Der Klinikarzt 2010; 39(7/08): 326-327
DOI: 10.1055/s-0030-1265245
Recht

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Update § 116 b SGB V (Anfechtung durch Vertragsärzte)

LSG bestätigt erstinstanzliches Urteil
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Dr. jur. Isabel Häser  

Rechtsanwältin

Ehlers, Ehlers und Partner

Widenmayerstr. 29

80538 München

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Publication Date:
23 August 2010 (online)

 
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In unserem letzten Beitrag haben wir Sie über den Beschluss des Sozialgerichts Dresden (S 11 KA 114/09 ER vom 29.09.2009) informiert. Mit dem Beschluss hatte das Sozialgericht Dresden erstmalig im einstweiligen Rechtsschutz eine Drittanfechtung eines Vertragsarztes gegen eine Bestimmung eines Krankenhauses gemäß § 116 b Abs. 2 SGB V zur ambulanten Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten zugelassen. Gegen diesen Beschluss ging unter anderem der Träger des Krankenhauses in Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG). Mit Beschluss vom 03.06.2010 (L 1 KR 94/10 B ER) bestätigt das LSG nun die Entscheidung des SG Dresden und wies die Beschwerden zurück. Aufgrund der summarischen Prüfung vertritt das LSG die Auffassung, dass die vom Vertragsarzt gegen den Bestimmungsbescheid des Krankenhauses erhobene Klage im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach Erfolg haben wird. Nach Meinung des Gerichts entfaltet das in § 116 b Abs. 2 Satz 1 SGB V enthaltene Gebot, bei der Entscheidung die vertragsärztliche Versorgungssituation zu berücksichtigen, drittschützende Wirkung zugunsten des Vertragsarztes. In den Entscheidungsgründen wird das LSG sehr deutlich: "Es darf nicht aus dem Blick geraten, dass die Bestimmung von Krankenhäusern als weitere ambulante Leistungserbringer den Charakter der bloßen Ergänzung bis hin zur Ersetzung der vertragsärztlichen Versorgung auf den in § 116 b Abs. 3 und 4 SGB V genannten Gebieten annehmen kann. Eine vom Gesetz erlaubte oder gar beabsichtigte Entwicklung, durch die es faktisch zu einer Verdrängung der vertragsärztlichen Versorgung in dem durch § 116 b Abs. 3 und 4 SGB V abgesteckten Teilbereich käme oder auch nur kommen könnte, bedürfte keiner Einschränkung durch die Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation. Hierfür würde es genügen, dass das den Antrag stellende Krankenhaus die Eignungsvoraussetzungen nachweist. Indem das Berücksichtigungsgebot in § 116 b Abs. 2 SGB V aufgenommen worden ist, kann daraus nur der Schluss gezogen werden, dass zumindest eine wesentliche Beeinträchtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation im Sinne eines Verdrängungswettbewerbs vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Dabei kommt es nicht auf die überindividuelle Situation des Vertragsarztsystems, sondern nur auf die Situation der einzelnen Vertragsärzte im Einzugsbereich des nach § 116 b Abs. 2 SGB V bestimmten Krankenhauses an".

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Behörde muss vertragsärztliche Versorgungssituation berücksichtigen

