Der Klinikarzt 2010; 39(6): 274
DOI: 10.1055/s-0030-1262340
Medizin & Management

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Krankenhäuser in der Wirtschaftskrise

Kommunale Kliniken sind die Verlierer
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Publication Date:
28 June 2010 (online)

 
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Weil ihnen die Steuereinnahmen wegbrechen, werden die deutschen Kommunen immer weniger in der Lage sein, Defizite ihrer kommunalen Krankenhäuser auszugleichen. Folglich wird die Zahl der Klinikschließungen, -fusionen und -verkäufe wieder deutlich steigen. Gleichzeitig stehen die Krankenhäuser unter steigendem Konkurrenzdruck.

Krankenhäuser müssen einerseits die Kosten senken, andererseits ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Investitionen in eine bessere Qualität und neue Angebote verbessern. Private Krankenhausbetreiber befinden sich aufgrund ihres größeren finanziellen Spielraums in einer weit günstigeren Ausgangsposition als kommunale Kliniken und werden in den kommenden Jahren ihren Marktanteil weiter ausbauen. Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young, die auf einer Befragung von 300 Krankenhausmanagern und 1500 Verbrauchern in Deutschland beruht.

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Anstieg der Personal- und Sachkosten

Über 80 % der befragten Krankenhausmanager erwarten einen Anstieg der Personal- und Sachkosten in den kommenden 2 Jahren. Im Verlauf der vergangenen Jahre haben sich die einzelnen Kostenblöcke sehr unterschiedlich entwickelt. So wuchsen die Personalkosten zwischen 2000 und 2008 mit 23 % deutlich langsamer als die Sachkosten (+ 57 %). Der Anstieg der Personalkosten wiederum ist in erster Linie auf eine deutliche Zunahme im Bereich der ärztlichen Dienste zurückzuführen (+ 57 %), während die Kosten im Pflegedienst mit + 3 % nur sehr moderat gewachsen sind. Zwischen 2000 und 2008 stieg die Zahl der Ärzte (Vollzeit) um 18 % auf 128 117.

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Abb. 1 Krankenhäuser nach Trägerschaft 1993–2003. Quelle: Krankenhausstatistik (Statistisches Bundesamt, IS-GBE)

Zusätzlich wirkt sich die Wirtschaftskrise aus: Aufgrund der Ausfälle an Krankenkassenbeiträgen durch die gestiegene Arbeitslosigkeit und die hohe Inanspruchnahme der Kurzarbeit ist weniger Geld im System. Hinzu kommen Steuerausfälle bei den Bundesländern und Kommunen. Da die Bundesländer für die Krankenhausinvestitionen verantwortlich zeichnen, könnten fehlende Einnahmen zu einem weiteren Rückgang der Investitionsbudgets führen.

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Rückgang der Investitionsbudgets in öffentlichen Kliniken

"Die Wirtschaftskrise führt dazu, dass die Kommunen vielfach die Defizite der öffentlichen Krankenhäuser nicht mehr ausgleichen können und die Länder ihre Krankenhaus-Investitionen reduzieren", beobachtet Stefan Viering, Partner bei Ernst & Young. Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise werden wohl insbesondere Krankenhäuser der öffentlichen Hand treffen. Geringere Kirchensteuereinnahmen und verminderte Spendenaufkommen werden jedoch auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der freigemeinnützigen Träger beeinträchtigen.

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Weiterer Arbeitsplatzabbau ist zu erwarten

Kostensenkungsprogramme spielen derzeit bei 84 % der Krankenhäuser eine große bis sehr große Rolle. Geld sparen wollen die Manager vor allem bei den medizinischen Verbrauchsgütern. Aber auch Personal soll abgebaut werden: Jeweils gut jedes dritte Krankenhaus (39 %) will die Zahl der Beschäftigten in der Pflege bzw. der Verwaltung reduzieren. Immerhin jedes fünfte Krankenhaus (21 %) plant sogar, zukünftig weniger Ärzte zu beschäftigen.

Gleichzeitig wollen die Krankenhäuser aber auch neue Investitionen tätigen und bestimmte Fachbereiche stärken (62 %), Gebäude modernisieren (61 %) oder den Komfort für die Patienten erhöhen (51 %). Zusätzliches Personal wollen hingegen nur die wenigsten Kliniken einstellen. Unterm Strich ist daher mit einem weiteren Arbeitsplatzabbau bei den Krankenhäusern zu rechnen.

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Private Klinikkonzerne profitieren

Die finanzielle Enge der anderen Träger eröffnet den privaten Krankenhauskonzernen neue Möglichkeiten der Expansion: "Die Geldnot lässt manchen Bürgermeister und Landrat wieder ernsthaft über einen Verkauf seiner Kliniken an andere Träger nachdenken", stellt Viering fest. "Die Wirtschaftskrise begünstigt eindeutig die privaten Klinikkonzerne, deren Geschäft aufgrund ihrer Finanzkraft vom konjunkturellen Geschehen weit weniger abhängig ist. Sie sind geschätzte Kreditnehmer und erfreuen sich auch am Kapitalmarkt beachtlicher Beliebtheit - selbst in der Krise."

Sowohl bei den qualitätssteigernden Investitionen als auch bei der Etablierung neuer Angebote zeigen sich private Krankenhäuser deutlich investitionsfreudiger als freigemeinnützige und vor allem öffentliche. So will jedes fünfte private, aber nur jedes zehnte öffentliche Krankenhaus zukünftig Alternative Medizin ins Angebot nehmen. Die Einrichtung einer Privatstation planen 45 % der privaten, aber nur 25 % der öffentlichen Krankenhäuser.

Klaus Schmidt, Planegg

 
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Abb. 1 Krankenhäuser nach Trägerschaft 1993–2003. Quelle: Krankenhausstatistik (Statistisches Bundesamt, IS-GBE)