Dialyse aktuell 2010; 14(5): 266
DOI: 10.1055/s-0030-1261745
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Lebendnierenspende – Entscheidungsprozess bei verwandten und nicht verwandten Spendern

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Publication Date:
16 June 2010 (online)

 
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Quelle: Sanner MA. The donation process of living kidney donors. Nephrol Dial Transplant 2005; 20; 1707-1713

Thema: Der Anteil der Lebendnierenspenden hat sich in den letzten Jahren in den USA und in Skandinavien deutlich erhöht. So beträgt er in Schweden 47 % der Nierentransplantationen. Die schwedische Arbeitsgruppe untersuchte, wie der Entscheidungsprozess bei Spendern verläuft. Dabei unterscheiden sie zwischen verwandten und nicht verwandten Spendern, da in der bisher vorliegenden Literatur Berichte zu verwandten Spendern überwiegen.

Projekt: Am Tag vor der Transplantation und 3-mal im folgenden Jahr interviewten die Forscher 23 verwandte und 16 nicht verwandte erwachsene Lebendnierenspender. Dabei verwendeten sie ein offenes Interview, das durch ein Interviewmanual gestützt wurde. Mithilfe des Leitfadens fragten die Interviewer den Entscheidungsweg ab, daneben das Wissen über die Transplantation und über mögliche Risiken/Probleme, das Erlangen von Information zur Transplantation, den Zeitpunkt der Entscheidung und ein eventuelles Infragestellen der Spende sowie die Gefühle und Gedanken in Bezug auf die Operation.

Ergebnis: Der Spendeprozess konnte in 7 Stufen untergliedert werden: Gewahrwerden des Leidens des Dialysepatienten, Wichtigkeit einer bevorstehenden Transplantation und die Eigenwahrnehmung als möglicher Spender, Informationssuche, Anerkennung der Verantwortlichkeit für die Spende und Entscheidung zur Spende, Untersuchungen, Phase angesichts der Operation, postoperative Erfahrungen.

Es konnten 2 Entscheidungsprozesse unterschieden werden: die schnelle, spontane Entscheidung zur Spende und die Entscheidung nach Beratung und Abwägen der Pro und Kontras. Je etwa die Hälfte der Spender fällt ihre Entscheidung nach einem dieser beiden Entscheidungsmuster. Am belastendsten erlebten die Spender die Untersuchungsperiode vor der Transplantation aufgrund der geringen Koordination und der langen Dauer.

Fazit: Die Studie zeigt, dass das Verwandtschaftsverhältnis keinen Einfluss auf den Entscheidungsprozess hatte. Vor allem zwischen den Stufen 5 und 7 sehen die Autoren die Notwendigkeit, die Spender sozial zu unterstützen.

Key Words: Entscheidungsprozess - Lebendnierenspender - Transplantation

Prof. Friedrich Balck, Dresden

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Bild: Fotolia, Fotograf/Grafiker: nyul

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Kommentar

In der Beurteilung der Motivation eines potenziellen Lebendnierenspenders spielt die Kenntnis seines Entscheidungsprozesses eine wesentliche Rolle. Hieraus lassen sich die Freiwilligkeit, die Tiefe seines Nachdenkens mit dem Erörtern der Vor- und Nachteile der Transplantation, das Bedenken möglicher positiver und negativer Konsequenzen, eine mögliche Einflussnahme Dritter, die Entscheidungsmotive und eventuell an die Transplantation geknüpfte Bedingungen ablesen. Einige Untersuchungsteams in Deutschland haben zudem im Beurteilungsprozess vor der Transplantation ein Memorandum eingefügt, um ein Überdenken der Entscheidung zu ermöglichen.

Wie die bisher vorliegenden Untersuchungsergebnisse gezeigt haben, überwiegen die spontanen Entscheidungen zur Lebendnierenspende [1], [2], [3]. Den Spendern scheint ein langes Abwägen in dieser Situation nicht angemessen zu sein. Die Untersuchung von Frau Sanner zeichnet nun ein differenzierteres Bild, da sie unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis sowohl spontane Entscheidungen, als auch ein bewusstes Abwägen vorfindet. Unsere Erfahrung in Dresden stützt diesen Befund. Bei einer Reihe von Spendern ist das Abwägen an die Ergebnisse der medizinischen Untersuchungen geknüpft, das heißt es wird zwar ausgehend von dem eigenen Informationsstand eine Entscheidung zur Spende gefällt, diese aber von den medizinischen Befunden abhängig gemacht. Wichtig ist der Hinweis der Autorin, die Spender kurz vor und nach der Transplantation psychologisch zu unterstützen.

Prof. Friedrich Balck, Dresden

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Literatur

  • 01 Eisendrath R , Guttmann R , Murray J . Psychological considerations in the selection of kidney transplant donors.  Surg Gynec Ostet. 1969;  129 243-248
  • 02 Fellner C H, Marshall J R. Twelve kidney donors.   JAMA. 1968;  206 2703-2707
  • 03 Simmons R G, Klein S D, Simmons R L Gift of life: The social and psychological impact of organ transplantation. New York: Wiley; 1977
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Literatur

  • 01 Eisendrath R , Guttmann R , Murray J . Psychological considerations in the selection of kidney transplant donors.  Surg Gynec Ostet. 1969;  129 243-248
  • 02 Fellner C H, Marshall J R. Twelve kidney donors.   JAMA. 1968;  206 2703-2707
  • 03 Simmons R G, Klein S D, Simmons R L Gift of life: The social and psychological impact of organ transplantation. New York: Wiley; 1977
 
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