Da im Rahmen der konkreten Entscheidung über die Bestimmung des Krankenhauses zur ambulanten Behandlung die vertragsärztliche Versorgungssituation im Rahmen der obliegenden Abwägung von der Behörde nicht berücksichtigt wurde, war der Bestimmungsbescheid rechtswidrig. Wie das erstinstanzliche Gericht kommt auch das LSG zu dem Ergebnis, dass bei der Entscheidung der Behörde über die Bestimmung des Krankenhauses Bedarfsgesichtspunkte zu berücksichtigen sind und dementsprechend eine Analyse und Würdigung der aktuellen Versorgungssituation im vertragsärztlichen Bereich erforderlich ist. Dies läuft zwar auf eine Bedarfsprüfung hinaus, bedeutet aber nach Auffassung der Richter nicht, dass den niedergelassenen Vertragsärzten ein Vorrang bei der Abdeckung des Bedarfs zukäme. Vielmehr sei es denkbar, dass Gesichtspunkte der Qualität - wie etwa solche der höheren Erfahrung und Routine im Krankenhaus - oder der Patientengerechtigkeit - wie etwa bessere Erreichbarkeit - ein höherer Stellenwert eingeräumt wird. Diese Gesichtspunkte seien mit der Gefahr abzuwägen, dass durch den eröffneten Wettbewerb zwischen Vertragsärzten und Krankenhaus die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Vertragsärzte im regionalen Einzugsbereich des jeweiligen Krankenhauses derart beeinträchtigt wird, dass die vom Krankenhaus nach § 116 b Abs. 3 und 4 SGB V angebotenen ambulanten Leistungen von den Vertragsärzten aus wirtschaftlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt erbracht werden können und dadurch trotz der gebotenen Vielfalt der Leistungserbringer insgesamt dennoch eine Verschlechterung der Versorgungssituation eintritt. Da es sich dabei nur um prognostische Bewertungen handeln könne, stünde der Behörde, die den Bescheid nach § 116 b Abs. 2 SGB V erlässt, ein Einschätzungsspielraum über künftige Entwicklungen zu. Es könne allerdings in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips geboten sein, im Rahmen der Ausübung des Ermessens zu Lasten des den Antrag stellenden Krankenhauses befristet Kontingentierungen vorzusehen, um die weitere Entwicklung zu beobachten und daraus Erkenntnisse für weitergehende Entscheidungen abzuleiten. Dies sei umso eher in Erwägung zu ziehen, als die begründete Befürchtung besteht, dass bei den in Frage stehenden Leistungen das Krankenhaus einen faktischen Erstzugriff auf die Patienten hat und bei geschickter Führung der Patienten vertragsärztliche Leistungserbringer ausschließen kann. Im konkreten Fall wurde der Bestimmungsbescheid diesen Maßstäben nicht gerecht.

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Interessant: Streitwertfestsetzung

Interessant ist auch die Festsetzung des Streitwerts für das Verfahren. Hierbei orientierte sich das Gericht an der Bedeutung der Sache für den Antragsteller (Vertragsarzt). Daher war als Streitwert nicht die Höhe des Umsatzes anzusetzen, der vom Krankenhaus bei erlangter Bestimmung innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren aus der ambulanten Erbringung der streitigen Katalogleistungen abzüglich des Kostenanteils erzielt werden könnte, sondern nach den Umsatzeinbußen des Vertragsarztes bei seinen von der Bestimmung des Krankenhauses betroffenen Leistungen abzüglich der Praxiskosten für den Zeitraum von drei Jahren zu bestimmen. Bei fehlenden Anhaltspunkten für die konkreten Auswirkungen auf den Umsatz des Vertragsarztes wurde für jedes Quartal des Drei-Jahres-Zeitraums der Auffangstreitwert (5 000,00 Euro) angesetzt. Im Eilverfahren werden hiervon nur 15 % berechnet. Auch diese Streitwertentscheidung wird es niedergelassenen Vertragsärzten erleichtern, eine Entscheidung im Hinblick auf eine Klage bzw. einen einstweiligen Rechtsschutz zu treffen.

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Keine Geltung der GOÄ für Vereinbarung zwischen Krankenhausträgern und niedergelassenen Ärzten über deren Hinzuziehung im Rahmen allgemeiner Krankenhausleistungen

Der Fall

Die Klägerin (eine Gemeinschaftspraxis von Röntgenärzten) erbrachte in den Jahren 2004 und 2005 für das von der Beklagten betriebene Krankenhaus in 561 Fällen radiologische Leistungen für Regelleistungspatienten des Krankenhauses. Die Beklagte hatte mit dem früheren Praxisinhaber eine mündliche Vereinbarung, wonach ein einheitlicher Steigerungssatz von 0,75 des Gebührensatzes vereinbart war. Die Klägerin berechnete der Beklagten für ihre Leistungen insgesamt rund 197 000,00 Euro, wobei sie für einen Großteil ihrer Leistungen einen Steigerungssatz von 1,2 des Gebührensatzes der GOÄ zugrunde legten. Unter Bezugnahme auf die mit dem früheren Praxisinhaber geschlossene mündliche Vereinbarung zahlte die Beklagte allerdings nur rund 122 000,00 Euro. Die Klägerin nahm die Beklagte daraufhin auf den Differenzbetrag nebst Zinsen in Anspruch. Ihrer Auffassung nach war bereits die in § 2 Abs. 2 GOÄ vorgesehene Schriftform nicht eingehalten worden. Die Klage war in allen Instanzen erfolglos. Letztinstanzlich entschied der Bundesgerichtshof (BGH) ebenfalls gegen die Klägerin.

Das oberste Gericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt: Hintergrund der zu beurteilenden Leistungsbeziehungen zwischen der radiologischen Praxis der Klägerin und dem Krankenhaus sei der Umstand gewesen, dass das Krankenhaus über keine radiologische Abteilung verfügte. Soweit daher für stationär aufgenommene Patienten radiologische Leistungen erforderlich waren, musste sich das Krankenhaus diese Leistungen durch externe Ärzte beschaffen. Diese Leistungen sind nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) Bestandteil der allgemeinen Krankenhausleistungen. Bei diesen handelt es sich um Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind.

