Pneumologie 2010; 64(9): 530
DOI: 10.1055/s-0030-1265703
Pneumo-Fokus

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Kompetenznetzwerk CAPNETZ – Hoffnung auf neueTherapiestrategie

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Publication Date:
08 September 2010 (online)

 
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Streptococcus pneumoniae ist der häufigste Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie (CAP). Zunehmende Antibiotikaresistenzen erfordern die Entwicklung neuer Therapiestrategien. In der intensivmedizinischen Fachzeitschrift "Critical Care Medicine" berichtet die Arbeitsgruppe der Berliner Charité um M. Witzenrath und N. Suttorp, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie, dass die systemische Therapie mit einem von Bakteriophagen produzierten lytischen Enzym Mäuse heilt, die an einer unbehandelt tödlich verlaufenden Pneumokokken-Pneumonie erkrankt sind [1].

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Bakteriolyse mittelsPhagenenzym

Bakteriophagen sind natürlich vorkommende Viren, die Bakterien infizieren. Sie schleusen ihre genetischen Informationen in Bakterien ein, nutzen den Protein-Syntheseapparat der Bakterien zur Vermehrung und befreien sich nachfolgend mithilfe lytischer Enzyme, welche die Bakterienwand zerstören. V. Fischetti von der Rockefeller Universität, New York, isolierte und synthetisierte ein derartiges lytisches Phagenenzym [2], dessen besondere Eigenschaften eine Nutzung als Ersatz für herkömmliche Antibiotika prinzipiell zulassen. In vitro verursachte die Zugabe des Enzyms zu einer Pneumokokkenkultur eine Bakteriolyse. Resistenzen der Pneumokokken gegenüber herkömmlichen Antibiotika reduzierten die Wirksamkeit des Enzyms nicht.

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Ambulant erworbene Pneumonien werden häufig durch Streptococcus pneumoniae verursacht (Bild: CDC/Dr. Mike Miller).

In der In-vivo-Untersuchung [1] wurden Mäuse mit schwerer Pneumokokken-Pneumonie in 3 Gruppen eingeteilt. Die 1. Gruppe wurde mit Penicillin therapiert und überstand die Erkrankung. Gruppe 2 wurde das Enzym Cpl-1 verabreicht, die 3. Gruppe erhielt ein Placebo. Alle mit Placebo behandelten Mäuse starben, ihre mit Cpl-1 behandelten Artgenossen überlebten. Cpl-1 verursachte eine deutliche Abnahme der Bakterienzahlen (> 95 %) in Lunge und Blut. Die typischen Symptome der Lungenentzündung verschwanden rasch. Inflammatorische Nebenwirkungen der Therapie wurden in umfassenden Analysen weder bei Mäusen noch in humanen Zellkulturen beobachtet.

Bakteriophagen-Bakterien-Interaktionen sind evolutionsgeschichtlich sehr alt. Die Besonderheit der Therapiestrategie besteht darin, dass ein natürlich vorkommendes, evolutionsbiologisch perfektioniertes Enzym eingesetzt wird und somit eine Resistenzentwicklung seitens der Bakterien relativ unwahrscheinlich ist. Auch gegen zahlreiche andere Bakterien, einschließlich Staphylococcus aureus, wurden bereits lytische Phagenenzyme isoliert [3]. Aktuell werden Zulassungsverfahren für erste klinische Studien zur Untersuchung von lytischen Phagenenzymen angestrebt.

PD Dr. Martin Witzenrath, Berlin

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Literatur

  • 01 Witzenrath M, Schmeck B, Doehn J M et al. Systemic use of the endolysin Cpl-1 rescues mice with fatal pneumococcal pneumonia.  Crit Care Med. 2009;  37 642-649
  • 02 Loeffler J M, Nelson D, Fischetti V A et al. Rapid killing of Streptococcus pneumoniae with a bacteriophage cell wall hydrolase.  Science . 2001;  294 2170-2172
  • 03 Daniel A, Euler C, Collin M et al. Synergism between a novel chimeric lysin and oxacillin protects against infection by methicillin-resistant Staphylococcus aureus.   Antimicrob Agents Chemother . 2010;  54 1603-1612
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Literatur

  • 01 Witzenrath M, Schmeck B, Doehn J M et al. Systemic use of the endolysin Cpl-1 rescues mice with fatal pneumococcal pneumonia.  Crit Care Med. 2009;  37 642-649
  • 02 Loeffler J M, Nelson D, Fischetti V A et al. Rapid killing of Streptococcus pneumoniae with a bacteriophage cell wall hydrolase.  Science . 2001;  294 2170-2172
  • 03 Daniel A, Euler C, Collin M et al. Synergism between a novel chimeric lysin and oxacillin protects against infection by methicillin-resistant Staphylococcus aureus.   Antimicrob Agents Chemother . 2010;  54 1603-1612
 
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Ambulant erworbene Pneumonien werden häufig durch Streptococcus pneumoniae verursacht (Bild: CDC/Dr. Mike Miller).