physiopraxis 2010; 8(7/08): 20
DOI: 10.1055/s-0030-1263280
physiowissenschaft

Beckenboden – Moderate Anspannung hebt Blasenhals

Helga Nolte
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Publikationsdatum:
28. Juli 2010 (online)

 
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Helga Nolte (hebe), BSc, ist Physiotherapeutin und lebt in Paderborn. Seit ihrem Praktikum bei physiopraxis schreibt sie regelmäßig für die Rubrik physiowissenschaft.

Zur Wahrung der Kontinenz ist es unter anderem wichtig, dass sich der Blasenhals bei einer Anspannung des Beckenbodens anhebt. Dies kann er am besten durch eine Anspannung des M. transversus abdominis und eine sanfte bis moderate Aktivierung der Beckenbodenmuskulatur.

Das ist das Ergebnis einer Studie von Bärbel Junginger und ihrem Team von der Universität Queensland in Brisbane, Australien. Sie untersuchten bei neun gesunden Frauen, wie aktiv deren Beckenboden- und Bauchmuskeln bei unterschiedlichen Übungen in Rückenlage sind: Die Probandinnen spannten zum Beispiel den Beckenboden erst leicht, dann moderat an, aktivierten isoliert den M. transversus abdominis (MTrA) oder kontrahierten sämtliche Bauchmuskeln, während sie den Bauch weiteten. Außerdem führten sie das Valsalva-Manöver durch: Sie erhöhten den Druck im Bauch, indem sie mit viel Kraft gegen die geschlossenen Lippen ausatmeten. Eine andere Übung war ein sanfter Sit-up. Bei allen Aufgaben sollten die Teilnehmerinnen zunächst ein- und ausatmen, die Muskeln komplett entspannen und dann üben, ohne zu atmen. Die Übungen wiederholten die Probandinnen jeweils dreimal. Dazwischen machten sie ein bis zwei Minuten Pause.

Die Autoren wollten herauszufinden, welche Effekte die Übungen auf die Bauch- und Beckenbodenmuskelaktivität, den intraabdominellen Druck und die Bewegung des Blasenhalses haben. Um die Aktivität der tiefen und oberflächlichen Bauchmuskeln zu messen, brachten sie EMG-Elektroden an den Muskeln an. Die Anspannung des Beckenbodens bestimmten sie über eine vaginal eingeführte Elektrode, den intraabdominellen Druck mit einem luftgefüllten Katheter im Rektum und die Elevation des Blasenhalses durch diagnostischen Ultraschall. Sie stellten fest, dass die Beckenbodenmuskeln und der M. transversus abdominis bei allen Übungen kontrahieren. Bei einer leichten bis moderaten Anspannung des Beckenbodens und einer Kontraktion des MTrA hob sich der Blasenhals. Spannten die Probandinnen ihren Beckenboden maximal an, kontrahierten zeitgleich sämtliche Bauchmuskeln, und der intraabdominelle Druck erhöhte sich. Der Blasenhals veränderte dabei seine Position jedoch nicht.

Junginger und ihr Team empfehlen, für die Behandlung von Beckenbodendysfunktionen mit einer sanften Kontraktion des MTrA zu beginnen – vor allem, wenn die Frauen ihren Beckenboden zunächst nicht willkürlich ansteuern können. Die Autoren sind jedoch nicht sicher, inwieweit die durch die Vaginalsonde gemessene Beckenbodenaktivität durch eine Anspannung der Hüftgelenkrotatoren ausgelöst wurde.

hebe

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Kommentar

Eine weitere Konsequenz der Studienergebnisse wäre, den intraabdominellen Druck möglichst niedrig zu halten, wenn sich der Blasenhals heben soll. Ob man die Empfehlungen auf symptomatische Frauen übertragen kann, ist aufgrund der Probandengruppe ungewiss. Denn an der Studie nahmen nur neun Frauen teil, die zudem keine Beckenbodendysfunktion hatten.

Helga Nolte, BSc

Int Urogynecol J 2010; 21: 69–77

 
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