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DOI: 10.1055/s-0030-1267270
Zum Artikel „Sexuelle Belästigung in der Physiotherapie”, physiopraxis 7-8/10
Publication History
Publication Date:
16 September 2010 (online)
Entsexualisiert die Ausbildung?
Liebe Frau Klenger, liebe physiopraxis-Redaktion,
vielen Dank für diesen Artikel! Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Sie den Mut besitzen, ein solch hoch tabuisiertes Thema in der Physiotherapie anzusprechen und damit (vielleicht) manchen Therapeutinnen und Therapeuten ihre „Sprache” wiederzugeben. Sexuelle Belästigung – ob durch Worte mit sexuellem Inhalt, entsprechende Berührungen oder tatsächliche Versuche von Patienten den Physiotherapeuten zu küssen – wird häufig verschwiegen oder gar nicht als solche wahrgenommen. Warum? Sie haben einige Gründe angeführt.
Einen anderen Punkt möchte ich in die Diskussion einbringen: Wer kennt nicht die erste Woche in der Ausbildung zum Physiotherapeuten, in der „legitimisiert” vermittelt wird, sich vor allen anderen, ja noch unbekannten Anwesenden, vollständig zu entkleiden und dies als das „Normalste von der Welt” anzusehen. Ohne jegliche Vor- und Nachbereitung wird von gerade erwachsen gewordenen Auszubildenden verlangt, nackt vor den Ausbildern (die natürlich angezogen sind) als „Körperobjekt” zu fungieren – tatsächlich traumatisierend für viele von uns. Denn in der westlichen Welt ist es üblich, seine primären und sekundären Geschlechtsmerkmale zu verdecken. Daher die provokante Frage: Gibt es überhaupt ein „Geschlecht” in der Physiotherapie?, oder werden wir nicht alle vom ersten Tag der Ausbildung an „entsexualisiert”?
„Gibt es überhaupt ein Geschlecht in der Physiotherapie?”, Katharina Scheel
Unterstützt wird diese „Entsexualisierung” zudem meist durch die Berufskleidung: Das Tragen von weiten T-Shirts und Hosen, um ja keine geschlechtsbezogenen Merkmale „durchscheinen” zu lassen und damit zu einer sexuell besetzten Handlung in der Therapie quasi „anzuregen”, gehört dazu. Eine sexuelle Belästigung kann schwerlich zur Sprache gebracht werden, wenn die Kategorie Geschlecht in einem Beruf ausgeklammert wird!
Ich hoffe, angestoßen durch den Artikel, dass dieses Thema nicht in der nächsten Schublade verschwindet, sondern zu wichtigen Diskussionen im Berufsstand führt und, eingebettet in theoretischen Arbeiten, beispielsweise zu Geschlecht, Menschenbild oder Ethik in der Physiotherapie, seinen Platz findet.
In diesem Sinne mit den besten Grüßen,
Katharina Scheel, MSc. (Physiotherapy) aus Bochum