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DOI: 10.1055/s-0030-1261705
Wissenschaft erklärt: Reliabilität – Darauf ist Verlass!
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
09. Juli 2010 (online)
- Alle kommen zum gleichen Ergebnis
- Nur zuverlässige Tests evaluieren glaubhaft
- Reliabilität oft auf einen Aspekt bezogen
- Wie man Reliabilität berechnet
- Reliable Tests im ergotherapeutischen Alltag
Wenn Ergotherapeuten etwas messen, müssen ihre Ergebnisse reliabel sein. Das heißt, dass diese zuverlässig sind und man ihnen vertrauen kann. Dies gilt für jede Art von Untersuchung und Diagnostik. Denn nur mit reliablen Ergebnissen können Therapeuten korrekte Entscheidungen im Behandlungsverlauf treffen.


Prof. Dr. Jan Mehrholz, Leiter des Wissenschaftlichen Instituts der Privaten Europäischen Medizinischen Akademie in Kreischa und in Gera Professor für Therapiewissenschaften
Die Reliabilität eines Messinstruments wird oft in Studien untersucht. Man spricht dann von Zuverlässigkeit oder auch von Reproduzierbarkeit. Das Instrument ist dann reliabel, wenn es immer die gleichen Ergebnisse liefert.
#Alle kommen zum gleichen Ergebnis
Es gibt zwei Arten der Reliabilität, die Inter- und die Intratesterreliabilität. Dazu ein Beispiel: Eine Ergotherapeutin prüft die Tiefensensibilität der oberen Extremität eines Patienten. Wenn sie denselben Test mehrmals durchführt und immer wieder zum gleichen Ergebnis kommt, spricht man von einer guten Intratesterreliabilität. Da die gleiche Untersucherin alle Tests durchführt, ist das Ergebnis reproduzierbar. Das verwendete Messinstrument, der Test zur Tiefensensibilität, misst damit zuverlässig die Tiefensensibilität. Wenn mehrere Ergotherapeuten den Test anwenden und zum gleichen Ergebnis kommen, spricht man von Intertesterreliabilität. Das bedeutet, dass unterschiedliche Personen oder Tester mit demselben Messinstrument zu dem gleichen Ergebnis kommen.
Beide Arten von Reliabilität sind für die Qualität von Messinstrumenten, Assessments oder diagnostischen Tests wichtig.
#Nur zuverlässige Tests evaluieren glaubhaft
Warum benötigt man als Ergotherapeutin zuverlässige Messinstrumente? Ein Grund ist, dass Wirksamkeitsnachweise ohne Verwendung reliabler Messmethoden nicht möglich sind. Ebenso müssen Therapeuten sie zwingend anwenden, wenn sie die Fortschritte ihrer Patienten zuverlässig erfassen möchten. Denn nur wenn die Messinstrumente reliabel sind, kann man sich auf die ermittelten Ergebnisse verlassen. Es nützt nichts, wenn Ergotherapeuten viele Tests bei einem Patienten mit Sensibilitätsstörung durchführen, aber die Tests nicht reliabel sind. Denn dann können die Ergebnisse der Diagnostik zu einer falschen Therapieentscheidung führen.
Aber nicht nur in der Diagnostik, sondern auch in der Wissenschaft sind reliable Tests unabdingbar. Möchte ein Forscher zum Beispiel die Wirkung einer Behandlung auf den Schmerz nachweisen, benötigt er ein geeignetes Instrument, um Schmerzen zuverlässig messen zu können. Dies könnte die „Visuelle Analogskala” [1] sein, deren Reliabilität in mehreren Studien nachgewiesen wurde [2, 3]. Oder er nutzt den „Deutschen Schmerzfragebogen”, der ebenfalls ausreichend wissenschaftlich geprüft wurde [4]. Allgemein sollte gelten, dass wichtige Entscheidungen innerhalb der Therapie niemals auf dubiosen Informationen basieren dürfen. Therapieinterventionen können letztlich nur mit zuverlässigen Messmethoden glaubhaft evaluiert werden.
#Reliabilität oft auf einen Aspekt bezogen
Allerdings gibt es nicht „die” Reliabilität eines Messinstruments. Ein Assessment zur Lebensqualität kann bei Gesunden sehr reliabel sein, dagegen bei schwerstbetroffenen Patienten unzuverlässig. Assessments sind bei verschiedenen Krankheitsbildern und Symptomen oft unterschiedlich zuverlässig. Deswegen ist es wichtig, dass Ergotherapeuten Messinstrumente nur an den Patienten anwenden, an denen diese Tests geprüft wurden. Genauso verhält es sich mit der Anwendung von Messinstrumenten in Studien: In der Regel verweisen Forscher auf Untersuchungen, in denen ein Messinstrument bei vergleichbaren Patienten zuverlässig war.
#Wie man Reliabilität berechnet
Reliabilität wird mit sogenannten Reliabilitätskoeffizienten angegeben. Forscher berechnen diese mit statistischen Tests anhand von Studiendaten. Die Berechnung der Reliabilität ist vom Skalenniveau des Instruments abhängig, mit welchem die Daten gewonnen wurden. Bei intervallskalierten Messergebnissen (wie Zeit, Temperatur, Geschwindigkeit, Körpergröße) verwendet man beispielsweise „Pearson’s r”. Für die Interpretation von Reliabilitätskoeffizienten (von -1 bis 1) existieren international übliche Kriterien [5]. Eine Korrelation von 1 bedeutet eine perfekte Korrelation, das heißt eine perfekte Zuverlässigkeit bei zwei Untersuchern. Wird der Wert von 0,80 überschritten, kann von einer zuverlässigen Messung ausgegangen werden.
#Reliable Tests im ergotherapeutischen Alltag
Die Auswahl eines geeigneten Messinstrumentes für den ergotherapeutischen Alltag unterliegt oft der subjektiven Einschätzung der Therapeutin. Nur wenige Tests und Assessments wurden bisher auf Reliabilität überprüft. Mehr Forschung ist notwendig, damit ausreichend reliable Messinstrumente für Ergotherapeuten zur Verfügung stehen, die in ihrem klinischen Alltag praktikabel sind.


- Literaturverzeichnis