Z Orthop Unfall 2010; 148(4): 378
DOI: 10.1055/s-0030-1265237
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Distale Tibiafraktur – Platte oder Nagel?

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
17. August 2010 (online)

 
Inhaltsübersicht

Die operative Versorgung der distalen Tibiafraktur mit intramedullärem Marknagel oder mit minimalinvasiver Plattenosteosynthese stellen anerkannte Verfahren dar, die eine frühe Mobilisation des Verletzten erlaubt. Die Hypothese der vorliegenden Studie ist eine bessere Erholung von der distalen metaphysären Tibiafraktur durch Stabilisierung und Versorgung mit einem intramedullären Verriegelungsmarknagel als durch die Versorgung mit einer perkutan eingebrachten Plattenosteosynthese. Eine vergleichende prospektive randomisierte Studie zwischen perkutaner Platte und intramedullärem Nagel bei distaler Tibiafraktur. J Bone Joint Surgery, 2010; 92b: 984–988

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Material und Methoden

Von Juli 2005 bis Januar 2008 wurden 111 Patienten mit distaler Tibiafraktur randomisiert in die Studie eingeschlossen und entweder mit einem intramedullärem Verriegelungsmarknagel (IMN: S2 Marknagel, Stryker) oder mit einer minimalinvasiven Plattenosteosynthese (MIPO: LCP, Synthes) versorgt.

Die Tibiafrakturen mussten ca. 3 cm proximal des Sprunggelenkspalts liegen und durften keine Gelenkbeteiligung haben, damit der Patient in die Studie eingeschlossen werden konnte (AO Klassifikation Typ 43A).

Patienten mit pathologischen Frakturen inklusive osteoporotischen Frakturen, rheumatischen Erkrankungen, Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen und Problemen bei der Kommunikation sowie offene Frakturen 2. – 3. Grades nach Gustilo und Anderson wurden von der Studie ausgeschlossen. Dies galt ebenfalls für jene Frakturen bei denen eine Versorgung der Fibula notwendig wurde (10 Patienten in der IMN- und 9 in der MIPO- Gruppe)

Die intraoperativen Durchleuchtungszeiten und die Operationsdauer wurden dokumentiert und ausgewertet. Postoperativ wurden die Patienten 3 Wochen in einem kurzen Unterschenkelgips immobilisiert. Verzögerte Wundheilung wurde definiert als Wundsekretion länger als 2 Tage und Wunddehiszenz von >1cm Breite und Länge.

Die radiologischen Nachuntersuchungen erfolgten nach 6 Wochen, 3, 6, 12 Monaten. Der Übergang zur Vollbelastung wurde individuell nach radiologisch nachgewiesener Durchbauung durchgeführt. Die klinische Nachuntersuchung mit Erfassung des AOFAS-Scores wurde 12 Monate nach Operation durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Entscheidung zur Implantatentfernung getroffen.

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Bild: Thieme Verlagsgruppe

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Ergebnisse

Von den 111 Patienten mussten 26 Patienten ausgeschlossen werden. Die übrigen verteilten sich mit 44 Personen auf die INM-Gruppe und 41 auf die MIPO-Gruppe. Geschlecht, Alter, Frakturseite und Frakturtypen in beiden Gruppen zeigten sich nahezu identisch. Alle Frakturen heilten. Es zeigte sich kein Unterschied bei der Dauer der Frakturheilung (IMN 17,66 Wochen vs. MIPO 17,59 Wochen). Ein signifikanter Unterschied in den beiden Gruppen zeigte sich nur bei der intraoperativen Durchleuchtungszeit und bei der Operationsdauer. In beiden Parametern zeigte sich die Vorgehensweise mit dem intramedullärem Marknagelsystem dem minimalinvasiven Plattenosteosynthesesystem überlegen.

Der AOFAS-Score zeigte sich bei der Marknagelversorgung ebenfalls besser als das Plattensystem, wobei keine statische Signifikanz erkennbar war.

In der MIPO-Gruppe fanden sich mehr postoperative Wundheilungsstörungen, aber auch hier war eine statistische Signifikanz nicht nachzuweisen.

Eine Wundrevision war zu keinem Zeitpunkt notwendig, alle Wunden heilten innerhalb von 6 Wochen.

Eine Implantatentfernung wurde bei fast allen Patienten durchgeführt. Lediglich 3 Patienten entschieden sich gegen eine Entfernung. Die Implantate wurden im Schnitt nach 15,5 Monaten entfernt. Hierbei zeigten sich Schwierigkeiten bei der Entfernung der Platten. Bei 12 Schrauben von 169 eingebrachten traten Schwierigkeiten auf, während die Nägel alle problemlos zu entfernen waren.

Dr. Patrick Haar

Abt. für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie

Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock

eMail: Petzi.petzold@web.de

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Kommentar

Die Hypothese der Autoren, dass es zu einer früheren Erholung des Patienten, der mit einem IMN versorgt wurde, kommt, konnte in der Studie nicht nachgewiesen werden. Lediglich die kürzere Operationsdauer und die geringere Durchleuchtungszeit zeigten einen signifikanten Unterschied zugunsten der Marknagelversorgung. Die untersuchten klinischen Parameter wie Wundheilungsstörungen und AOFAS-Score nach einem Jahr sprechen, wenngleich sie nicht signifikant unterschiedlich sind, für die Versorgung mit einem intramedullären Kraftträger, sodass die Autoren diese Methode als vorziehenswert erachten. Dennoch konnten sie nachweisen, dass auch die minimalinvasiv eingebrachte Plattenosteosynthese ausgezeichnete Ergebnisse liefert. Somit bleibt die Implantatwahl der individuellen Entscheidung des Operateurs vorbehalten.

Dr. Patrick Haar

 
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Bild: Thieme Verlagsgruppe