GOÄ nicht anwendbar

Die Leistungen der Klägerin sind daher aus den Mitteln des Krankenhauses zu honorieren, ohne dass die Patienten in Anspruch genommen werden könnten oder die Honorierung über die Kassenärztliche Vereinigung vorgenommen werden könnte. Wie das Berufungsgericht sieht auch der BGH in der mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin geschlossenen Vereinbarung einen Rahmenvertrag im Sinne eines Konsiliararztvertrages, auf den die GOÄ nicht anzuwenden sei. Bei der ärztlichen Gebührenordnung handelt es sich grundsätzlich um ein für alle Ärzte geltendes zwingendes Preisrecht, das verfassungsrechtlich unbedenklich ist und weder die Kompetenzordnung des Grundgesetzes noch die Berufsfreiheit der Ärzte verletzt. Ungeachtet des weit gefassten Wortlautes des § 1 Abs. 1 GOÄ, der die Vergütungen für ärztliche Leistungen insgesamt zu erfassen scheint, vertritt aber auch der BGH die Auffassung, dass die GOÄ für die hier entfaltete Tätigkeit der Ärzte der Klägerin nicht anwendbar ist. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die Vertragsschließenden, was ohne Weiteres zulässig sei, sich für die Vergütung der von den Ärzten der Klägerin erbrachten Leistungen am Gebührenverzeichnis der Gebührenordnung orientiert und einen bestimmten Steigerungsfaktor vereinbart hätten. Eine Schriftform war daher für die Vereinbarung nicht erforderlich. Die GOÄ regele, für welche Leistungen und in welcher Höhe Ärzte von Privatpatienten und in der GOÄ genannten Leistungsträgern, die für einen bestimmten Kreis von Patienten einstehen, die die Vergütung nicht selbst bezahlen müssen, Honorare verlangen können. Um eine solche Fallgestaltung handele es sich hier aber nicht. Das Krankenhaus sei kein öffentlich-rechtlicher Leistungsträger, sondern (wie die Radiologen) ein Leistungserbringer, der dem Patienten die allgemeinen Krankenhausleistungen schuldet, zu denen auch die von der Klägerin erbrachten Leistungen rechnen. Die in Rede stehenden Leistungen der Radiologen würden im rechtlichen Sinne weder den Patienten noch zur Erfüllung einer vertragsärztlichen Pflicht erbracht, sondern aufgrund eines Dienstvertrages mit dem Krankenhaus zur Komplettierung der von diesen geschuldeten allgemeinen Krankenhausleistungen, die insgesamt nach dem KHEntgG abgerechnet werden. Es ginge daher um eine Einbindung und Vergütung der ärztlichen Tätigkeit, die weder unmittelbar dem Privatpatienten noch vertragsärztlich erbracht wird, sondern gleichsam zwischen diesen beiden Honorierungssystemen wirtschaftlich in die Finanzierung der Krankenhausleistungen eingepasst werden müsse. Aus dieser Besonderheit ergäbe sich, wie beiden Vertragsparteien bewusst sei, die für die Angemessenheit der Vergütung wesentlichen Parameter. Dies im Einzelnen zu regeln sei Sache der jeweiligen Vertragspartner, die sich am ärztlichen Gebührenrecht orientieren können. Die zu beurteilende Vereinbarung sei auch nicht deshalb unwirksam, weil sie eine Honorierung unterhalb des Gebührenrahmens der Gebührenordnung vorsehe oder aus berufsrechtlichen Gründen zu beanstanden wäre. Unter anderem stützt sich der BGH dabei darauf, dass die Tatsache, dass die Radiologen ihre Tätigkeit für das Krankenhaus fortgesetzt und von einer Kündigung der Rahmenvereinbarung abgesehen hatten, nachdem sich die Beklagte nach der ersten Rechnungsstellung auf die mit dem Praxisvorgänger geflossene Vereinbarung berufen hatte, dafür spreche, dass die Klägerin die getroffene Regelung selbst nicht für unangemessen gehalten habe.

Fazit

Zusammenfassend kam der BGH daher zu dem Ergebnis, dass die Vergütung unter dem Einfachsatz nicht zu beanstanden war und die niedergelassenen Ärzte sich an der mündlich vereinbarten Regelung festhalten lassen mussten (BGH, Urteil vom 12.11.2009, Az.: III ZR 110/09, Zweibrücken).

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