Z Orthop Unfall 2010; 148(5): 508
DOI: 10.1055/s-0030-1267877
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Bizepssehnenläsionen bei Rotatorenmanschettenläsionen – Der Operateur kann entscheiden

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Publication Date:
06 October 2010 (online)

 
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Die vorliegende Studie vergleicht in einer prospektiven Kohortenstudie die Tenodese mittels Nahtankern versus Tenotomie der langen Bizepssehne bei athroskopischer Rotatorenmanschettenrekonstruktion. Treatment of biceps tendon lesions in the setting of rotator cuff tears: Prospective cohort study of tenotomy versus tenodesis. Am J Sports Med. 2009; 37: 2334 – 2339

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Einleitung

Bei arthroskopischer Rotatorenmanschettenrekonstruktion zeigen sich häufig Begleitläsionen der langen Bizepssehne. Liegt ein entsprechender Schweregrad vor, sind die Tenotomie und die Tenodese die Methoden der Wahl. Welche dieser beiden die optimale Behandlungsmethode darstellt, wird kontrovers diskutiert. Befürworter der Tenotomie argumentieren, es sei das technisch einfachere und schnellere Vorgehen, habe eine kürzere Rehabilitationsphase und es seien keine zusätzlichen Implantate und die damit verbundenen Kosten und Komplikationen notwendig. Die Befürworter der Tenodese beschreiben eine bessere Ellbogenflexion und -supination, weniger Krampfneigung im Oberarm sowie bessere kosmetische Ergebnisse. Ein Konsens bez. des Alters des Patienten scheint es zu geben, für Patienten unter 50 Jahren oder Patienten mit körperlicher schwerer Arbeit auch über 50 kommt eher die Tenodese infrage, für Patienten über 55 – 60 die Tenotomie.

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Studiendesign

Von Januar 2006 bis Juni 2007 wurden 90 Patienten (Alter: > 55 Jahre) mit Rotatorenmanschettenläsion und begleitender Läsion der langen Bizepssehne eingeschlossen. Einschlusskriterien waren: Risse größer als 30 % des Sehnendurchmessers, Subluxationen oder Dislokationen sowie SLAP-Läsion Typ 2 des anterioren oder posterioren Labrums. Die ersten 45 Patienten bekamen im Rahmen der Rotatorenmanschettenrekonstruktion eine Bizepssehnentenodese mittels Nahtanker, die nächsten 45 eine Tenotomie. Da alle Patienten eine Rotatorenmanschettenrekonstruktion hatten, erfolgte die Nachbehandlung zunächst im Schulterabduk- tionskissen für 4 Wochen mit begleitende assistiver Krankengymnastik und suzessiver Steigerung der Aktivität. Die Evaluation der Bizepssehne erfolgte dann durch Kraftmessung der Ellenbogenflexion mittels Hand-Dynamometer, Vorhandensein der Distalisierung des Muskelbauchs der langen Bizepssehne ("Popey-Deformität") und durch Befragung des Patienten zu Oberarmkrämpfen. Die Funktion der Schulter im Vergleich zu präoperativ, wurde durch den Constant-Score und den American Shoulder and Ellbow Score (ASES) ermittelt. Patienten wurden nach 2 und 6 Wochen und 3,6,12,18 und 24 Monaten postoperativ nachuntersucht.

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Ergebnisse

43 Patienten in der Tenodese-Gruppe und 41 in der Tenotomie-Gruppe konnten im 2-Jahres-Follow-up evaluiert werden. Es gab keinen signifikanten Unterschied in beiden Gruppen bez. Alter, Geschlecht, dominanter Arm, Zeit von Beginn der Symptome bis zur Operation und in den präoperativen ASES- und Constant-Score und der Größe der Rotatorenmanschettendefekte. Es zeigte sich postoperativ eine signifikante Verbesserung des ASES- bzw. Constant-Scores in beiden Gruppen von 38,9 ± 14,2 bzw. 52,1 ± 21,3 auf 84,7 ± 13,6 bzw. 82,9 ± 13,5 in der Tenodese-Gruppe (p < 0,0001) und von 35,2 ± 10,5 bzw. 48,1 ± 21,3 auf 79,6 ± 15,8 bzw. 78,3 ± 14,1 in der Tenotomie-Gruppe (p < 0,0001), jedoch keine sigifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen. Auch die Ellbogenflexion zeigte keinen Unterschied zwischen den Vergleichsgruppen: 0,92 ± 0,15 (Tenodese) und 0,94 ± 0,19 (Tenotomie) (p < 0,7475). Oberarmkrämpfe gaben 2 aus der Tenodese- und 4 aus der Tenotomie-Gruppe an (p < 0,4274), auch hier zeigte sich kein signifikanter Unterschied. Es ergab sich ein signifikanter Unterschied beim Auftreten einer "Popey-Deformität": 4 Patienten mit Tenodese (9 %) gegenüber 11 (27 %) mit Tenotomie (p < 0,0360).

Dr. med. Marco Ezechieli
Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover

Email: marco.ezechieli@ddh-gruppe.de

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Kommentar

Es zeigt sich in dieser sehr umfangreichen und guten Studie (Level 2 of evidence) kein signifikanter Unterschied zwischen Tenotomie und Tenodese mittels Nahtanker bez. Kraft bei Ellenbogenflexion, Häufigkeit von Oberarmkrämpfen und der klinischen Schulterfunktion, die mittels des ASES- und Constant-Scores ermittelt wurde. Es wurde lediglich beobachtet, dass es bei der Tenodese zu signifikant weniger "Popey-Deformitäten" kommt. Dies ist in den allermeisten Fällen ein rein kosmetisches Problem.

Ein Schwachpunkt der Studie ist, dass mit dem Hand-Dynamometer lediglich die Kraft der Ellenbogenflexion und nicht die Kraft der Ellenbogensupination gemessen werden kann. Hier haben einige Studien gezeigt, dass es bei der Tenotomie eher zu Kraftverlust bei der Ellenbogensupination als bei der Bizepssehnentenodese kommt, in einzelnen Studien sind bis zu 40 % Kraftverlust beschrieben. Hier wären sicherlich weitere Untersuchungen wünschenswert.

Nach dieser Studie bleibt es weiter dem einzelnen Operateur überlassen in Anbetracht des Alters, der körperlichen Aktivität und der Anspruchshaltung des Patienten, die Entscheidung zur Tenotomie oder Tenodese der beschädigten langen Bizepssehne zu treffen.

Dr. med. Marco Ezechieli