Der Klinikarzt 2010; 39(11): 523
DOI: 10.1055/s-0030-1269783
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Zwischen Knochenschwund und Herzinfarkt – Zuviel Kalzium gefährdet die Blutgefäße

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29 November 2010 (online)

 
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Kalziumpräparate können in größeren Mengen eingenommen die Entstehung von Herzinfarkten und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen. Dies zeigt eine aktuelle Auswertung mehrerer Studien an insgesamt 12 000 Teilnehmern. Kalziumpräparate sollten deshalb zurückhaltender und nur nach ärztlicher Rücksprache eingenommen werden, rät die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Um Knochenabbau vorzubeugen, sei eine ausreichende Kalziumzufuhr mit der Nahrung jedoch weiterhin unverzichtbar.

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Unkritische Einnahme schadet

Die Auswertung von insgesamt 15 Studien hat kürzlich ergeben, dass die Einnahme von Kalziumpräparaten - insbesondere ohne ergänzendes Vitamin D - das Risiko für Herzinfarkte um bis zu 30 % Prozent erhöht. Auch die Häufigkeit von Schlaganfällen und die Sterberate waren in dieser Meta-Analyse aus Neuseeland und den USA tendenziell leicht erhöht. "Die Ergebnisse der Studie sind ein ernstzunehmender Hinweis auf gesundheitliche Risiken durch Kalziumpräparate, wenn sie unkritisch eingesetzt werden - insbesondere weil Kalziumpräparate weit verbreitet sind", sagt Prof. Hendrik Lehnert, DGIM-Vorsitzender und Direktor der Medizinischen Klinik I am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck.

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Gabe von Präparaten sorgfältig abwägen

Daraus ergebe sich eine Gratwanderung: "Wir wissen seit langem, dass die Einnahme von Kalzium allein die Mineraldichte im Knochen kaum steigert", erläutert Dr. Christian Hubold, Lübeck. Im besten Fall werde das Mineral einfach über den Urin wieder ausgeschieden, im ungünstigen Fall werde es aber in der Gefäßwand abgelagert und begünstigt Herz-Kreislauferkrankungen. Dieser Zusammenhang ist insbesondere bei Patienten mit Nierenschwäche gut bekannt. Im Gegensatz zu Kalziumpräparaten erhöhen Vitamin-D-Präparate nicht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besteht bereits ein Knochenschwund, reicht die Einnahme von Vitamin D allein nicht aus, um Knochenbrüche wirksam zu verhindern. Die Behandlung dieser Osteoporose erfolge heute überwiegend mit Medikamenten, die eine Mineralisierung des Knochens verbessern. Hierfür ist aber eine gesteigerte Zufuhr des "Baustoffs" Kalzium notwendig "Deshalb ist eine ausreichende Kalziumversorgung im Rahmen einer gesunden und vollwertigen Ernährung unverzichtbar. Eine zusätzliche Gabe von Kalziumpräparaten sollte nur dann erwogen werden, wenn die Kalziumzufuhr mit der Ernährung nicht ausreicht", rät der Experte.

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Empfohlene Tageszufuhr

Die empfohlene Tageszufuhr von Kalzium liegt für Erwachsene zwischen 450 und 1000 mg. Zur Vorbeugung und Behandlung einer Osteoporose sind 1000 bis maximal 1500 mg empfohlen. Gesunde können das Mineral mit der Nahrung in ausreichender Menge zu sich nehmen. Käse oder Milch sind eine gute Quelle. Aber auch Grünkohl, Petersilie, Mandeln und vor allem Mohn enthalten viel Kalzium.

Quelle: Bolland et al. Effect of calcium supplements on Risk of myocardial infarction and cardiovascular events: meta-analysis. BMJ 2010; 341: c3691