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DOI: 10.1055/s-0030-1270273
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Heterotope Ossifikationen – Wie können ektope Verkalkungen verhindert werden?
Publication History
Publication Date:
15 December 2010 (online)
Heterotope Ossifikationen stellen eine anerkannte Komplikation von Ellenbogenverletzungen dar. Sie können zu Einschränkungen der Funktion und des Bewegungsumfangs sowie zu Schmerzen führen. Die Pathogenese ist noch nicht vollständig geklärt, jedoch wird eine Differenzierung pluripotenter mesenchymaler Stammzellen zu Osteoblasten vermutet, die im Weichgewebe zur Ausbildung von Ossifikationen führen. Als Risikofaktoren für die Entstehung heterotoper Ossifikationen gelten ein lokales Trauma, genetische Disposition sowie neurologische Abnormitäten. Die Prävalenz wird bei Frakturen des Ellenbogens mit 35 – 49 % angegeben.
Radiation Therapy for Heterotopic Ossification Prophylaxis Acutely After Elbow Trauma. A Prospective Randomized Study. J Bone Joint Surg Am 2010; 92:2032 – 2038
Die Behandlung heterotoper Ossifikationen kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Zum Teil ist die radikale chirurgische Exzision notwendig, die jedoch mit Komplikationen einhergehen kann mit fraglicher Prognose. Daher hat die Prophylaxe einen steigenden Stellenwert. In 2 retrospektiven Studien waren positive Ergebnisse mit einmaliger Bestrahlung der Ellenbogenregion nach Trauma berichtet worden.
Um die Wirksamkeit der lokalen Bestrahlung als Ossifikationsprophylaxe nach Verletzungen im Ellenbogenbereich zu prüfen, wurde eine prospektiv randomisierte Studie durchgeführt.
#Material und Methoden
Von September 2005 bis Dezember 2008 wurden an insgesamt 3 großen medizinischen Zentren 48 Patienten mit intraartikulärer distaler Humerusfraktur oder dislozierter proximaler Radius- und/oder Ulnafraktur in die Studie eingeschlossen. Die Patienten hatten keine zusätzliche Kopfverletzung, großflächige Verbrennung der Körperoberfläche oder Rückenmarksverletzungen. Die operative Versorgung der Frakturen erfolgte durch erfahrene Chirurgen. Die Patienten wurden prospektiv randomisiert in eine Studiengruppe und eine Kontrollgruppe eingeteilt. Die Studiengruppe erhielt innerhalb von 72 Stunden nach OP eine einmalige lokale Bestrahlung von 700 cGy, die Kontrollgruppe nicht.
Nach 6 Wochen, 3 Monaten und 6 Monaten wurden jeweils klinische und radiologische Nachuntersuchungen durchgeführt. Es wurden der Mayo Elbow Performance Score (MEPS) bestimmt und die Ossifikationen anhand der Ilahi- und Brooker-Klassifikation (I-IV) eingeteilt.
#Ergebnisse
Die Studie wurde aufgrund einer auffallend hohen Komplikationsrate in der Studiengruppe vorzeitig beendet. Die Gruppe mit lokaler Bestrahlung wies eine signifikant höhere Anzahl von nicht verheilten Frakturen auf. Insgesamt wurden 45 Patienten nachuntersucht, wovon 21 bestrahlt worden waren und 24 Patienten ohne Bestrahlung. Bei 8 Patienten zeigte sich eine unzureichende knöcherne Konsolidierung, wobei 7 dieser Patienten in der Studiengruppe waren, 1 Patient in der Kontrollgruppe. Dies entsprach einer Komplikationsrate von 38 % nach lokaler Bestrahlung gegenüber 4 % ohne Bestrahlung, sodass die Studie abgebrochen werden musste.
Zwischen beiden Studiengruppen bestanden hinsichtlich Altersverteilung, Geschlecht, Frakturklassifikation und operativer Behandlung keine wesentlichen Unterschiede. Die Funktion des Ellenbogengelenks wies keine signifikanten Unterschiede auf.
Hinsichtlich der ursprünglichen Fragestellung, der Ausbildung heterotoper Ossifikationen, ergaben sich bei zu geringer Fallzahl keine signifikant erhöhten Werte in einer der Gruppen. Bei 3 Patienten der Kontrollgruppe traten jedoch Ossifikationen (Grad III oder IV) auf, die operativ entfernt werden mussten.
Martina Wendt
Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock, Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Email: Wendt-M@web.de
Kommentar
Ziel dieser prospektiv randomisierten Studie war herauszufinden, ob die einmalige lokale Bestrahlung der Ellenbogenregion nach operativer Frakturversorgung die Entstehung heterotoper Ossifikationen verringert. Aufgrund einer unerwartet hohen Anzahl von 38 % an nicht verheilten Frakturen nach Bestrahlung musste die Studie vorzeitig beendet werden. Bezüglich der ursprünglichen Fragestellung konnte keine sichere Aussage bei zu geringer Fallzahl getroffen werden.
Der positive Effekt einer lokalen Bestrahlung war bereits in mehreren Studien beschrieben. Jedoch war die Bestrahlung im Rahmen einer operativen Entfernung von heterotopen Ossifikationen erfolgt und nicht präventiv nach Frakturversorgung. In dieser Studie war erstmalig die präventive Bestrahlung im Vergleich zu einer Kontrollgruppe untersucht worden.
Der notwendige Abbruch der Studie und die Nicht-Beantwortung der Fragestellung scheinen zunächst negativ, jedoch sind die Ergebnisse interessant und aufschlussreich. Durch lokale Bestrahlung der Ellenbogenregion unmittelbar postoperativ nach Frakturversorgung wird die Knochenheilung erheblich beeinträchtigt. Bei Bestrahlung nach knöcherner Konsolidierung und Exzision heterotoper Ossifikationen wird die erneute Ausbildung von Ossifikationen nachweislich verringert. Somit erscheint der Zeitpunkt der Bestrahlung von wesentlicher Bedeutung, da vermutlich nicht nur die Knochenbildung im Weichgewebe, sondern auch die Frakturheilung beeinflusst wird. Hier besteht mit Sicherheit noch Potenzial für weitere Untersuchungen und Entwicklung risikoarmer Präventiv- und Therapiemaßnahmen.
Martina Wendt