Egypt. J R Soc Med 1995; 88: 141-145
  • 12 Winkle S. Kulturgeschichte der Seuchen. Düsseldorf, Zürich: Artemis und Winkler; 1997
  • 13 Baker P. The Roman Military Valetudinaria: Fact or Fiction. In: Arnott R, ed. The Archaeology of Medicine Proceedings of the Theoretical Archaeology Group 1998. Oxford: Archaeopress; 2002: 69-80
  • 14 Bahre K, Kleinert K, Lindemann BW. Rembrandt. Genie auf der Suche. Köln: Dumont; 2006
  • 15 Ulrichs T. Rembrandt und die Tuberkulose. Pneumologie 2008; 62: 200-203
  • 16 Virchow R. Gedächtnisrede auf Joh. Lucas Schönlein, gehalten am 23. Januar 1865, dem ersten Jahrestage seines Todes in der Aula der Berliner Universität. Berlin: 1865
  • 17 Uerlings H. Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis. Werk und Forschung. Stuttgart: Metzler; 1991
  • 18 Koch R. Die Aetiologie der Tuberculose. Berliner Klinische Wochenschrift 1882; 19: 221-230
  • 19 Waksman SA, Bugie E, Schatz A. Isolation of antibiotic substances from soil microorganisms, with special reference to streptothricin and streptomycin. Proc Staff Meet Mayo Clin 1944; 19: 537-537

Korrespondenzadresse

Dr. med. Dr. PH Timo Ulrichs
Koch-Metschnikow-Forum
Langenbeck-Virchow-Haus
Luisenstraße 59
10117 Berlin

  • Literatur

  • 1 Cole ST, Brosch R, Parkhill J et al. Deciphering the biology of Mycobacterium tuberculosis from the complete genome sequence. Nature 1998; 393: 537-544
  • 2 Brosch R, Gordon SV, Marmiesse MP et al. A new evolutionary scenario for the Mycobacterium tuberculosis complex. Proc Natl Acad Sci U S A 2002; 99: 3684-3689
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  • 9 Winckler H. Die Tontafeln von Tell-el-Amarna. In: Schrader E, et al. Hrsg. Keilschriftliche Bibliothek 5. Berlin: 1896
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  • 19 Waksman SA, Bugie E, Schatz A. Isolation of antibiotic substances from soil microorganisms, with special reference to streptothricin and streptomycin. Proc Staff Meet Mayo Clin 1944; 19: 537-537

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Abb. 1  Phylogenetischer Stammbaum von Mycobacterium tuberculosis. Auf der Grundlage genetischer Untersuchungen vorgeschlagener Stammbaum der Mykobakterien mit Verlust genetischen Materials während der Evolution der Mykobakterien; modifiziert nach Brosch et al., 2002, Abb. 2 [2].
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Abb. 2  Befunde aus Mumien, Neues Reich. Die klinischen Befunde stammen von altägyptischen Mumien des Neuen Reiches; im linken Bild ein aufgeschnittener Thorax mit teilweise erhaltenem, mit der Pleura verklebten Lungengewebe infolge einer tuberkulösen Pleuritis exsudativa; im rechten Bild die im Sinne einer abszedierenden Knochentuberkulose veränderte Lendenwirbelsäule einer Mumie samt dazugehörigem Röntgenbild. Abdruck mit freundlicher Genehmigung durch A. R. Zink, vgl. Zink und Nerlich, 2004 [6].
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Abb. 3  Kolossalbüste Echnatons im Ägyptischen Museum in Kairo. Die Büste wurde für eine Untersicht hergestellt, deshalb ist sie auch im Museum erhöht angebracht (Bild T. Ulrichs).
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Abb. 4  Ansicht des Golfes von Neapel. Reiche Römer hatten hier ihre Villen und verbrachten hier oft die Sommermonate wegen des günstigen Klimas und um dem ungünstigen der Stadt Rom zu entfliehen. Auch valetudinaria wurden hier eingerichtet (Bild: T. Ulrichs).
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Abb. 5  Heinrich IV. berührt Skrofulöse. Heinrich IV. berührt skrofulöse Patienten (Heilung durch Handauflegen). Diese Prozedur diente u. a. der Legitimation seiner Königsmacht. Kupferstich von Pierre Firens, aus: André du Laurens, A Laurentis de strumis earum causis et curae, Paris 1609.
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Abb. 6  Die Geburt der Venus von Sandro Botticelli, 1485 /86, Uffizien Florenz (Quelle: Wikipedia Commons).
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Abb. 7  Rembrandts „Nachtwache“, Rijks-Museum Amsterdam (Quelle: Wikipedia Commons).
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Abb. 8  Die ehemalige Tuberkulose-Heilanstalt Beelitz-Heilstätten südwestlich von Berlin vor 100 Jahren. Mit freundlicher Genehmigung des Fördervereins Heiz-Kraft-Werk Beelitz-Heilstätten e. V. (G. Ohligschläger).
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Abb. 9  Gedenkplatte am Haus Luisenstraße Nr. 57, Berlin, in dem Robert Koch seine Experimente zum Nachweis von Mycobacterium tuberculosis als Erreger der Tuberkulose durchführte (Bild: T. Ulrichs).