Pneumologie 2010; 64(8): 462
DOI: 10.1055/s-0030-1263037
Pneumo-Fokus

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Tuberkulose – Neuer Hemmstoff gefunden

Further Information

Publication History

Publication Date:
05 August 2010 (online)

 
Table of Contents

Dem Mycobacterium tuberculosis könnte es in Zukunft schwerfallen, sich gegen die Makrophagen der Körperabwehr zu behaupten: Forscher um Caroline Kisker vom Rudolf-Virchow-Zentrum der Universität Würzburg haben einen Wirkstoff entwickelt, der die Krankheitserreger daran hindert, ihre besonders widerstandsfähige, wachsartige Zellwand aufzubauen. Ähnliche Ansätze gab es schon, allerdings konnten die bisherigen Substanzen die Zellwandproduktion nur für Sekundenbruchteile stoppen. Dank Kisker und ihren Kollegen haben die Fresszellen nun 24 Minuten Zeit für ihren Angriff.

Die Zellwand des Tuberkulose-Erregers, Mycobacterium tuberculosis, besitzt Eigenschaften, die die normalerweise stattfindende Zerstörung durch Makrophagen verhindert: Sie ist besonders fettreich und besitzt eine wachsartige Oberfläche mit einer hohen Widerstandskraft. Darüber hinaus enthält sie spezielle Einheiten, die die Signalübermittlung der Makrophagen stören, wodurch deren Angriff deutlich schwächer ausfällt als üblich.

#

PT70 blockiert Substrattasche

Der neue Wirkstoff mit Namen PT70 greift dort an, wo die sehr langkettigen Fettsäuren der Zellwand produziert werden: in der Substrattasche eines Enyzms namens InhA. Die Aufgabe des Wirkstoffs besteht darin, diese Substrattasche zu blockieren – und zwar möglichst lange. Die zeitliche Dauer war bislang das Problem erprobter Wirkstoffe: Sie konnten den Zellwandaufbau nicht einmal für eine Sekunde verzögern, da sie nicht ganz genau in die Substrattasche passten und dadurch leicht herausgedrückt werden konnten. PT70 verdankt seine genaue Passform der Strukturbiologie: Strukturbiologen können Eiweiße bis auf das einzelne Atom genau darstellen – und auf diese Weise einen perfekt passenden Wirkstoff für eine Substrattasche schaffen. Durch die nun deutlich längere Bindungsdauer von 24 Minuten haben die Makrophagen genügend Zeit, um das zellwandlose und damit ungeschützte Mycobacterium tuberculosis zu zerstören.

ddp/wissenschaft.de